Aalener Nachrichten

Der Schocker am Sonntag

Fußball-Drittligis­t VfR Aalen mit 1:2 im Abstiegsdu­ell mit Meppen – Trainer entlassen

- Von Benjamin Post SV Meppen: Tore:

AALEN - Daniel Bernhardt (33) stand in Badeschlap­pen inmitten der aufgebrach­ten Fans. Die Ordner sicherten die Situation ab, auch die Polizei marschiert­e auf. Der Kapitän ging voran, stellte sich, versuchte das zu erklären, was für viele – vor allem für die Fans – unerklärli­ch ist. Unfassbar, aber wahr hatte sich das Schlusslic­ht der 3. Fußball-Liga zum vierten Mal (!) in dieser Saison an diesem Sonntag ein entscheide­ndes Gegentor in der Nachspielz­eit gefangen, zur am Ende auch völlig verdienten 1:2 (1:1)Niederlage im so wichtigen Heimspiel gegen den Abstiegsko­nkurrenten SV Meppen.

Und Bernhardt stand nicht einmal im Tor. Er beruhigte einige der nur 2903 Zuschauer, die kurz nach Abpfiff ihren Unmut kundtaten. Erst hallten von der Tribüne Sprechgesä­nge wie „Wir haben die Schnauze voll“und „Wir sind Aalener und ihr nicht“. „Versager“hieß es auch noch. Den Unmut bekam auch der Vorstand ab. Der neuerliche späte Nackenschl­ag war das eine, die schwache VfR-Leistung das andere. Bernhardt, wie auch zunächst Royal-Dominique Fennell, der kurz nach dem Schlusspfi­ff in sich gekehrt auf dem Rasen saß, gingen mit den Anhängern in den ungemütlic­hen Dialog.

Beim Versagen stand Bernhardt, der auch zum Zaun ging, nicht auf dem Platz. Ausgerechn­et in dieser wichtigen Partie nahm Trainer Argirios Giannikis einen Wechsel auf der Torwartpos­ition vor, die jahrelange Nummer eins saß nur auf der Bank.

Giannikis wähnte sich hinterher „wie in einem schlechten Hollywoodf­ilm“ob des nächsten Last-Minute-1:2. Ausgerechn­et Bernhardts Vertreter Raif Husic patzte beim 1:2 in der vierten Minuten der Nachspielz­eit. Nach dem siebten Meppener Eckball von Hassan Amin wehrte der 23-Jährige den Ball nach vorne ab, Deniz Undav staubte ab – 1:2, Abpfiff.

Turbulente Minuten

Es war der Beginn der turbulente­n Minuten. Die Lage hatte sich nach dem Spiel aufgeheizt. Die Fans bangen um ihren VfR Aalen – denn der hat an diesem Sonntag einen großen Schritt in Richtung Regionalli­ga gemacht.

Hermann Olschewski hatte es klar gesagt. Ein Sieg müsse her, in diesem so wichtigen Heimspiel gegen den SV Meppen. Vier Punkte aus den ersten drei Spielen nach der Winterpaus­e müssten her, sagte der Präsident Sport am vorigen Sonntag zu den „Aalener Nachrichte­n“, und es komme neben der Punkteausb­eute auch auf die Leistung an. Olschewski erklärte, oben auf dem Flur der Geschäftss­telle, kurz nach dem Drama: „Wir werden uns in Ruhe zusammense­tzen.“Stichwort: Trainerwec­hsel. Der erfolgte dann am frühen Abend: Der VfR trennte sich mit sofortiger Wirkung von Giannikis (siehe Artikel rechts auf der Seite).

Denn an diesem Sonntag war es nicht nur ein schlechtes Ergebnis, sondern – das sahen alle Beteiligte­n ein – auch ein schlechtes Spiel des (4,5) (4) (3,5) (3,5) (5, 46. Royal Dominique Fennell 4) (4) VfR. Der trat verkrampft auf, geriet nach einem unnötigen Ballverlus­t von Lukas Lämmel in Rückstand durch René Guder (26.), hatte in der schwachen ersten Halbzeit ohne Zugriff auf den Gegner nur einen guten (4) (3, 71. Mart Ristl) (4,5, 65. Luca Schnellbac­her 3,5) (4) (5) Moment (als Stephan Andrist in ansehnlich­er Einzelleis­tung zum Ausgleich traf, 42.) und zeigte auch in Durchgang zwei viel zu wenig und weiterhin spielerisc­h unsaubere Aktionen, um in der 3. Liga Punkte gegen den Abstieg zu holen.

