Separatist
sieht nicht wie ein Rebell aus. Dunkler Anzug, weißes Hemd. So sitzt der frühere katalanische Vizeministerpräsident und Chef der Separatistenpartei ERC vor den Richtern des Obersten Gerichtshofs in Madrid. Er ist der Hauptangeklagte im Prozess gegen zwölf katalanische Separatistenführer.
Zum Auftakt sagte der verheiratete Vater zweier Kinder, der die vergangenen 15 Monate in Untersuchungshaft verbrachte: „Dies ist ein politischer Prozess.“Ein Prozess, in dem er wegen seiner Ideen angeklagt worden sei. Deswegen werde er die Fragen des Staatsanwalts nicht beantworten, sondern nur seinem Verteidiger Rede und Antwort stehen. Die Staatsanwälte beschuldigen Junqueras, einer der Köpfe des mutmaßlich illegalen Unabhängigkeitsreferendums gewesen zu sein. „Nichts von dem, was wir gemacht haben, ist ein Delikt“, erwiderte Junqueras mit bebender Stimme. Auch durch den Strafprozess werde er sich nicht von seinem Traum abbringen lassen, sagte er vor den Richtern. Und: „Es ist keine Lösung, die Leute ins Gefängnis zu stecken.“Laut Umfragen sympathisiert die Hälfte der katalanischen Bevölkerung mit einem eigenen Staat.
Schon aus dem Untersuchungsgefängnis heraus forderte der 49-jährige studierte Historiker und Ökonom seine Anhänger zum Durchhalten auf. Die Unabhängigkeit könne nicht durch einseitige Entscheidungen erreicht werden, sondern nur durch Verhandlungen, erklärte er kurz vor Prozessbeginn.
Sanfte Töne, die sich von der Position des geflüchteten Separatistenchefs Carles Puigdemont abheben. Puigdemont droht immer noch mit einseitigen Unabhängigkeitsschritten – auch wenn seine Stimme an Gewicht verliert. Der neue Wortführer der Separatisten heißt Oriol Junqueras – er ist laut Umfragen zum beliebtesten Politiker des Unabhängigkeitslagers aufgestiegen. Die aufrechte Haltung Junqueras, der sich nicht vor dem Strafprozess drückte, scheint sich auszuzahlen. Ralph Schulze