In tiefen Sphären
Fabian Altstötter hat als „Jungstötter“ein bewegendes Debütalbum vorgelegt – Nun war er in München
MÜNCHEN - Der Live-Club Milla im Münchner Glockenbachviertel mutet wie ein schmaler, dunkler Schlund an, der abschüssige Boden mündet in der Tiefe in eine kleine Bühne. Dort steht an diesem Abend Fabian Altstötter, alias Jungstötter, und sagt ohne ein Anzeichen von Ironie: „Früher soll hier ein Fluss durchgelaufen sein, stimmt das?“Die Antwort gibt er sich quasi selbst, denn musikalisch und emotional passt das Bild: Mit Jungstötter geht es gleichmäßig in immer tiefere Sphären.
„There Is A Silence in This Room/It’s Making Everyone Uncomfortable/Hatched From A Fold/ Heavy and Old ...“, singt der 28-Jährige, als sei er schon deutlich länger auf Erden und mit einer Stimme, die dem Zuhörer in Erinnerung bleibt; dunkel und warm, tief und weich, auf der Bühne nicht weniger klar und sicher als auf Tonträger.
Von Liebe und Leid
Musikkritiker kannten Fabian Altstötter bereits als Frontmann der mit Preisen bedachten Indie-Pop-Gruppe Sizarr. Nach Differenzen über die musikalische Entwicklung verließ er die Band und seine Heimat Landau in der Pfalz, wohnt nach einer Zwischenstation in Mannheim heute in Berlin. Und macht als Jungstötter Musik über ein durchaus bekanntes Thema: Liebe und vor allem das Leid mit ihr.
„And When I Take The Time to Mourn And I Do/I See Women With Their Faces Wrapped in Shades Like You/Like You/So I Wonder Why/ You Went Away ...“
Die Texte beruhen nur zum Teil auf eigenen Erfahrungen, Altstötter spricht selber von einer „Erhebung des Alltags“, was es ganz gut trifft, weil er die Überhöhung penibel vermeidet. Stimme und Inhalt bieten schon zwangsweise Gehaltvolles, verbunden mit der Gefahr, dass Pathos zu Pomp, das Gefühl zu Gefühlsüberschwang wird. Doch der junge Musiker hält den Grat, Romantik und Poesie wirken an keiner Stelle zu verletzlich und schon gar nicht sentimental.
Alle Stücke von „Love Is“, sagt Altstötter, habe er so geschrieben, dass er sie jederzeit auch alleine vortragen könnte. Das macht er bisweilen am Klavier, die Band tut ihm und seiner Musik allerdings gut. Oftmals nur sanft begleitend setzt sie immer wieder Dissonanzen in einem edlen Gesamtbild: mal angejazzt, mal mit schrägen Gitarrentönen oder auch mit Elektro-Geräuschen. Produziert wurde das Werk von Max Rieger, von der Stuttgarter Punkband Die Nerven, den „Spiegel Online“im Zusammenarbeit mit seiner Arbeit für Jungstötter schon als „deutsches Pendant zu Rick Rubin“sieht.
Vergleiche mit Nick Cave
Das mag übertrieben klingen, doch wie immer, wenn ein Licht am Pophimmel aufleuchtet, wird nach Referenzgrößen gesucht. Im Fall von Altstötter sind diese Bryan Ferry, Thom Yorke, vor allem Scott Walker und Nick Cave. Auf Plattencover und Promobildern wirkt er indes mit Kurzhaarschnitt und zusammengekauert wie Ian Curtis, der bekanntlich einst sang „Love Will Tear Us Apart“(Liebe wird uns auseinanderreißen).
Äußerlich hat er dieses depressive Zitat abgelegt, in München sind die Haare länger, die Kleidung ist luftig und lässig. Ansonsten hat er aber nichts verändert. Der junge Sänger wippt hin und her, fühlt sich in seine Songs ein, die am Ende des dunklen Schlundes kaum anders klingen als aus der Bluetooth-Box im Wohnzimmer. Dabei wären mit der oben beschriebenen Instrumentalisierung und den großen Gefühlen genug Möglichkeiten vorhanden für Grenzüberschreitungen.
Die Strenge des Konzeptes, auf Tonträger noch schlüssig und spannend, erweist sich live und unangetastet als zu starr. Und auch der Vergleich mit einer Referenzgröße hinkt an diesem Abend: Ein Nick Cave weiß genau, dass ein Schuss Ekstase Wunder wirkt und das Publikum in Wallung versetzt.
So aber fällt der Applaus im ausverkauften Kellerclub wohlwollend und aufgeräumt aus, aber nicht frenetisch. Dazu hätte der Fluss reißend sein müssen.
Live: Am 10. April ist Jungstötter als Support von Soap&Skin in der Muffathalle München zu sehen.