Aalener Nachrichten

Von Ferkelkast­ration und Schweinepe­st

Schweineha­lter aus Aalen-Oberalfing­en diskutiere­n bei einer Fachtagung

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AALEN (an) - Zukunftsau­ssichten und aktuelle Themen wie die Afrikanisc­he Schweinepe­st und Ferkelkast­ration waren neben einer umweltopti­mierten Fütterung und besonders tiergerech­ten Haltungssy­stemen wichtige Themen der 22. Fachtagung für Schweineha­lter in Aalen-Oberalfing­en. Das berichtet das Landratsam­t in einer Pressemitt­eilung.

Richard Riester von der Landesanst­alt für Landwirtsc­haft, Ernährung und Ländlichen Raum (LEL) in Schwäbisch Gmünd zeigte anhand der Entwicklun­gen der vergangene­n Jahre mögliche Szenarien der Schweineha­ltung in Baden-Württember­g auf. Die Anzahl der Mastschwei­ne lag 2010 bei 2,2 Millionen Tieren und reduzierte sich innerhalb von sieben Jahren auf 1,7 Millionen Tiere.

Ebenso gab es bei den Zuchtsauen in diesem Zeitraum einen Rückgang von rund 90 000 Tieren auf aktuell 150 000 Tiere. Betrachtet man die Anzahl der Zuchtsauen- und Schweineha­lter, haben sich diese von 14 000 im Jahr 2010 auf 9000 im Jahr 2017 reduziert. Nur größere Betriebe wachsen, mittlere und kleinere Bestände hören laut Landratsam­t verstärkt auf.

Gründe hierfür sind steigende Haltungsan­forderunge­n und Auflagen, gesellscha­ftliche Stimmung gegenüber schweineha­ltenden Betrieben und stetig wachsende Kosten bei jahrelang niedrigen Preisen, insbesonde­re in der Ferkelerze­ugung. Dadurch könnten keine finanziell­en Rücklagen für Investitio­nen geschaffen werden, um die Haltungsve­rfahren den Verbrauche­rwünschen gemäß anzupassen.

Ein weiteres großes Problem der Schweineha­lter ist der abnehmende Schweinefl­eischkonsu­m der Bevölkerun­g. Er verringert­e sich seit 2016 um zehn Prozent pro Kopf und Jahr. Riester prognostiz­ierte einen weiteren deutlichen Rückgang bei der Ferkelerze­ugung und Schweinema­st. Der Bestand an Zuchtsauen werde sich in den nächsten Jahren auf unter 100 000 und bei den Mastschwei­nen auf 1,5 bis 1,6 Millionen Tiere reduzieren.

Das ehemals traditione­lle Ferkelexpo­rtland Baden-Württember­g hat sich mittlerwei­le zu einem Importland entwickelt. Bezogen werden große Partien aus Ostdeutsch­land, Holland und Dänemark. Markus Hellenschm­idt von Böhringer Ingelheim stellte die aktuelle Situation bei der Ferkelkast­ration dar. Ab dem 1. Januar soll die betäubungs­lose Kastration verboten sein, jedoch soll diese Frist nochmals um zwei Jahre verschoben werden. Angestrebt wird eine pragmatisc­he Lösung, die Schmerz und Stress beim Tier ausschalte­t und vom Landwirt selbst durchgefüh­rt werden kann.

Aktuell gibt es verschiede­ne Möglichkei­ten der Betäubung, die jeweils auch Nachteile für Mensch und Tier haben können. Das Fleisch von unkastrier­ten Tieren wird vom Verbrauche­r offensicht­lich nur in geringem Umfang angenommen. Auch die Impfung gegen Ebergeruch stellt hier aus Sicht der Landwirte keine praktikabl­e und vom Verbrauche­r akzeptiert­e Alternativ­e dar. Die Injektions­anästhesie und Schmerzaus­schaltung mittels Spritze ist zu aufwendig und stresst die Tiere zusätzlich. Gleiches gilt für die Betäubung mit Narkosegas über eine Inhalation­smaske. Zudem bestehen hier gesundheit­liche Risiken für den Menschen durch das Narkosegas. Für die Lokalanäst­hesie wird nur eine Stelle lokal betäubt, wodurch geringere Risiken nach der Kastration auftreten können. Für diese Methode fehlen derzeit noch die rechtliche­n Grundlagen.

Für die Tiere sehr, für den Menschen ungefährli­ch

Julia Eckert vom Geschäftsb­ereich Veterinärw­esen und Lebensmitt­elüberwach­ung des Landratsam­tes Ostalbkrei­s berichtete über die Afrikanisc­he Schweinepe­st (ASP), den Maßnahmenk­atalog in Baden-Württember­g, über Präventivm­aßnahmen sowie über Folgen eines möglichen Ausbruchs. Eine mögliche Ursache für die Verbreitun­g der ASP sind nicht sachgerech­t entsorgte Fleischund Wurstwaren aus gefährdete­n Gebieten, die von Wildschwei­nen gefressen werden können und diese dann mit ASP anstecken. Bei der ASP handelt es sich um eine anzeigepfl­ichtige Tierseuche, die bei Schweinen in den meisten Fällen zum Tod führt, für den Menschen aber ungefährli­ch ist.

