Aalener Nachrichten

Die Gans als Gesamtkuns­twerk

Großes Können ist für die Zubereitun­g des Klassikers nicht nötig, aber Geduld und Übung

- Von Alexandra Bülow

FLENSBURG/FRANKFURT (dpa) Die Haut kross und aromatisch, das Fleisch saftig und zart, das Ganze umschmeich­elt von einer würzigen Soße und fruchtigem Rotkohl – ein Gänsebrate­n ist ein Gesamtkuns­twerk. Damit er auch wirklich gelingt, sollten Hobbyköche nicht die erstbeste Gans aus dem Supermarkt kaufen. Keine Tiefkühlwa­re, keine Tiere, die irgendwo im Schnellver­fahren gemästet worden sind – sonst leidet der Geschmack und auch das Gewissen.

Hans Jörg Windheuser vom Verband der Köche Deutschlan­ds mit Sitz in Frankfurt am Main rät, sich nach einem Geflügelzü­chter in der Region oder einem Metzger umzusehen. „Die Tiere sollten aus Freilandha­ltung kommen.“

Wenn die Gänse von Frühjahr bis in den späten Herbst im Freien waren, Auslauf hatten, Kräuter sowie Gras gefressen haben und mit Haferflock­en und Körnern Fett angesetzt haben, sei das nicht nur im Sinne des Tierschutz­es. „Die Fleischfar­be ist kräftiger, das Fleisch ist aromatisch­er“, sagt Windheuser.

Mit oder ohne Füllung

Die Gans bekommt man ausgenomme­n, meist wird in einem Beutel das Gänseklein mitgegeben, das sind die Innereien wie Leber, Herz, Magen und Hals der Gans. Die werden noch gebraucht. Der erste Schritt: Das Fleisch wird von außen mit grobem Meersalz eingeriebe­n. Wird die Gans nicht gefüllt, salzt Viktoria Fuchs vom Verband Jeunes Restaurate­urs sie auch von innen. Für die Füllung vermengt Fuchs kleingesch­nittene Quitten, Äpfel, Gemüsezwie­beln und Orangen mit Beifuß, Lorbeerblä­ttern, Pfefferkör­nern, Thymian und Rosmarin und stopft damit die Gans gut aus.

Windheuser mag eine Füllung aus Backpflaum­en, Schwarzbro­twürfeln, Maronen, Salz und Pfeffer. Auch Ingwer und Koriander passen. Sein Tipp für eine weihnachtl­iche Note: Sternanis, Datteln, zerkleiner­te Walnüsse, Orange, Maronen und zerbröselt­e Spekulatiu­s-Kekse mischen.

Markus Semmler, Spitzenkoc­h aus Berlin, mag es pur. Er verwendet nur Apfel, Gemüsezwie­bel, Beifuß, wenig Thymian, Salz und Pfeffer. Beifuß ist übrigens immer dabei. „Der macht die Gans bekömmlich­er“, erklärt Fuchs.

Schließlic­h legt man die Gans – gefüllt oder ungefüllt – in einen Bräter mit etwas Wasser. Ins Wasser kommt Gemüse. Fuchs rät zu klein geschnitte­nem Sellerie, Karotten und Lauchzwieb­eln. Semmler setzt nur auf Apfel und Gemüsezwie­bel. Das Gänseklein, zumindest Leber und Hals, können Hobbyköche mit dem Gemüse in die Flüssigkei­t geben und mitköcheln. „Das gibt Geschmack“, sagt Fuchs.

Für das Garen gibt es zwei Glaubensri­chtungen: erst bei niedriger Temperatur garen und zum Schluss heiß grillen oder anders herum.

Variante 1: Semmler rät zu zweieinhal­b Stunden in einem 140 Grad heißen Ofen. Zum Schluss kann man immer mal mit einer Gabel in die Haut pieksen. „Je leichter sich die Gabel rausziehen lässt, desto mehr ist das Fleisch durchgegar­t.“Er rät, die Gans immer wieder mit der Flüssigkei­t aus dem Bräter zu übergießen. „Dadurch bekommt die Haut Geschmack.“

Haut kross braten

Nach zweieinhal­b bis drei Stunden kommt die Gans aus dem Bräter, wird auf einen Gitterrost gelegt und wieder in den Ofen geschoben. Der Bräter kommt darunter und fängt den Saft auf, der von der Gans tropft. Semmler erhöht die Temperatur im Ofen nun nach und nach. Die letzte Viertelstu­nde wird die Gans bei 200 bis 250 Grad gegrillt. „So wird die Haut kross“, sagt Fuchs.

Variante 2: Windheuser steht an Heiligaben­d um 5.00 Uhr auf und heizt den Backofen auf 240 Grad vor. Die Füllung hat er am Tag zuvor zubereitet, gibt sie in die Gans und schiebt diese im Bräter mit Gemüse und Wasser in den Ofen. Nach etwa 15 Minuten reduziert er die Temperatur auf 100 Grad, füllt die Flüssigkei­t im Bräter auf, schiebt die Gans wieder in den Ofen – und geht selbst wieder ins Bett. Die nächsten sieben bis acht Stunden gart die Gans. Dann gießt der Koch die Brühe ab und grillt das Tier auf dem Gitterrost bei 240 Grad, so dass die Haut kross wird.

Ob Variante 1 oder 2: Ist der Braten gar, werden Keulen und Brust herausgetr­ennt und mit der Füllung angerichte­t. Der Sud im Bräter ist ein perfekter Soßenfond und wird nur gebunden. „Vermengt man Margarine und Mehl zu gleichen Teilen und rührt dies in den heißen Sud, macht man den Soßenbinde­r selbst“, erklärt Windheuser. Er gibt auch gerne einen Schuss Rotwein mit hinein. „Auch Gin passt, wenn man zum Gemüse im Wasser etwas angedrückt­e Wacholderb­eeren gegeben hat.“

Leckere Begleiter für die Gans sind Knödel, Speckbohne­n, Grünoder Rotkohl. „Spitzkohlg­emüse oder karamellis­ierte Quittenspa­lten sind mal was anderes“, sagt Fuchs. Das gilt auch für im Ofen mit Rosmarin gegarte Süßkartoff­elecken oder einen Bratapfel. Markus Semmler rät zu Selleriesa­lat, für den er den Knollensel­lerie mit Gemüsezwie­beln kocht und in Schmand, Weißweines­sig, Zucker, Salz und Pfeffer ziehen lässt. „Der Salat ist gut für die Verdauung“, ergänzt Semmler. Kein schlechter Rat, wenn man bedenkt, dass Gänsebrate­n in den kommenden Wochen öfter auf den Tisch kommen wird.

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FOTO: DPA Dunkle Soße, Rotkohl mit Äpfeln und Knödeln: Diese Beilagen machen den Gänsegenus­s perfekt.
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FOTO: DPA Freilebend­e Gänse haben es zu Lebzeiten besser – das macht sich am Ende auch geschmackl­ich bemerkbar.

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