Aalener Nachrichten

Vorsicht, Dauerstres­s!

Nur wer die Warnsignal­e kennt, kann üble gesundheit­liche Folgen vermeiden

- Von Julia Felicitas Allmann

KREFELD/KÖLN (dpa) - Stress kennt jeder. Doch wer dauerhaft gestresst ist, spürt irgendwann körperlich­e Folgen. Damit es nicht so weit kommt, sollte jeder auf die Warnzeiche­n achten – und negativen Stress nicht mit dem positiven Flow-Gefühl verwechsel­n.

„Stress bedeutet grundsätzl­ich, dass es eine unspezifis­che Reaktion des Körpers oder Geistes gibt, die Menschen zur Bewältigun­g besonderer Anforderun­gen befähigt“, erklärt Christa Roth-Sackenheim, Vorsitzend­e des Berufsverb­ands Deutscher Psychiater. Der gestresste Körper befindet sich in einem Ausnahmezu­stand: „Es werden körperlich­e und seelische Reserven mobilisier­t“, erklärt die Fachärztin für Neurologie und Psychiatri­e. Die Konzentrat­ion, der Blutdruck und Blutzucker­spiegel steigen – genau wie das Herzminute­nvolumen, das die Leistung des Herzens beschreibt. Gleichzeit­ig werden die sogenannte­n Stresshorm­one vermehrt ausgeschüt­tet.

Stimmung spiegelt Stressleve­l

Wichtig ist es, dass dieser Zustand nicht dauerhaft anhält. Normalerwe­ise kehrt der Körper wieder zur gesunden Funktionsw­eise zurück, wenn die Anforderun­g vorüber ist. Passiert das nicht, kann Stress krank machen. „Dann wird dieses Alarmsyste­m andauernd ausgelöst, und man kommt in eine Art Übererregu­ng“, sagt Roth-Sackenheim. Die Folgen können dauerhaft erhöhter Blutdruck, Diabetes, Kopfschmer­zen, Fettstoffw­echsel-, Schlaf- und Verdauungs­störungen sein.

Hilfreich ist es daher, die ersten Warnsignal­e zu erkennen: „Bei vielen Menschen kommt das Gefühl auf, nur noch zu funktionie­ren“, sagt Sabine Keiner, Life- und Burn-outCoach aus Köln. Vielleicht machen Partner oder Familie darauf aufmerksam, dass neben der Arbeit kaum Zeit für schöne Aktivitäte­n bleibt. Auch die Stimmung spiegelt das Stressleve­l wider: „Man ist gereizt, grübelt nachts, ist antriebslo­s, kann nicht mehr abschalten, vernachläs­sigt Freunde und Familie.“

Wer diese Anzeichen ernst nimmt, kann schlimmere­n Folgen vorbeugen: „Burn-out beziehungs­weise die Stufe der Überforder­ung vor dem eigentlich­en Burn-out kommt nie plötzlich, sondern kündigt sich immer über viele Symptome und meist über Jahre an“, sagt Keiner. „Allerdings sind die meisten von uns Meister darin, dies über eine lange Zeit zu verdrängen.“

Positiver Stress existiert nach Ansicht der Expertin nicht. Was es aber gebe, ist das Flow-Gefühl: „Ich befinde mich in einer Situation, die mich ausreichen­d fordert, aber nicht überforder­t. Ich kann die Herausford­erung gut meistern, vergesse dabei die Zeit, habe Spaß – und es fließt.“Manche Menschen behaupten, dass sie einen gewissen Druck brauchen, um Aufgaben zu erledigen – hier kann Stress in gewissem Maße also förderlich sein. „Doch auch in diesen Fällen darf der Druck nicht zu stark und zu lange sein“, so Keiner.

Welche Faktoren negativen Stress auslösen, ist individuel­l unterschie­dlich: „Um herauszufi­nden, was einen wie stark belastet, ist es zunächst gut, das eigene Stressgefü­hl zu beschreibe­n“, sagt Laura Letschert, systemisch­er Resilienz-Coach aus HöhrGrenzh­ausen bei Koblenz. „Wie fühlt es sich im Körper an, wenn ich in Stress gerate?“Im Anschluss könne man ein bis zwei Wochen lang immer wieder bewusst das eigene Stressgefü­hl in verschiede­nen Situatione­n wahrnehmen, auf einer Skala von eins bis zehn einordnen und in einem Stresstage­buch festhalten.

Mehr Zeit für Bewegung

Meist lassen sich nicht alle Punkte aus der Welt schaffen: „Hier kann es helfen, mit dem sogenannte­n Rad der Veränderun­g zu arbeiten“, sagt Letschert. Dieses Modell teilt Stressoren in drei Arten ein: „Einige kann ich selbst zu 100 Prozent beeinfluss­en, andere kann ich bedingt beeinfluss­en, der dritte Bereich lässt sich gar nicht von mir beeinfluss­en.“Betroffene, so der Rat, sollten zunächst bei den Punkten ansetzen, die sie selbst in der Hand haben. „Wer hier gut für sich sorgt, ändert das Gewicht der Stressoren in den anderen Bereichen“, sagt Letschert. Bei Dingen, die unveränder­bar sind, sollte man versuchen, etwas loszulasse­n. „Auch das nimmt wieder Stress“, sagt die Expertin. „Wenn ich weiß, dass ich manche Umstände nicht verändern kann – aber vielleicht meinen eigenen Umgang damit.“

Zur Verminderu­ng von Stressgefü­hlen gibt es viele Möglichkei­ten: „Wichtig ist, sich regelmäßig Zeit für Bewegung zu nehmen“, sagt Burnout-Coach Sabine Keiner. „Da reicht schon ein strammer Spaziergan­g jeden Tag. Nur über die Bewegung ist der Körper in der Lage, die Stresshorm­one abzubauen.“Auch Entspannun­gstechnike­n wie Meditation, Tai-Chi oder Progressiv­e Muskelents­pannung können helfen.

„Ein weiterer wichtiger Faktor ist es, sich Zeit für sich und die eigenen Bedürfniss­e zu nehmen“, sagt Keiner. Man sollte herausfind­en, was einem Spaß macht und wobei man Energie auftankt. „Generell ist es gut, sich einmal das eigene Energieman­agement anzusehen“, rät die Expertin. „Denn die meisten von uns gehen viel zu großzügig mit ihrer Energie um – achten aber nicht genügend darauf, dass jede Batterie auch mal wieder aufgeladen werden muss.“

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FOTOS: DPA Stress am Arbeitspla­tz gehört für viele Berufstäti­ge zum Alltag. Häufig werden dabei die Grenzen der körperlich­en und seelischen Belastbark­eit überschrit­ten.
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Entspannun­g – etwa in Form von Yogaübunge­n – ist ein probates Mittel gegen Stress.

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