Aalener Nachrichten

Kein Messi, aber Mentalität

Nach seiner Rekordsais­on muss sich der 1. FC Heidenheim fast schütteln

- Von Benjamin Post

HEIDENHEIM - An diesem epischen Abend stand Holger Sanwald in der hintersten Reihe. Hinter all den sitzenden Journalist­en. Alle zusammen lauschten, was die Herren Niko Kovac und Frank Schmidt zu erzählen hatten. Es war eine Menge, doch irgendwann war auch die Pressekonf­erenz im Bauch der Allianz Arena beendet. Dieser Abend, mit dem unvergessl­ichen Besuch beim FC Bayern München war für den 1. FC Heidenheim um einen stolzen Vorstandsv­orsitzende­n der Höhepunkt der Saison, einer Saison voller Höhepunkte.

Fernab des täglichen Brot 2. Bundesliga machten diese Heidenheim­er so richtig auf sich aufmerksam. Natürlich konnte keiner ahnen, dass sich der FCH teilweise in einen Rausch spielte bei so manchen Spielen (wie auch im DFB-Pokal) und am Ende mit Rekordzahl­en in die Sommerpaus­e geht.

Doch Sanwald wurde dann doch irgendwie bestätigt. „Mein Gefühl war gut“, sagte der Vorstandsc­hef nach dem letzten Akt, dem 4:2-Sieg am Sonntag gegen den FC Ingolstadt, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Sein Gefühl vor der Saison. Doch er sagt auch: „Damit war nicht zu rechnen“. Fünfter Tabellenpl­atz, neun Punkte mehr als in der bisherigen Rekordsais­on 2016/2017. „Da macht schon Freude“, erklärt Sanwald. Nur um zwei Punkte verpasste der FCH mindestens den Relegation­splatz – die Bundesliga war am Ende der Saison nicht nur ein Hirngespen­st. Und wenn man nachrechne­t zeigt sich: Ein Sieg fehlte zum direkten Aufstieg. Und all das nach dem Fastabstie­g in der Vorsaison.

Sanwald ist in der Retropersp­ektive fast ungläubig – und nimmt das artistisch­e Hackentor des Verteidige­rs Patrick Mainka am Sonntag zum 1:0 als Sinnbild. „Wir haben ja Sachen gemacht, das war unglaublic­h. Wenn Messi sowas macht, sehen wir es eine Woche lang auf allen Kanälen. Unglaublic­h, der kommt aus der Regionalli­ga“, staunte er über seinen voll eingeschla­genen Neuzugang von Borussia Dortmund II.

Mit viel Mentalität

Oder wie es FCH-Trainer Frank Schmidt zusammenfa­sst: „Die Saison war fast schon eine Sensation.“Und kommt nicht an den beiden Pokalhighl­ights gegen Leverkusen und Bayern vorbei: „Einen Champions League-Teilnehmer haben wir geschlagen, einen fast.“Heidenheim ist viel Mentalität, aber Heidenheim spielte sich zu vielen (unerwartet­en) Erfolgen in Liga und Pokal auch durch ein wichtigen Faktor: spielerisc­he Weiterentw­icklung. Wer könnte das besser FCH-Vorstandsv­orsitzende­r Holger Sanwald beurteilen als Marc Schnattere­r, neben Sanwald und Schmidt der Dauerbrenn­er beim FCH, seit zehn Jahren auf den Flügeln unterwegs. „Es war wirklich die beste Saison, nicht nur von der Punktausbe­ute, auch spielerisc­h.“

Die größte Herausford­erung wird für die Heidenheim­er werden, auch in der kommenden Saison wieder auf dieses Level zu kommen. „Das wird die Kunst sein. Wir müssen uns nächstes Jahr alles wieder erarbeiten. Aber wir haben die Charaktere dazu“, findet Schnattere­r. Stellvertr­etend sagt die Vereinsiko­ne: „Ich versuche nicht nur meinen Stiefel herunter zu spielen.“

Fußball-Deutschlan­d wird den 1. FC Heidenheim anders sehen, die Erwartungs­haltung der Fans steigt – einem wie „Schnatti“ist das bewusst. „Hamburg muss nächstes Jahr aufsteigen, bei uns muss man einfach auch sehen, was wir erreicht haben. Letztes Jahr sind wir fast abgestiege­n, und jeder hat mit wenig gerechnet und dann kommt so was heraus. Jetzt rechnen die Leute wieder mit mehr: Da musst du aufpassen.“

Und die Leute, vor allem Bundesliga-Macher, haben Heidenheim­er Kicker auf dem Zettel. Für 13-ToreTop-Stürmer Robert Glatzel (25) ging vor dem letzten Spieltag eine offizielle Anfrage ein, schon vor dem 4:5 mit dem Glatzel-Dreierpack in München kamen Gerüchte um Interesse des VfB Stuttgart und Werder Bremen auf. Aber der FCH befindet sich auch hier in einer guten Position, alle Spieler sind vertraglic­h gebunden.

Zwei Neuzugänge stehen schon fest: Ein neuer Stürmer wurde am Montag bekannt, leihweise von der TSG Hoffenheim kommt U 20-Nationalsp­ieler David Otto (20), Abwehrmann Oliver Hüsing (26), Kapitän von Hansa Rostock, stand schon fest. Ohne mögliche Einnahmen plant der Verein in der kommenden sechsten Zweitliga-Saison mit einem Etat von 27 Millionen Euro (Vorjahr 28, mit DFB-Pokal-Viertelfin­aleinzug). Mehr Geld fließt durch die Verteilung der TV-Gelder in die FCH-Kasse. Der sportliche­r Erfolg schlägt sich auch in den Zahlen nieder.

Für neue Zahlen können die Kicker von der Ostalb ab dem 17. Juni sorgen. Dann startet die ganz normale Saisonvorb­ereitung. „Es geht wieder bei Null los“, sagt Sanwald. Wie immer eigentlich.

„Wir haben ja Sachen gemacht, das war unglaublic­h.“

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FOTO: HORST MÜLLER Helen Heckel mit Rico Gröber und ihrer Urkunden.
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FOTO: FCH Neuer Mann für Heidenheim: David Otto (links) kommt leihweise aus dem Kraichgau.

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