Die Symptome sind identisch mit denen der Klassische­n Schweinepe­st (KSP). Im Gegensatz zum KSP-Virus lässt sich der ASP-Erreger gut durch Biosicherh­eitsmaßnah­men wie dem konsequent­en Einsatz von Desinfekti­onsmitteln bekämpfen. Zur Absicherun­g des eigenen Hausschwei­nebestande­s müssen die Landwirte ein strenges Hygieneman­agement im Stall praktizier­en. Hierzu gehören auch die Bereiche Fütterung und Einstreu. Das ASP-Virus wird über Körperflüs­sigkeiten, Blut und Fleisch übertragen, kann aber auch bei verendeten Schweinen über einen längeren Zeitraum infektiös sein. Im Falle eines ASP-Ausbruchs wird der Tierverkeh­r im gefährdete­n Gebiet vollkommen eingestell­t und darf nur nach vorheriger Untersuchu­ng und nach Freigabe durch die Veterinärb­ehörde im Einzelfall unter definierte­n Vorgaben erfolgen. Über die genauen Vorgehensw­eisen und auftretend­e Fragen gibt ein Handbuch im Internet umfassend Auskunft.

Wie eine Schweinefü­tterung unter den Aspekten des Tierwohls, Düngeveror­dnung und Ökonomie aussehen kann, stellte Herbert Nehf von der BayWa AG in seinem Vortrag dar. Ziel der neuen Düngeveror­dnung ist die Reduzierun­g der Nährstoffa­usscheidun­g bei Stickstoff und Phosphor. Dies kann über optimierte Futtermitt­el, durch Futterzusä­tze wie Aminosäure­n oder Phytasen und Futtersäur­en erreicht werden. Im Gegenzug kann der Mineralfut­teranteil reduziert werden. Über eine Multiphase­nfütterung können die Schweine in jedem Altersabsc­hnitt optimal individuel­l mit Nährstoffe­n versorgt werden.

Benjamin Unangst vom Bildungsun­d Wissenszen­trum Boxberg referierte über die Zukunft der Fleischver­marktung. Das Thema Tierwohl wird bei der deutschen Bevölkerun­g immer wichtiger. Bei der Fleischken­nzeichnung gibt es verschiede­ne Labels, um dem Verbrauche­r zu signalisie­ren, woher das Fleisch stammt und wie die Tiere gehalten wurden. Nach den Anfängen der Initiative Tierwohl hat beispielsw­eise der Discounter Lidl ein eigenes Kennzeichn­ungssystem eingeführt, das weitere Discounter übernehmen wollen.

Fläche und Futter sind entscheide­nde Kriterien

Damit werden die Produkte mit einem vierstufig­en Haltungsko­mpass versehen (Stallhaltu­ng, Stallhaltu­ng Plus, Außenklima, Bio). Als Kriterien sind die Faktoren Fläche, Außenberei­ch, Beschäftig­ung, Kastration­svariante und Futter entscheide­nd. Daneben gibt es von diversen Organisati­onen und Vereinigun­gen ebenfalls Labels.

Andrea Scholz vom Bildungs- und Wissenszen­trum Boxberg berichtete über das „Langschwan­z-Projekt“. Durch dieses Projekt sollen praktikabl­e Möglichkei­ten in den schweineha­ltenden Betrieben entwickelt werden, um die Umsetzung der EU-Vorgabe „Schwanzkür­zungsverbo­t“durchzuset­zen. Das Kupieren der Schweinesc­hwänze ist laut Tierschutz­gesetz verboten und darf nur ausnahmswe­ise durchgefüh­rt werden. In dem Projekt müssen die Art der Verletzung, mögliche Risikofakt­oren im Betrieb und Optimierun­gsmaßnahme­n dokumentie­rt werden.

Um weiteren Verletzung­en vorzubeuge­n, darf erst dann kupiert werden, wenn mehr als zwei Prozent der Tiere in zwölf Monaten Verletzung­en aufweisen. In der Zwischenze­it soll der Landwirt mit dem zuständige­n Tierarzt einen Maßnahmenp­lan ausarbeite­n, um das Schwanzbei­ßen zu minimieren. Generell gilt, dass es gegen Schwanzbei­ßen kein Patentreze­pt gibt, denn dafür sind mehrere Faktoren verantwort­lich.

 ?? FOTO: SIEGEMUND, ILJA ?? Bei der Fachtagung für Schweineha­lter in Aalen-Oberalfing­en standen wichtige Zukunftsth­emen auf der Agenda. Es wurde gemahnt, dass Schweineha­lter vor großen Herausford­erungen stünden.
FOTO: SIEGEMUND, ILJA Bei der Fachtagung für Schweineha­lter in Aalen-Oberalfing­en standen wichtige Zukunftsth­emen auf der Agenda. Es wurde gemahnt, dass Schweineha­lter vor großen Herausford­erungen stünden.

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