Der Aufbruch ist überall
Fußball-Nationalmannschaft versucht sich am Neustart – Löw zahnt, Bierhoff erbittet Geduld
WOLFSBURG (dpa/SID) - Das hatte Joachim Löw nun gerade noch gefehlt: Heftige Zahnschmerzen plagten den Bundestrainer. In Berlin musste er sich sogar einer Operation unterziehen. Die erste Ansprache an die Fußballnationalspieler beim von Löw ausgerufenen Neustart ins Länderspieljahr 2019 fand am Montag im Ritz Carlton Hotel in Wolfsburg also ohne den Chefcoach statt. Oliver Bierhoff wurde somit zum Überbringer der ersten wichtigen Anweisungen an das umformierte Team ohne die aussortierten Ex-Weltmeister Thomas Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng. Noch wichtiger war dem DFB-Direktor aber eine Botschaft an Fans und kritische Öffentlichkeit.
Eindringlich bat Bierhoff um Geduld, sollte es zum Jahresauftakt – am Mittwoch (20.45 Uhr/RTL) im Testländerspiel gegen Serbien und vier Tage später beim schweren Start in die EM-Qualifikation in den Niederlanden – keinen Grund zum Jubeln geben. „Am Ende weiß jeder, wir bauen eine neue Mannschaft zusammen“, sagte Bierhoff. Die Qualifikation für die Fußball-EM 2020 sei natürlich das klare Ziel, sie wolle man „souverän gestalten“. Aber: „Wir sind eine junge Mannschaft, die sich finden muss“, betonte der 50-Jährige. Die Spieler würden „Fehler machen“und „Schwierigkeiten haben“. Die Öffentlichkeit müsse „verzeihen, wenn Dinge nicht so ganz laufen“. Ziel sei es , so Bierhoff, „möglichst schnell in die Weltspitze zu kommen“.
Tempo und Temperament
Die ersten taktischen Anweisungen auf dem Platz sollte Löw-Assistent Marcus Sorg bei einem Training vor rund 1500 Fans im Wolfsburger AOKStadion exakt acht Mann aus dem 22 Spieler umfassenden Kader geben. Dabei: die Neulinge Niklas Stark (Hertha BSC), Lukas Klostermann (RB Leipzig) und Maximilian Eggestein (Werder Bremen); der Rest begnügte sich mit einer Regenerationseinheit unter Dach. Wie der Bundestrainer fehlte auch Serge Gnabry wegen Grippe. Der Münchner soll am Dienstag nachreisen. Joachim Löw wollte noch am Montagabend das Kommando übernehmen. Er muss in der Autostadt eine eng getaktete und vor allem zukunftsweisende Arbeitswoche bewältigen. Der zunehmend kritisch beäugte Fußballlehrer will nach seinem radikalen Umdenken mit einem weiter verjüngten Kader positive Resultate liefern. Auf Anhieb. Dazu will Löw „eine gute Spielweise mit viel Enthusiasmus“sehen, setzt er auf „mehr Tempo, Dynamik und Temperament“.
Nach der – zumindest unter einem Bundestrainer Löw – unwiderruflichen Ausmusterung des BayernTrios birgt der Aufbruch Richtung 2020 erhöhte Brisanz. „Für uns steht ein neuer Zyklus an“, sagte Löw, der ebenfalls ein Versprechen gab: „Die Qualifikation werden wir schaffen.“
DFB-Präsident Reinhard Grindel indes erhöhte den Druck auf Löw, auch wenn er dem vertraglich bis zur nächsten WM 2022 in Katar gebundenen Coach zugleich das Vertrauen aussprach. „Wir haben ein hundertprozentig intaktes und freundschaftliches Vertrauensverhältnis“, sagte Grindel. Und: „Jogi bringt alle Qualitäten mit, um den Umbruch zu gestalten. Wir wollen uns souverän für die EURO 2020 qualifizieren.“Der Verbandschef weiter: „Und ich denke, wir werden dann auch eine Mannschaft haben, die um den Titel mitspielen kann.“Teil zwei ist dabei die anspruchsvollere Vorgabe. Aber, so sagte Niklas Süle: „Ich glaube schon, dass wir mit den jungen Spielern eine gute Rolle spielen können.“
Confed-Cup-Sieger wie Joshua Kimmich, Leon Goretzka oder den neuen Abwehrchef Süle hat der Bundestrainer dazu auserkoren, nun vermehrt Verantwortung zu tragen. „Wir sind in der Lage, in die Fußstapfen der Weltmeister zu treten“, sagte Goretzka. Der talentierte Jahrgang 1995 soll und will übernehmen. „Jetzt ist allerhöchstes Niveau gefragt, jetzt sind nicht andere da, hinter denen man sich verstecken kann“, formulierte Löw deutliche Ansprüche an die Jungen.
„Natürlich orientiert man sich an den Spielern, die länger dabei sind, die Weltmeister geworden sind“, sagte der 22-jährige Maximilian Eggestein bei der Ankunft am Teamhotel bescheiden. Julian Brandt – auch erst 22 Jahre alt, aber schon mit 23 Einsätzen im DFB-Trikot – stellte zuversichtlich fest: „Wir werden da schon eine gute Truppe finden. Wir werden das über die Zeit schon schaffen, dieses Führungsthema.“Und für die Aufgaben jetzt gelte: „Wir wollen die beiden Spiele gewinnen – ganz klar!“
Zeitenwende? Die jedenfalls dokumentieren die Trikotnummern: Niklas Stark übernahm am Montag die 17 von Boateng, Lukas Klostermann erhielt Müllers 13. Und mit der 5 von Hummels könnte der bislang in vier Länderspielen eingesetzte Leverkusener Jonathan Tah auflaufen. 2. Bundesliga (26. Spieltag) Jahn Regensburg – Greuther Fürth 0:2 (0:0) Tor: 0:1 Caligiuri (71.), 0:2 Raum (90.+5). – Zuschauer: 10 000. 3. Liga (29. Spieltag) Hansa Rostock – Hallescher FC 1:1 (0:1) Regionalliga Südwest (25. Spieltag) Waldhof Mannheim – Steinb. Haiger 3:2 (0:1)