Verstärkte Suche nach Opfern von Missbrauchstätern
Land sucht künftig an allen Schulen nach Opfern von Kinderpornografie
STUTTGART (tja) - Ab dem kommenden Schuljahr 2019/2020 sollen alle Schulen im Land an sogenannten Schulfahndungen der Polizei teilnehmen. Entsprechende Pläne bestätigten das Kultusministerium und das Landeskriminalamt der „Schwäbischen Zeitung“. Die Fahndungen werden vom Bundeskriminalamt organisiert, um Opfer von Kinderpornografie zu finden. In Baden-Württemberg gehen Bilder der Kinder an alle 4500 öffentlichen Schulen sowie an weitere 300 private Einrichtungen. Damit erreichen diese aber rund 600 weitere private Schulen nicht. Deshalb will das Land zum kommenden Schuljahr ein neues System etablieren, das alle erreicht.
STUTTGART - Um Opfer von Kinderpornografie zu finden, nutzt die Polizei mehrfach im Jahr ein besonders Mittel: Sie bittet Schulen um Mithilfe. Doch an diesen Schulfahndungen nehmen in Baden-Württemberg nicht alle Schulen teil. Etwa 600 private Einrichtungen bekommen die Aufrufe nicht. Das soll sich zum neuen Schuljahr ändern.
Es war einer jener Umstände, die den Missbrauchsfall von Staufen so schrecklich machen. Bekanntlich gab es zahlreichen Kommunikationspannen zwischen Gerichten, Jugendamt und Polizei. Die führten dazu, dass der damals Siebenjährige jahrelang missbraucht, gefilmt und an andere Täter vermittelt wurde. Der Junge besuchte eine private Schule in der Region. Diese zählt zu jenen 600 Einrichtungen im Land, die sich nicht an Schulfahndungen beteiligen – weil sie nicht an das dafür nötige IT-Netz angeschlossen sind. Die Polizei schickte ein Bild des Jungen an Schulen, um ihn zu finden. Doch es erreichte seine Schule nicht. So dauerte es weitere Monate, bis die Ermittler das Kind und seine Peiniger schließlich im September 2017 nach einem anonymen Hinweis fanden.
Blinden Fleck beseitigen
Deswegen wollte die SPD nun vom Stuttgarter Innenministerium wissen, ob sich dieser blinde Fleck schließen lässt. „Schulfahndungen sind oft das letzte Mittel, um Kinder, die sexuell missbraucht werden, aus der Anonymität zu holen und dem notwendigen staatlichen Schutz zuzuführen. Die bisherigen Fahndungserfolge bestätigen die Wirksamkeit dieses Instruments. Es kann nicht sein, dass Schülerinnen und Schüler an zwei Dritteln aller Privatschulen in Baden-Württemberg von dieser Form des staatlichen Schutzes ausgenommen sind. Hier brauchen wir zeitnahe Verbesserungen“, so der SPD-Landtagsabgeordnete Daniel Born.
Sensible Daten
Tatsächlich ist Abhilfe in Sicht. Das Landeskriminalamt (LKA) und das Kultusministerium arbeiten an einer Lösung, um allen Privatschulen die Fahndungsaufrufe zukommen zu lassen. Sie soll zum Schuljahr 2019/2020 einsatzbereit sein. Das bestätigte eine Sprecherin des Kultusministeriums der „Schwäbischen Zeitung“. Geplant sei, ein Internetportal einzurichten. Die Privatschulen bekommen Zugangsdaten und können sich anmelden, die dort zur Verfügung gestellten Daten sind gut gesichert. Wenn eine Schulfahndung startet, bekommen die Schulen eine E-Mail, dass entsprechende Informationen in dem Portal bereitstehen. Dort können sie diese abrufen. Die sensiblen Daten selbst können nicht einfach über ungesicherte E-Mail-Konten weitergegeben werden. Der Dienst ist kostenfrei.
Bislang funktioniert eine Schulfahndung über das landeseigene ITNetz. An dieses sind alle 4500 öffentliche Schulen angeschlossen. Auch etwa 300 der 900 privaten Schulen nutzen es. Sie erreichen darüber zum Beispiel das Intranet der Kultusverwaltung oder können sensible Nachrichten über besonders sichere Verbindungen erhalten. Pro Monat zahlen die privaten Schulen 25 Euro für den Anschluss.
Dieses Netz nutzt die Polizei, wenn sie nach Opfern von Kinderpornografie sucht. Die angeschlossenen Schulen erhalten Fotos und Informationen zu dem gesuchten Opfer. Die Bilder werden vorher bearbeitet, es sind nur die Gesichter der Kinder zu sehen. Außerdem geben die Behörden Hinweise zum Umgang mit den Daten. So dürfen die Fotos der Opfer nur einmal ausgedruckt, aber nicht per E-Mail weitergeschickt oder mehrfach kopiert werden. Nur Lehrer dürfen die Informationen erhalten, alle Unterlagen müssen nach Abschluss der Suche vernichtet werden.
17 Täter gefasst
Das Instrument dient als letztes Mittel, um Kinder zu finden. Wenn Polizisten Videos oder Fotos mit Kinderpornografie finden, gehen diese ans Bundeskriminalamt (BKA). Dort werden die Filme und Bilder mit bereits bekannten abgeglichen. Bleiben Opfer weiter unbekannt und es gibt Hinweise, dass sie aus Deutschland stammen, gelangen die Bilder in die Schulfahndung. Pro Jahr startet das BKA in der Regel zwei Mal solche Schulfahndungen, zum Teil werden mehrere Kinder pro Aufruf gesucht. Laut Landesinnenministerium suchten die Beamten seit 2006 bundesweit 33 Kinder mit diesem Mittel. Dabei wurden 19 Opfer und 17 Täter identifiziert.
SPD-Politiker will weitere Schritte
„Unserer Ansicht nach müssen in Baden-Württemberg alle Schulen – auch private – verbindlich in die Schulfahndungen einbezogen werden“, so SPD-Politiker Born. Dazu fehlt laut Kultusministerium die Rechtsgrundlage. Das reicht der SPD nicht. Sie will, dass die Teilnahme verpflichtend ist. „Ich plädiere für einen entsprechenden Erlass der Kultusministerin sowie eine Übertragung des Erlasses auf die Privatschulen – falls nötig durch eine entsprechende Änderung im Privatschulgesetz. Auch müssen wir uns die Frage stellen, ob es nicht sinnvoll ist, die Kindertagesstätten in diese Fahndungen einzubeziehen“, fordert Born.
So lange das nicht geschieht, hat das Landeskriminalamt einen anderen Plan, um alle Schule zu erreichen. Die Behörde will künftig Beamte mit den Fahndungsunterlagen an alle privaten Schulen schicken, die das neue System nicht nutzen.
Die katholischen freien Schulen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart begüßen die Initiative. Viele sind bereits an das IT-Netz des Landes angeschlossen und erhalten so die Meldungen der Schulfahndungen. Man bemühe sich außerdem um eine flächendeckende Anbindung an das System, so eine Sprecherin.