Kaum Chancen für internationale Sondergerichte
Staatsrechtler Georg Jochum schätzt die Möglichkeiten für eine juristische Aufarbeitung der IS-Taten als gering ein
RAVENSBURG - Syriens Kurden haben die Vereinten Nationen aufgerufen, in dem Bürgerkriegsland internationale Sondergerichte für inhaftierte Kämpfer der Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) einzurichten. Die Heimatländer hätten bisher nicht auf die Forderung der Kurden reagiert, die IS-Anhänger zurückzuholen, sagte der Sprecher der Syrischen Demokratischen Kräfte, Mustafa Bali, der Deutschen Presse-Agentur.
Im Norden Syriens gebe es nicht die Möglichkeit, die Terroristen juristisch zu verfolgen. Prozesse unter dem Dach der UN könnten hingegen eine Lösung sein, die alle zufrieden stelle. Georg Jochum, Staatsrechtler an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen, schätzt die Chancen dafür als gering ein. „Die Hürden, die Verantwortlichen vor einen Internationalen Strafgerichtshof zu bringen, sind sehr hoch“, erläutert Jochum.
In Syrien gelten Grundlagen nicht
Die Basis für eine mögliche Anklage sei das Rom-Statut zum Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) – allerdings nur in Ländern, in denen das Statut unterzeichnet und ratifiziert wurde. Syrien hat den Vertrag nicht anerkannt. „Das heißt, für die ISStraftaten in Syrien, wie beispielsweise Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wäre das Statut des IStGH ohnehin nicht anwendbar“, so Jochum.
Grundsätzlich sei der IStGH zuständig „für Gegenden, in denen Strafverfolgung nicht stattfinden kann“. „Die klassischen Fälle des IStGH sind die sogenannten ,Failed States‘, in denen gar nichts mehr läuft“, erklärt Jochum weiter. In Syrien würde es jedoch ein eigenes Interesse an der Strafverfolgung der Dschihadisten geben – unabhängig davon, dass es in Syrien kein rechtstaatliches Strafverfahren gibt. Das gelte auch für Irak, wo die Zentralregierung den ausländischen IS-Kämpfern den Prozess machen möchte.
Für die deutsche Justiz werden Verfahren gegen die IS-Kämpfer laut Jochum insgesamt schwierig. „Deutschland unterhält keine diplomatischen Beziehungen mit Syrien, nach dem Prinzip des Tatorts haben die Syrer einen Strafanspruch gegen diese Personen“, so Jochum. Auch Deutschland sieht die kurdischen Milizen nicht als Ansprechpartner.
Doch selbst wenn die IS-Krieger vor ein deutsches Gericht kommen, was nach dem Völkerstrafgesetzbuch prinzipiell möglich ist, müssten die Behörden „vor Ort die Straftaten einzelner Angeklagter ermitteln. Das setzt voraus, dass die Bundesrepublik mit den Syrern und Kurden Ermittlungsergebnisse austauschen.“Doch auch das dürfte laut Jochum scheitern.