Vorsicht, Dauerstress!
Nur wer die Warnsignale kennt, kann üble gesundheitliche Folgen vermeiden
KREFELD/KÖLN (dpa) - Stress kennt jeder. Doch wer dauerhaft gestresst ist, spürt irgendwann körperliche Folgen. Damit es nicht so weit kommt, sollte jeder auf die Warnzeichen achten – und negativen Stress nicht mit dem positiven Flow-Gefühl verwechseln.
„Stress bedeutet grundsätzlich, dass es eine unspezifische Reaktion des Körpers oder Geistes gibt, die Menschen zur Bewältigung besonderer Anforderungen befähigt“, erklärt Christa Roth-Sackenheim, Vorsitzende des Berufsverbands Deutscher Psychiater. Der gestresste Körper befindet sich in einem Ausnahmezustand: „Es werden körperliche und seelische Reserven mobilisiert“, erklärt die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie. Die Konzentration, der Blutdruck und Blutzuckerspiegel steigen – genau wie das Herzminutenvolumen, das die Leistung des Herzens beschreibt. Gleichzeitig werden die sogenannten Stresshormone vermehrt ausgeschüttet.
Stimmung spiegelt Stresslevel
Wichtig ist es, dass dieser Zustand nicht dauerhaft anhält. Normalerweise kehrt der Körper wieder zur gesunden Funktionsweise zurück, wenn die Anforderung vorüber ist. Passiert das nicht, kann Stress krank machen. „Dann wird dieses Alarmsystem andauernd ausgelöst, und man kommt in eine Art Übererregung“, sagt Roth-Sackenheim. Die Folgen können dauerhaft erhöhter Blutdruck, Diabetes, Kopfschmerzen, Fettstoffwechsel-, Schlaf- und Verdauungsstörungen sein.
Hilfreich ist es daher, die ersten Warnsignale zu erkennen: „Bei vielen Menschen kommt das Gefühl auf, nur noch zu funktionieren“, sagt Sabine Keiner, Life- und Burn-outCoach aus Köln. Vielleicht machen Partner oder Familie darauf aufmerksam, dass neben der Arbeit kaum Zeit für schöne Aktivitäten bleibt. Auch die Stimmung spiegelt das Stresslevel wider: „Man ist gereizt, grübelt nachts, ist antriebslos, kann nicht mehr abschalten, vernachlässigt Freunde und Familie.“
Wer diese Anzeichen ernst nimmt, kann schlimmeren Folgen vorbeugen: „Burn-out beziehungsweise die Stufe der Überforderung vor dem eigentlichen Burn-out kommt nie plötzlich, sondern kündigt sich immer über viele Symptome und meist über Jahre an“, sagt Keiner. „Allerdings sind die meisten von uns Meister darin, dies über eine lange Zeit zu verdrängen.“
Positiver Stress existiert nach Ansicht der Expertin nicht. Was es aber gebe, ist das Flow-Gefühl: „Ich befinde mich in einer Situation, die mich ausreichend fordert, aber nicht überfordert. Ich kann die Herausforderung gut meistern, vergesse dabei die Zeit, habe Spaß – und es fließt.“Manche Menschen behaupten, dass sie einen gewissen Druck brauchen, um Aufgaben zu erledigen – hier kann Stress in gewissem Maße also förderlich sein. „Doch auch in diesen Fällen darf der Druck nicht zu stark und zu lange sein“, so Keiner.
Welche Faktoren negativen Stress auslösen, ist individuell unterschiedlich: „Um herauszufinden, was einen wie stark belastet, ist es zunächst gut, das eigene Stressgefühl zu beschreiben“, sagt Laura Letschert, systemischer Resilienz-Coach aus HöhrGrenzhausen bei Koblenz. „Wie fühlt es sich im Körper an, wenn ich in Stress gerate?“Im Anschluss könne man ein bis zwei Wochen lang immer wieder bewusst das eigene Stressgefühl in verschiedenen Situationen wahrnehmen, auf einer Skala von eins bis zehn einordnen und in einem Stresstagebuch festhalten.
Mehr Zeit für Bewegung
Meist lassen sich nicht alle Punkte aus der Welt schaffen: „Hier kann es helfen, mit dem sogenannten Rad der Veränderung zu arbeiten“, sagt Letschert. Dieses Modell teilt Stressoren in drei Arten ein: „Einige kann ich selbst zu 100 Prozent beeinflussen, andere kann ich bedingt beeinflussen, der dritte Bereich lässt sich gar nicht von mir beeinflussen.“Betroffene, so der Rat, sollten zunächst bei den Punkten ansetzen, die sie selbst in der Hand haben. „Wer hier gut für sich sorgt, ändert das Gewicht der Stressoren in den anderen Bereichen“, sagt Letschert. Bei Dingen, die unveränderbar sind, sollte man versuchen, etwas loszulassen. „Auch das nimmt wieder Stress“, sagt die Expertin. „Wenn ich weiß, dass ich manche Umstände nicht verändern kann – aber vielleicht meinen eigenen Umgang damit.“
Zur Verminderung von Stressgefühlen gibt es viele Möglichkeiten: „Wichtig ist, sich regelmäßig Zeit für Bewegung zu nehmen“, sagt Burnout-Coach Sabine Keiner. „Da reicht schon ein strammer Spaziergang jeden Tag. Nur über die Bewegung ist der Körper in der Lage, die Stresshormone abzubauen.“Auch Entspannungstechniken wie Meditation, Tai-Chi oder Progressive Muskelentspannung können helfen.
„Ein weiterer wichtiger Faktor ist es, sich Zeit für sich und die eigenen Bedürfnisse zu nehmen“, sagt Keiner. Man sollte herausfinden, was einem Spaß macht und wobei man Energie auftankt. „Generell ist es gut, sich einmal das eigene Energiemanagement anzusehen“, rät die Expertin. „Denn die meisten von uns gehen viel zu großzügig mit ihrer Energie um – achten aber nicht genügend darauf, dass jede Batterie auch mal wieder aufgeladen werden muss.“