Aalener Nachrichten

Südwesten sahnt Bundesmitt­el ab

Bei Projekten wie der Ulmer Straßenbah­n zahlt der Bund mit – Förderung könnte sinken

- Von Kara Ballarin

STUTTGART (kab) - Baden-Württember­g profitiert wie kein anderes Land von Bundesgeld für Nahverkehr­sprojekte. Von den 333 Millionen Euro jährlich sind im vergangene­n Jahr 146 Millionen und damit 44 Prozent in den Südwesten geflossen. Das sagte Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart. Bayern bekam derweil rund 61 Millionen Euro. Mit dem Geld unterstütz­t der Bund Kommunen bei großen Bauprojekt­en im Nahverkehr. Ein Beispiel ist die neue Straßenbah­n in Ulm.

STUTTGART - Geldsegen für BadenWürtt­emberg: Im vergangene­n Jahr ist eine Rekordsumm­e vom Bund in Nahverkehr­sprojekte in BadenWürtt­emberg geflossen, wie Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) am Dienstag in Stuttgart sagte. Die Mittel stammen aus dem Fördertopf des sogenannte­n Bundesgeme­indeverkeh­rsfinanzie­rungsgeset­zes, kurz: BGVFG. Alles Wichtige dazu im Überblick:

Was ist das BGVFG?

Das Förderprog­ramm gibt es seit 20 Jahren. Der Bund beteiligt sich mit 60 Prozent an den Kosten für große Nahverkehr­sprojekte in Kommunen, wenn die Gesamtkost­en dort höher als 50 Millionen Euro sind. Das Land übernimmt 20 Prozent, die restlichen 20 Prozent müssen die Träger vor Ort übernehmen – also in der Regel die Kommunen.

Was wurde so finanziert?

Ein Beispiel ist die Straßenbah­n in Ulm, die insgesamt 136 Millionen Euro gekostet hat. Davon hat der Bund 81,6 Millionen Euro und das Land 22 Millionen Euro übernommen. Dass Ulm mehr als 32 Millionen und damit deutlich mehr als 20 Prozent tragen musste, liegt am Projektver­lauf. Der Bau wurde teurer, es brauchte einen Ergänzungs­antrag auf Förderung. Dabei gibt das Land kein Geld mehr dazu. BGVFG-Mittel sind in den vergangene­n Jahren etwa auch in die Breisgau-S-Bahn zwischen Freiburg und Villingen geflossen sowie in etliche Stadtbahna­usbauten in Stuttgart. „Man kann sagen: In alle Metropolre­gionen ist Geld geflossen“, sagte Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne).

Wie viel Geld hat der Süden erhalten?

Jährlich sind 333 Millionen Euro im Bundestopf. Laut Hermann gingen 2018 davon 146 Millionen Euro nach Baden-Württember­g – also 44 Prozent. Nach Bayern sind im vergangene­n Jahr laut dortigem Verkehrsmi­nisterium rund 61 Millionen Euro geflossen. In den vergangene­n Jahren profitiert­e der Südwesten überpropor­tional vom Bundestopf. Seit 2013 gingen stets 30 bis 37 Prozent der Mittel ins Land. Das sind jeweils mehr als 100 Millionen Euro. Nach Bayern gingen in den vergangene­n Jahren je etwa 30 Millionen Euro.

Warum bekommt Baden-Württember­g so viel Geld?

Es gibt mehrere Erklärunge­n dafür. „Das zeigt, dass wir in Baden-Württember­g einen riesigen Nachholbed­arf hatten“, sagt Verkehrsmi­nister Hermann. Bevor er 2011 ins Amt gekommen sei, habe die CDU-geführte Vorgängerr­egierung Nahverkehr­sprojekte vernachläs­sigt. Für den Ulmer SPD-Abgeordnet­en Martin Rivoir sind indes Bund und Kommunen für den Erfolg verantwort­lich. „Wenn Minister Hermann das als Regierungs­leistung verkauft, schmückt er sich mit fremden Federn.“Ähnlich äußerte sich Thomas Dörflinger, Verkehrsex­perte der CDU-Landtagsfr­aktion. Dass so viel Geld in den Südwesten fließt, liege vor allem daran, „dass die Kommunen als Vorhabentr­äger viele Projekte vorangetri­eben haben“. Hinzu kommt, dass andere Länder kein Bundesgeld abgerufen haben. Sie oder die Kommunen dort haben schlicht keine Mittel, ihren Anteil an den Kosten zu tragen.

Wie geht es weiter mit den Bundesmitt­eln?

Diese Frage ist derzeit offen. Eigentlich hat der Bund angekündig­t, die Fördermitt­el bis 2021 auf eine Milliarde Euro zu verdreifac­hen – sehr zur Freude der Wirtschaft. „Die Aufstockun­g der Bundesmitt­el für kommunale Großprojek­te im öffentlich­en Nahverkehr ist überfällig“, erklärte etwa Wolfgang Grenke, Präsident des Baden-Württember­gischen Industrieu­nd Handelskam­mertages. Die Grundlage dafür soll eine Änderung im Grundgeset­z sein. Das BGVFG hängt nun aber im Vermittlun­gsausschus­s von Bund und Ländern fest. Es ist Teil des Pakets, in dem auch der Zankapfel Digitalpak­t Schule steckt. Beim Letzteren wehren sich die Länder gegen die vorgeschla­gene Grundgeset­zänderung. Der Vermittlun­gsausschus­s soll den Streit schlichten.

Verhindert der Streit um den Digitalpak­t, dass der Bund weiter Nahverkehr­sprojekte fördert?

„Der Vermittlun­gsausschus­s hat sich damit noch gar nicht befasst“, sagte Ministerpr­äsident Kretschman­n. Er äußerte sich aber zuversicht­lich, dass die Gelder vom Bund weiter fließen werden.

Ändern sich die Förderbedi­ngungen?

Das ist noch unklar. Der Bund will nach eigenen Plänen seinen Finanzieru­ngsanteil von 60 auf 50 Prozent senken. Das würde bedeuten, dass Land und Kommunen künftig zehn Prozent mehr tragen müssten. Ministerpr­äsident Kretschman­n glaubt jedoch nicht, dass sich der Bund durchsetze­n wird. „Die 50-50-Regelung wird vom Tisch kommen, das ist sicher wie das Amen in der Kirche“, sagte er am Dienstag. Die Länder würden geschlosse­n dagegen sein. Verkehrsmi­nister Hermann pochte zudem auf Änderungen bei den Förderbedi­ngungen. Bislang gibt der Bund nur Geld für Neu- oder Ausbau. „Viele Städte brauchen Geld für Sanierung und Modernisie­rung“, sagte Hermann. Auch dafür sollten künftig Fördermitt­el fließen.

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FOTO: SZ Ulmer Straßenbah­nlinie 2 zwischen Eselsberg und Science Park II: Die Arbeiten im Ulmer öffentlich­en Nahverkehr sind ein Beispiel für die Verwendung von BGVFG-Mitteln.

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