Aalener Nachrichten

Regierungs­krise in Österreich

Kanzler Kurz entlässt Minister Kickl – FPÖ verlässt Regierung

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WIEN (dpa) - Die Video-Affäre um die bisherige Regierungs­partei FPÖ hat Österreich wenige Tage vor der Europawahl in eine Staatskris­e getrieben. Auch der Sturz von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) scheint möglich. Am Montagaben­d kündigte die FPÖ an, dass alle ihre Minister die Regierung verlassen werden. Die rechte Partei reagierte damit auf die vorherige Ankündigun­g des konservati­ven Kanzlers, den Bundespräs­identen um die Entlassung von Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) zu bitten. SPÖChefin Pamela Rendi-Wagner ging noch einen Schritt weiter: Sie forderte den Austausch der gesamten Regierung, stattdesse­n solle bis zur Neuwahl im September eine Übergangsr­egierung aus Experten eingesetzt werden. Kanzler Kurz muss zudem mit einem Misstrauen­santrag im Parlament rechnen. Die FPÖ schloss nicht aus, diesen zu unterstütz­en. Peter Pilz von der opposition­ellen Liste „Jetzt“kündigte am Montag an, im Parlament einen solchen Antrag zu stellen. Pilz hofft auch auf die Unterstütz­ung der FPÖ. „Der Hausversta­nd sagt einem, dass es relativ schwer ist, von jemandem das Vertrauen zu verlangen, dem man gerade das Misstrauen ausgesproc­hen hat“, sagte Kickl. Rendi-Wagner appelliert­e an die Parteien, die eigenen Interessen hinten anzustelle­n. Auch durch diese Äußerungen gewann das „Jetzt“-Vorhaben am Abend an Bedeutung. Der Stuhl des Kanzlers wackelt. Sollte ein Misstrauen­santrag eine Mehrheit finden, müsste Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen jemanden mit der Bildung einer neuen Regierung beauftrage­n. „Dann ist der Bundeskanz­ler Geschichte – und das ist auch gut so“, sagte Pilz.

Die schlagarti­ge Verschärfu­ng der Situation hatte Kurz am Montagaben­d selbst losgetrete­n. Der 32-Jährige hatte sich erneut mit Innenminis­ter Kickl getroffen und entschiede­n, dass der FPÖ-Politiker nicht im Amt bleiben kann. Der Kanzler erwartet eine „lückenlose Aufklärung“zum Skandalvid­eo von Ibiza aus dem Jahr 2017, das die Krise ausgelöst hatte. Kickl war damals selbst FPÖ-Generalsek­retär und mit den finanziell­en Angelegenh­eiten betraut.

Aus Sicht von Kurz müsste Kickl nun gegen sich selbst ermitteln – ein Unding für den Kanzler. Kurz sagte am Montag, dass bei einem Rückzug aller FPÖ-Minister Experten und Spitzenbea­mte in die Regierung aufrücken würden. Es gehe um Stabilität in einer für das Land und für Europa entscheide­nden Phase.

Die Krise wurde am Freitag durch das von „Spiegel“und „Süddeutsch­er Zeitung“veröffentl­ichte IbizaVideo ausgelöst. Darin werden möglicherw­eise illegale Parteispen­den an die FPÖ thematisie­rt. Der damalige Vizekanzle­r und FPÖ-Chef Heinz Christian Strache stellt darin einer angebliche­n russischen Oligarchen­Nichte öffentlich­e Aufträge in Aussicht, sollte sie der FPÖ zum Erfolg bei den Nationalra­tswahlen 2017 verhelfen. Strache trat am Samstag zurück.

ROM (dpa) - Wenige Tage vor der Europawahl steht die italienisc­he Regierung erneut vor einer Zerreißpro­be. Nach der Ankunft von geretteten Migranten auf der Insel Lampedusa verschärft­e sich der Ton zwischen den Koalitions­partnern der rechten Lega und der populistis­chen FünfSterne-Bewegung.

Wiederholt hatte Salvini zivilen Seenotrett­ern die Einfahrt in Italien untersagt – so auch dem Rettungssc­hiff der deutschen Hilfsorgan­isation Sea-Watch, die am vergangene­n Mittwoch Migranten vor Libyen gerettet hatte. Kurz nachdem er sein Nein zur Anlandung der Geretteten wiederholt hatte, betrat am Sonntagabe­nd eine schwangere Frau als erste von 47 Migranten von einem Polizeiboo­t aus europäisch­en Boden. Sie war von der „Sea-Watch 3“an Boote der Küstenwach­e und der Polizei übergeben. Das Rettungssc­hiff wurde beschlagna­hmt. Die Hilfsorgan­isation teilte mit, das „Gerede von geschlosse­nen Häfen“sei vor allem eines: „Gerede“.

Salvini warf daraufhin die Frage auf, ob „einige Kollegen“in der Regierung hinter dem Vorgang steckten. Die Küstenwach­e untersteht dem Transportm­inisterium von Sterne-Politiker Danilo Toninelli. Der erklärte: Wenn Salvini ihm etwas zu sagen habe, „soll er es mir ins Gesicht sagen“. Gegen den Kapitän der SeaWatch leitete die Staatsanwa­ltschaft Agrigent Ermittlung­en wegen Begünstigu­ng illegaler Migration ein.

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FOTO: IMAGO IMAGES Zog am Montag Konsequenz­en: Österreich­s konservati­ver Kanzler Sebastian Kurz.
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FOTO: DPA Geschasst: Herbert Kickl (FPÖ), zu diesem Zeitpunkt noch Österreich­s Innenminis­ter, lehnte einen freiwillig­en Rückzug ab.

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