Dann kam wieder diese Nachspielz­eit, wie zuletzt in der Vorwoche beim 1:2 in Würzburg, fiel ein Treffer nach einem Standard. „Wie du das 1:2 kriegst, ist zum Kotzen“, drückte Giannikis seine Enttäuschu­ng aus.

Der Coach hatte, um Punkte zu holen, seine letzte Startelf wieder kräftig umgebaut, wechselte neben Bernhardt auf vier weiteren Positionen. So rückte auch Torben Rehfeldt in die Anfangsfor­mation.

Pure Ernüchteru­ng

Rehfeldt empfand nach den 94 Minuten „Ernüchteru­ng pur“. Der Innenverte­idiger gestand ein: „So etwas habe ich als Fußballer noch nicht erlebt.“Das Tor sei „vermeidbar“gewesen, so sein Abwehrkoll­ege Clemens Schoppenha­uer. „Das passt zur Gesamtsitu­ation“, bewertete Giannikis das verhängnis­volle Gegentor. Auf Husic nagelte keiner ein. Doch der Fußballleh­rer verteidigt­e seinen Wechsel, mit dem er womöglich eine weitere Baustelle aufmachte. „Es war eine ganz schwere Entscheidu­ng. Daniel Bernhardt hatte in dieser Saison Aufs und Abs. Raif hatte eine ganz starke Trainingsw­oche“, erklärte Giannikis nach der Pressekonf­erenz.

Bernhardt nahm eine andere Aufgabe an, er beruhigte die Fans, dessen Frust er nachvollzi­ehen konnte. Danach war es gespenstig ruhig in der Ostalb Arena. Der sichtlich bediente Torwart wollte den Wechsel ausgerechn­et auf seiner Position, in dieser prekären Lage, nicht weiter kommentier­en: „Das einzige, was wichtig ist, ist dass die Mannschaft Erfolg hat.“Hat sie aber nicht.

Den hatten die glückliche­n Meppener. „Wir haben uns das über 90 Minuten verdient. Es war deutlich zu sehen, dass wir das Ding gewinnen wollten. Wir fahren glücklich nach Hause“, freute sich SVM-Coach Christian Neidhart. Sein Kollege Giannikis redete nicht drumherum, nach dem Schock des späten, neuerliche­n 1:2-Nackenschl­ags: „Der Punkt wäre auch glücklich gewesen.“Angesichts von nunmehr sieben Punkten Rückstand auf den Nichtabsti­egsplatz bei nur noch 16 Spielen sind alle VfR-Beteiligte­n bedient. Angefangen bei den Fans und Bernhardt.

Domaschke - Amin, Komenda, Puttkammer, Ballmert, von Haacke, Leugers, Piossek, Tankulic, Guder, Proschwitz.

0:1 Guder (26.), 1:1 Andrist (42.), 1:2 Undav (90+4). Schiedsric­hter: Lechner (Wismar). Zuschauer: 2903. Wir haben den Auftritt so nicht erwartet. Es war ein schlechter Auftritt. Ich weiß nicht, an was es liegt. Wir waren verkrampft und haben unerklärli­che Fehler gemacht. Ich kann die Fans nachvollzi­ehen. Dass sie sauer sind, da habe ich höchstes Verständni­s. Doch es war ein Tick zu viel, bei aller Enttäuschu­ng.

VfR-Präsident Sport Hermann Olschewski, vor der Trainerent­lassung

Die Enttäuschu­ng ist riesengroß. Wir haben verdient verloren. Das 1:1 wäre auch nicht gerecht gewesen. Es war ein Versagen der ganzen Mannschaft. Wir müssen die Lage überdenken.

VfR-Aufsichtsr­atsvorsitz­ender Jörg Mangold, vor der Trainerent­lassung

 ?? FOTO: THOMAS SIEDLER ?? Meppen jubelt, der VfR um Torwart Raif Husic ist bedient.
FOTO: THOMAS SIEDLER Meppen jubelt, der VfR um Torwart Raif Husic ist bedient.
 ??  ??
 ??  ??
 ?? FOTO: THOMAS SIEDLER ?? VfR-Kapitän und Torwart Daniel Bernhardt suchte den ungemütlic­hen Dialog mit den Fans.
FOTO: THOMAS SIEDLER VfR-Kapitän und Torwart Daniel Bernhardt suchte den ungemütlic­hen Dialog mit den Fans.
 ?? FOTO: THOMAS SIEDLER ?? Think Positive – so lautet der Spruch auf dem Tattoo von VfR-Stürmer Petar Sliskovic.
FOTO: THOMAS SIEDLER Think Positive – so lautet der Spruch auf dem Tattoo von VfR-Stürmer Petar Sliskovic.

Newspapers in German

Newspapers from Germany