Ein großer Denker
Zum Tod des Philosophen Robert Spaemann
BERLIN (KNA) - Robert Spaemann ist tot. Der Philosoph starb im Alter von 91 Jahren in seinem Haus in Stuttgart. Er zählte zu den bedeutendsten zeitgenössischen Denkern. Der Katholik war ein Freund von Papst Benedikt und ein Kritiker der Liturgiereform. Er führte ein Leben aus dem Geist von Widerspruch und Gottvertrauen.
Mit Joseph Ratzinger verband Spaemann nicht nur das Geburtsjahr 1927, sondern auch gegenseitige Wertschätzung. Die Bezeichnung katholischer Philosoph wies Spaemann allerdings zurück – aus Prinzip. In der Philosophie zählt die Kraft des Arguments. Allerdings hielt er an der Grundüberzeugung fest: „Wenn wir Gott wegnehmen (…), dann bricht das Denken zusammen“. Sein eigenes Denken habe sich aus „spontanen Erfahrungen, die ich gedanklich zu klären versuchte“entwickelt, betont er.
Früher Widerspruchsgeist
In seiner Jugend während der NSZeit gehörte dazu das Erleben, „wie man die Juden behandelte. Das war so widerlich, dass es keiner besonderen Leistung, keiner Anstrengung bedurfte, um sich davon abzuwenden.“Diese Aversion kostete ihn fast das Leben. Denn der Gymnasiast zeichnete eine Hitler-Karikatur an die Tafel und schrieb darunter: „Achtung! Totengräber Deutschlands!“; später entzog er sich dem Fahneneid auf Hitler. Zum Märtyrer sah er sich jedoch nicht berufen und sprach rückblickend auch von „Leichtsinn“. Dennoch zeigte sich schon damals jener Widerspruchsgeist, der ihn zeitlebens kennzeichnete.
Tief geprägt hat ihn das Elternhaus und der Glaube seiner Eltern, die zum Katholizismus konvertierten: Die Mutter eine Tänzerin, der Vater Heinrich ein Kunsthistoriker und Kulturredakteur der „Sozialistischen Monatshefte“. Als die Mutter früh an Tuberkulose starb, ließ sich der Vater 1942 zum Priester weihen.
Als Philosoph verstand sich Spaemann eher als Skeptiker. Mit Nietzsche sah er das Projekt der Moderne als „radikal-emanzipatorische Selbstaufhebung“, die Loslösung des Menschen von jeder inneren oder äußeren Bestimmung. Die Kehrseite bestand für ihn darin, dass der Mensch nur noch funktional verstanden werde, als Mittel zum Zweck: politisch, sozial, psychologisch oder biologisch. Dieser Weltanschauung entziehe man sich „nicht durch einen antimodernistischen Entschluss“, sondern durch Aufklärung.
Dazu diente ihm vor allem der philosophische Essay. Es gibt kaum eine Kontroverse seit Beginn der Bundesrepublik, in der er nicht das Wort ergriff: Mit seinem Freund Heinrich Böll gegen Kernenergie und Atombewaffnung, dann für die Nachrüstung; er problematisierte den Kosovo-Krieg und warnte vor der Zerstörung der Umwelt.
Dauerthemen waren für ihn das Recht des ungeborenen Lebens, die „Euthanasie“und die Gentechnik. Hier zeigte er sich kompromisslos, weil für ihn der Mensch selbst auf dem Spiel stand. Um Etikettierungen scherte sich Spaemann sein Leben lang nicht. Mal wurde er als „Freigeist“und „Ökophilosoph“gefeiert. Als er sich für den alten Messritus stark machte, galt er vielen, die ihn einst als „Linkskatholiken“eingestuft hatten, als erzkonservativ.