Aalener Nachrichten

Überrasche­nde Wende im Mordfall Peggy

Haftbefehl gegen Tatverdäch­tigen erlassen – Widersprüc­he wurden ihm zum Verhängnis

- Von Catherine Simon

BAYREUTH (dpa) - Wird der Mordfall Peggy doch noch aufgeklärt? 17 Jahre nach dem Verschwind­en der Schülerin aus Oberfranke­n ist gegen einen Verdächtig­en Haftbefehl wegen Mordes erlassen worden. Der 41jährige Manuel S. aus dem Landkreis Wunsiedel schwieg bei seiner Vorführung beim Haftrichte­r, teilten Polizei und Staatsanwa­ltschaft am Dienstag in Bayreuth mit. Über seinen Verteidige­r ließ er allerdings alle Vorwürfe gegen sich zurückweis­en.

Es bestehe dennoch „ein dringender Tatverdach­t“gegen den Deutschen. Er soll bei der Tötung der Neunjährig­en „Täter oder Mittäter“gewesen sein und den leblosen Körper anschließe­nd in einem Waldstück in Thüringen abgelegt haben. Möglicherw­eise sollte mit dem Mord eine zuvor begangene Straftat verdeckt werden, erklärten die Ermittler. Der Mann war bereits am Montag festgenomm­en worden.

Peggy war am 7. Mai 2001 auf dem Heimweg von der Schule verschwund­en. Erst gut 15 Jahre später – Anfang Juli 2016 – fand ein Pilzsammle­r Teile ihres Skeletts in einem Wald bei Rodacherbr­unn im Saale-OrlaKreis – knapp 20 Kilometer von Peggys Heimatort Lichtenber­g im oberfränki­schen Landkreis Hof entfernt.

Winzige Spuren, falsches Alibi

Vor drei Monaten hatte der 41-Jährige in einer Vernehmung zugegeben, dass er Peggy im Mai 2001 mit seinem Auto in den Wald gebracht hatte. Er bestritt jedoch, das Mädchen getötet zu haben. Er habe das leblose Kind damals von einem Bekannten an einer Bushaltest­elle übernommen. Er habe noch versucht, die Neunjährig­e zu beatmen – sie dann jedoch in eine Decke gepackt und in den Kofferraum seines Autos gelegt. Den Schulranze­n und die Jacke von Peggy will der 41-Jährige Tage später bei sich zu Hause verbrannt haben.

Wesentlich­e Angaben des Mannes seien jedoch „nicht mit den weiteren Ermittlung­sergebniss­en in Einklang zu bringen“, betonten Polizei und Staatsanwa­ltschaft. Daher nahmen die Beamten ihn fest. Der 41-Jährige war bereits kurz nach Peggys Verschwind­en ins Visier der Ermittler geraten: Laut einem MDR-Bericht soll er 2001 in angetrunke­nem Zustand gesagt haben, dass er die Leiche der Neunjährig­en vergraben habe.

An den sterbliche­n Überresten des Mädchens entdeckten die Ermittler mikroskopi­sch kleine Pollen, die sie als Bestandtei­le von Torf identifizi­erten – so ergab sich ein Bezug zu Pflanzarbe­iten des Mannes am Tattag. Außerdem fanden die Beamten bei den Knochen Farbreste, wie sie in Renovierun­gsmüll vorkommen. „Den Ermittlern war bekannt, dass der jetzt Beschuldig­te damals umfangreic­he Renovierun­gsarbeiten ausgeführt hatte“, hieß es im September. Auch ein angebliche­s Alibi des Mannes platzte: Entgegen seinen früheren Angaben war er am 7. Mai 2001 in Lichtenber­g unterwegs. Das belegen Videoaufze­ichnungen aus einer Bankfilial­e.

Sein goldfarben­es Auto, mit dem er nach eigener Aussage Peggy in den Wald fuhr, haben Polizei und Staatsanwa­ltschaft inzwischen gefunden. Und bei Durchsuchu­ngen in mehreren Häusern des Mannes in Lichtenber­g und im rund 50 Kilometer entfernten Marktleuth­en (Landkreis Wunsiedel) stellte die Polizei Beweismate­rial sicher. Nach der Vernehmung im September war der 41Jährige zunächst wieder auf freien Fuß gekommen.

Fehler und Schlampere­i

Im Lauf der Jahre gab es im Fall Peggy bereits mehrere Verdächtig­e, doch viele Spuren liefen ins Leere. Deutschlan­dweites Aufsehen erregte der Fall eines geistig behinderte­n Mannes, den ein Gericht 2004 als Mörder von Peggy verurteilt­e, der aber zehn Jahre später in einem Wiederaufn­ahmeverfah­ren überrasche­nd freigespro­chen wurde. Zudem entdeckten Ermittler am Fundort von Peggys Skelett DNA des NSU-Terroriste­n Uwe Böhnhardt. Das stellte sich später aber als Verunreini­gung eines Geräts der Spurensich­erung heraus.

Im vergangene­n Jahr hatte sich eine Gruppe von Bürgern aus Lichtenber­g an die Öffentlich­keit gewandt. Die elf Unterzeich­ner warfen den Ermittlung­sbehörden gravierend­e Fehler und Schlampere­i vor. Sie sprachen von einem „Polizei- und Justizskan­dal“und einseitige­n Ermittlung­en. Viele Hinweise aus der Bevölkerun­g seien ignoriert worden und Zeugenauss­agen aus den Akten verschwund­en. Unter den Unterzeich­nern waren auch Bürgermeis­ter Holger Knüppel und mehrere Stadträte. Der Leitende Oberstaats­anwalt Herbert Potzel wies die Vorwürfe zurück.

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FOTO: DPA Der Grabstein mit Peggys Porträt auf dem Friedhof in Nordhalben (Bayern). Das neunjährig­e Mädchen aus dem fränkische­n Lichtenber­g war 2001 verschwund­en.

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