Kampf gegen Pillenfälscher
Neuer Verbraucherschutz bei Arzneimitteln tritt in Kraft
FRANKFURT/BONN (dpa) - Fälschungen bei einem Medikament gegen Atembeschwerden, Manipulationen bei Arznei gegen Hepatitis-CViren und Magenerkrankungen, illegale Viagra-Potenzpillen, die Zollbehörden an der Grenze ins Netz gehen: Immer wieder versuchen Kriminelle, Arzneifälschungen in den deutschen Pharmahandel zu bringen. Und auf dem Schwarzmarkt machen Banden lukrative Geschäfte: Die Gewinnmargen sind dort teils größer als im Drogenhandel mit Kokain oder Heroin.
Nun sollen neue Hürden die Praktiken erschweren. Am Samstag startet ein neues Schutzsystem in Euro- pa, das Sicherheitsmerkmale für Arz- neien vorschreibt. Rezeptpflichtige Mittel müssen dann einen Barcode auf der Verpackung tragen, mit dem sich per Scan in der Apotheke die Echtheit überprüfen lässt, wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erklärt. Zudem soll ein Öffnungsschutz wie ein Siegeletikett garantieren, dass Schachteln nicht schon aufgemacht oder Pillen umverpackt wurden.
Jährlich werden in Deutschland mehr als 750 Millionen Packungen verschreibungspflichtige Arznei in öffentlichen Apotheken ausgegeben. Die Zahl der Fälschungen in der legalen Lieferkette vom Hersteller über Großhändler bis in die Apotheken sei gering, erklärte das BfArM. 2018 seien weniger als zehn Verdachtsfälle gemeldet worden. Davon könnten aber jeweils etliche Packungen betroffen sein, zudem bleibe eine Dunkelziffer. Die Einnahme gefälschter Arznei könne „gravierende gesundheitliche Auswirkungen“haben.
Manipuliert würden Wirkstoffe und Zusammensetzungen, aber auch Herkunftsangaben. „Bei den Fälschungen handelte es sich meist um Originalware, die illegal umverpackt wurde oder um Originalware aus Diebstählen, die wieder in die legale Vertriebskette eingebracht wurde“, sagt BfArM-Sprecher Maik Pommer.
Weit größer ist das Problem mit Manipulationen im illegalen Handel, etwa im Internet oder mit geschmuggelter Ware. Bei der weltweiten Operation Pangea 2018 zogen Zoll- und Polizeibehörden in Deutschland rund 1200 Pakete und Briefsendungen binnen einer Woche aus dem Verkehr. 100 000 Tabletten, Kapseln und Ampullen gingen ins Netz, darunter verbotene Nahrungsergänzungsmittel und Schmerzmedikamente. Sehr beliebt bei Kriminellen: Potenzmittel. Mit einem Kilogramm lasse sich auf dem Schwarzmarkt zwischen 90 000 und 100 000 Euro erzielen, schätzt das Bundeskriminalamt. Bei Heroin seien es 50 000 Euro.
Für die Pharmaindustrie sind Fälschungen schmerzhaft. In der EU entgingen der Branche dadurch rund 10 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr, erklärte das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum 2016. Davon entfiel gut eine Milliarde auf deutsche Hersteller. Dazu kommt der Imageschaden, der Firmen durch Kriminelle entsteht.