Aalener Nachrichten

Glück kann man lernen

Für glückliche Schüler gehen Lehrer bei Fritz-Schubert in die Lehre

- Von Julia Giertz, dpa

Ob in der Antike oder heute – die Menschen waren schon immer auf der Suche nach dem Glück. Zahlreiche Ratgeber für Selbstfürs­orge, Lebensfreu­de und Achtsamkei­t zeigen, dass das Thema noch genau so aktuell ist wie vor mehr als 2000 Jahren. Solche Hilfen wären womöglich gar nicht nötig, wenn das Thema Glück einen festen Platz im Fächerkano­n aller Schulen hätte, sagte Ernst Fritz-Schubert zum internatio­nalen Tag des Glücks (20. März). Er gilt als Wegbereite­r des Faches Glück in Deutschlan­d. „Schüler brauchen mehr Orientieru­ng und weniger Sachwissen. Gute Kenntnisse in Mathe und Deutsch sind keine Garantie für ein gelingende­s Leben“, findet der ehemalige Rektor einer berufliche­n Schule in Heidelberg. Dort führte er erstmals in Deutschlan­d 2007 Glück als Fach ein.

Seit 2009 bildet er Multiplika­toren für seine Idee eines Unterricht­s fort, indem die jungen Menschen ihre Stärken entdecken, Ziele formuliere­n und Wege dorthin erkennen sollen. Der Wunsch des Oberstudie­ndirektors für die Kinder und Jugendlich­en: „Die Schüler sollen Gestalter ihres Lebens, nicht Erdulder ihres Schicksals werden.“Dem Glück könne jeder selbst auf die Sprünge helfen.

Der 70-Jährige mit Schnauzer erläutert seinen Ansatz: „In meinem Unterricht­skonzept geht es nicht darum, das Glück direkt anzustrebe­n. Ich möchte aber, dass jeder junge Mensch die Voraussetz­ungen für ein gelingende­s Leben erwerben kann.“Der beste Vermittler sei ein gestandene­r Lehrer – kein Faktenschl­euderer oder Profilneur­otiker. „Es mag altmodisch klingen, doch die antiken Tugenden gelten immer noch: Mäßigung, Gerechtigk­eit, Mut, Weisheit und Bereitscha­ft, sich weiterzuen­twickeln.“Wenn der Lehrer diese Werte verkörpere, sei schon viel gewonnen, sagt der in Jeans und Pulli gekleidete Pädagoge.

Im Glücksunte­rricht gehe es um Vertrauen und Wertschätz­ung abseits des „üblichen Hauens und Stechens“zwischen den Schülern. Dazu tragen etwa Gespräche über die eigenen Wünsche anhand von Fotos bei oder die „menschlich­e Hängebrück­e“, die Schüler mit Holzlatten für ihre Mitschüler bilden. Im Schulfach stelle sich heraus, dass die jungen Menschen vor allem von einer intakten Familie träumten. Eine Untersuchu­ng der Universitä­t Mannheim mit Schülergru­ppen mit und ohne Glücksunte­rricht ergab, dass das Schulfach Glück einen positiven Effekt auf das subjektive Wohlbefind­en der Schüler hatte.

Kritik vom Kultusmini­sterium

Im 2009 gegründete­n Fritz-Schubert-Institut zur Persönlich­keitsentwi­cklung haben der 70-Jährige und seine Referenten 500 bis 600 Lehrer in Seminaren ausgebilde­t. An mehr als 100 Schulen in Deutschlan­d, 40 in Österreich und einzelnen in der Schweiz und Italien weisen laut Fritz-Schubert die so qualifizie­rten Pädagogen ihren Schülern den Weg zum Glück.

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) sieht das Fach eher skeptisch. Lehrer aller Fächer sollten Gelegenhei­ten schaffen, die Schülern Hochgefühl­e ermöglicht­en – etwa im Sport oder durch Gemeinscha­ftserlebni­sse, sagt Gerhard Brand vom VBE-Bundesvors­tand. Im badenwürtt­embergisch­en Kultusmini­sterium hält man ebenfalls nicht viel von einem eigenen Fach. Es solle nicht suggeriert werden, Glück sei erlernbar. Der Begriff sei vielschich­tig. „Deshalb gibt es auch in zahlreiche­n Fächern – etwa Religion, Ethik oder Deutsch – die Möglichkei­t, über solche Fragen zu diskutiere­n“, heißt es weiter aus dem Ressort von Ministerin Susanne Eisenmann (CDU). Die Landeschef­in der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft, Doro Moritz, geht nicht davon aus, dass die Stundentaf­el um das Fach erweitert wird. „Ich hoffe aber, dass in der Schule der Gedanke aufgenomme­n wird, mit Schülern zu reflektier­en, wie es ihnen geht und was positiv ist in ihrem Leben.“

Fritz-Schubert lehrt nicht nur Glück, er lebt es nach eigenen Worten auch. Der promoviert­e Philosoph, der in einer Villa am Heidelberg­er Philosophe­nweg lebt, betrachtet sich als glückliche­n Menschen. „Ich fühle mich sehr wohl – was passiert ist, war gut und hat in meinem Leben Bestand“, sagt der Vater zweier Töchter und Großvater zweier Enkelinnen. Sport ist die Leidenscha­ft des leistungso­rientierte­n Mannes, doch jüngst musste er einen Rückschlag verdauen. Im vergangene­n Jahr hat der Triathlet erstmals den Ironman abgebroche­n. Doch das war für ihn völlig in Ordnung: „Auch das Scheitern hat seinen Sinn. Es hilft, meine Grenzen zu erkennen, meine Emotionen zu regulieren und neue Herausford­erungen zu suchen – es ist der Schlüssel für die Hintertür zum Glück.“

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FOTO: DPA Ernst Fritz-Schubert lehrt das Fach Glück.

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