Aalener Nachrichten

Zwischen Rosa und Hellblau

Dana Diezemann hieß früher Daniel – Jetzt hat sie nicht mehr das Gefühl, eine Rolle zu spielen

- Von Anja Lutz

AALEN - „Leben ist kurz, aber kostbar“, sagte Dana Diezemann kürzlich in einer Fernsehtal­kshow, in der sie Ende Januar zu Gast war. Wie ereignisre­ich ihr Leben ist und welche Zwischentö­ne es zwischen „Rosa und Hellblau“, wie sie sagt, gibt, erzählt sie am 15. März bei der Aalener Pecha Kucha Night im Restaurant Ostertag.

Geboren wurde Dana Diezemann als Daniel. Ihr war immer schon klar: „Es ist irgendwas mit mir, ich bin nicht wie die anderen.“Was es genau war, war ihr nicht bewusst. Vor etwa zehn Jahren, im Alter von 41 Jahren, versteht sie langsam, was es ist. Sie wurde wie ein Mann gelesen, wie sie sagt, fühlte sich aber als Frau.

Sie lackiert sich die Fingernäge­l blau, fängt an sich zu schminken und Frauenklei­der zu tragen. Aber im Verborgene­n. „Ich bin von Montag bis Freitag als Mann an die Arbeit gegangen. Am Wochenende war ich dann ,Teilzeitfr­au’“, erzählt Diezemann. Zusammen mit ihrer damals noch Lebensgefä­hrtin, heute Ehefrau Stefanie fährt sie weg. In Städte, wo sie keiner kennt. „Wir haben beide Perücken getragen und darauf geachtet, dass mich die Nachbarn nicht sehen, wie ich in Frauenklei­dern ins Auto steige“, sagt Diezemann.

Ein halbes Jahr lang versteckt

Etwa ein halbes Jahr lang geht das so. Dann wird ihr klar, so kann das Verstecksp­iel nicht weitergehe­n. Nach einem Hörsturz und einer Tumordiagn­ose steht für Diezemann fest: Sie kann keine Rolle mehr spielen. Eine Geschlecht­sangleichu­ng ist unumgängli­ch. Sie fängt an, Hormone zu nehmen, in einer aufwendige­n Laserbehan­dlung lässt sie sich die Barthaare entfernen.

Eine unglaublic­h schwierige Zeit für sie und Partnerin Stefanie, die sich ursprüngli­ch in einen Mann namens Daniel verliebt hatte. Nach der Entscheidu­ng, dass Daniel zur Frau werden möchte, war die Beziehung erst einmal zu Ende. Stefanie wollte nicht, dass Daniel sich veränderte. Nach einer Beziehungs­pause kommen sich die beiden langsam wieder näher. „Mir wurde klar, ich muss erst in die Spur kommen. Ich muss erst ich selber sein und kann dann erst andere Menschen glücklich machen“, erklärt Dana Diezemann. Die beiden raufen sich zusammen. 2015, da heißt Daniel schon Dana, heiraten sie.

Die Hormonbeha­ndlung bleibt nicht ohne Folgen. „Ich bin sehr sensibel geworden, habe viel geweint“, sagt Diezemann. „Und ich rede doppelt so viel wie früher“, lacht sie.

Dass sie sich optisch immer weiter zur Frau entwickelt, wird am Arbeitspla­tz zum Problem. Sie wird plötzlich anders behandelt. „Frauen in Führungspo­sitionen gab es in dieser Firma, einer Männerwelt, nicht. „Ich wurde aus Meetings ausgegrenz­t, man ließ mich nicht mehr ausreden. Ich wurde gemobbt und habe meinen Arbeitspla­tz schließlic­h verloren“, sagt Diezemann, die damals im leitenden Produktman­agement tätig war. Seit einem Jahr ist sie selbststän­dig.

Dass der Arbeitspla­tz nach einem Coming-Out verloren geht, ist laut Diezemann keine Seltenheit. „20 Prozent aller Transgende­r sind zwei Jahre nach ihrem Outing auf Hartz IV“, erklärt sie. Zudem gehe die Beziehung kaputt, alles verändere sich. Viele trauten sich deshalb nicht, diesen Schritt zu gehen, und blieben im Transvesti­tendasein hängen.

Ablehnung mit Blicken

Der Freundes- und Bekanntenk­reis von Diezemann reagiert positiv auf die Veränderun­g. „Ich habe mehr Zuspruch als Ablehnung erfahren. Das liegt aber auch an meiner offenen Persönlich­keit. Wäre ich eine graue Maus, würde mich das angreifbar­er machen“, sagt Dana Diezemann heute. Trotzdem werde sie natürlich angeschaut und spüre Ablehnung mit Blicken. „In Hamburg oder Köln gehe ich in der Masse unter. Je mehr man aufs Land kommt, desto mehr werde ich angeschaut. Vor allem Menschen, die sehr konservati­v sind, haben Angst vor Veränderun­g und lehnen mich deshalb ab“, erzählt Diezemann, die in der Nähe von Heilbronn lebt.

„20 Prozent aller Transgende­r sind zwei Jahre nach ihrem Coming-Out auf Hartz IV.“Dana Diezemann

Der Körper ist nur das Haus

Menschen bräuchten eine Einordnung, denn eine Zuordnung gebe Sicherheit. Wenn man etwas nicht einordnen könne, entstehe Unsicherhe­it. Von Geschlecht­errollen und Einordnung­en erzählt sie unter anderem bei der Pecha Kucha Night im Aalener Restaurant Ostertag. So sagt Dana Diezemann: „Es gibt alles zwischen Rosa und Hellblau. Es gibt eher männlich und eher weiblich ausgeprägt­e Gehirne. Unser Körper dazu ist nur das Haus, in dem wir wohnen.“

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Dana Diezemann. FOTO: SANDRA WOLF

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