Das Entwicklungsministerium fürchtet um sein Budget
Deutlich weniger Geld für Projekte geplant – Minister Müller nennt Scholz’ Pläne „zynisch und inakzeptabel“
BERLIN (KNA) - Im November hatte er noch gejubelt: Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) freute sich, dass der Haushalt seines Ministeriums für 2019 um rund 800 Millionen Euro aufgestockt wurde und damit erstmals über zehn Milliarden Euro (10,25 Milliarden Euro) lag. „Das ist ein deutliches Signal. Wir kommen damit unseren internationalen Verpflichtungen nach“, erklärte er stolz.
Vier Monate später herrscht bei Gerd Müller Katzenjammer. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will den Haushalt des Entwicklungsministeriums im Jahr 2020 bei 10,2 Milliarden Euro einfrieren und ab 2021 sogar absenken. Dann sind nur noch 9,3 Milliarden Euro eingeplant. Seit dem Wochenende macht der CSU-Politiker mobil. In mehreren Interviews warf er dem Kassenwart der Bundesregierung vor, die Arbeitsfähigkeit seines Ministeriums zu gefährden. Anders als im Koalitionsvertrag vereinbart, werde der Etat des Entwicklungsministeriums auch nicht parallel zu dem des Verteidigungsministeriums ansteigen.
Ungewöhnliche Einmischung
Dass ein Minister noch kurz vor der Kabinettsbefassung dem Haushaltsentwurf des Finanzministers öffentlich widerspricht, ist nach Einschätzung von Experten ziemlich ungewöhnlich. Müllers Beamte rechnen vor, dass allein im kommenden Jahr mehrere Hundert Millionen für die Afrika-Hilfe und den Klimaschutz in den Entwicklungsländern fehlen. Insgesamt schätzt das Entwicklungsministerium die Lücke bis 2023 auf bis zu sieben Milliarden Euro.
Deutschland werde seine internationalen Verpflichtungen, insbesondere im Klimabereich, nicht erfüllen können, wettert Müller. „Allein hier beträgt die Finanzierungslücke 500 Millionen Euro“, sagte der CSU-Politiker dem „Handelsblatt“. „Ausgerechnet in dem Jahr, in dem die UN einen Sonder-Klimagipfel plant, wäre ein solches Zeichen fatal.“
Für Empörung sorgt beim CSUPolitiker auch, dass Scholz offenbar beim Haushalt des Verteidigungsministeriums zu einem Trick greifen will, um die Ausgaben für die Nato zu erhöhen. So sollen Mittel aus Müllers Etat, etwa für den Wiederaufbau im Irak, der Nato-Quote hinzugerechnet werden. „Das ist ein schlimmer Etikettenschwindel und ein Haushaltstrick des Finanzministers, der niemandem hilft“, sagte Müller dem „Handelsblatt“. „Humanitäre Projekte wie den Aufbau von Schulen und die Versorgung notleidender Menschen auf die Rüstungsquote bei der Nato anzurechnen ist zynisch und inakzeptabel.“Dies zeuge von mangelnder Wertschätzung auch gegenüber der Arbeit der Entwicklungspartner wie Nichtregierungsorganisationen und Kirchen.
Müller bekommt Rückendeckung
Rückendeckung erhielt der Minister von Entwicklungsorganisationen wie der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW), Oxfam Deutschland, Plan International, Save the Children und World Vision. In einer am Montag verbreiteten Erklärung heißt es, die Regierung müsse einen konkreten Plan vorlegen, wie sie ihre Verpflichtung erreichen wolle, 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung in Entwicklungszusammenarbeit zu investieren.