Der Starkregen kostet viele Jungstörche das Leben
Nachwuchs der weiß-schwarzen Großvögel teilweise wegen Unterkühlung gestorben – Expertin ist aber bisher nicht alarmiert
RAVENSBURG - Storchenfreunde haben in den vergangenen Tagen als schockierend empfundene Entdeckungen gemacht: tote Jungvögel in den Horsten – Nachwuchs, dem die jüngsten Regentage zum Schicksal wurden. Aus der Storchenstation des Affenbergs bei Salem im Bodenseehinterland kommen entsprechende Nachrichten. Nach ersten Schätzungen sind dort bis zu 40 Tiere umgekommen. Aus dem benachbarten Markdorf werden Verluste gemeldet, ebenso aus dem oberschwäbischen Bad Waldsee. Bei Neuravensburg im württembergischen Allgäu soll es auch tote Jungstörche geben.
„Wir hatten praktisch drei Regentage. Die Tiere sind durch Unterkühlung eingegangen“, sagt Ute Reinhard, Weißstorchenbeauftragte des Regierungspräsidiums Tübingen. Sie tourt gerade durch die Gegend, um eine Bestandsaufnahme zu machen. Reinhard geht davon aus, dass es das Allgäu besonders getroffen hat. Dort sei der Regen am intensivsten gewesen. Wie es konkret mit Zahlen zum Storchentod aussieht, kann Reinhard jedoch noch nicht sagen. „Bis jetzt bin ich aber nicht alarmiert“, betont sie. „Dass es tote Jungvögel gibt, ist bei diesem Wetter normal.“Weshalb, macht ihre Erklärung deutlich. Demnach liegt das Problem nicht bei den ganz jungen Küken. Sie würden bei schlechtem Wetter unter den Flügeln der Elterntiere geschützt. „Gefährlich kann es aber für den Nachwuchs werden, der drei bis vier Wochen alt ist“, erklärt Reinhard. Dieser passt offenbar nicht mehr unter die Flügel. Als Schutz gegen ein Auskühlen ist sein Federkleid noch zu dünn.
Von einer Gefahr für die Storchenbestände, erklärt die Expertin, könne aber wirklich nicht geredet werden. Dagegen sprechen auch die vorliegenden Zahlen. Anders als noch vor einigen Jahrzehnten sind die streng geschützten weiß-schwarzen Großvögel keine direkt bedrohte Art mehr. Ihre Zahl hat vor allem durch Ansiedlungsprojekte zugenommen. Inzwischen sind allein in Baden-Württemberg über 1000 Brutpaare erfasst. In Bayern geht man von rund 500 Brutpaaren aus. „Wenn von den üblichen drei bis vier Jungtieren pro Horst zwei überleben“, meint Reinhard, „braucht man sich dann auch keine Sorgen zu machen.“Probleme gebe es nur, wenn auf eine Kältewelle während der Nachwuchsaufzucht eine weitere käme: „So wie 2013.“Seinerzeit war es zu einem Massensterben von Jungstörchen gekommen.
Generell scheint es aber die Klimaveränderung mit den großen Vögeln nicht gut zu meinen. „Starkregenereignisse haben in den vergangenen zehn Jahren zugenommen“, erinnert sich Jost Einstein, Leiter des Nabu-Naturschutzzentrums Federsee im nördlichen Oberschwaben. „Die ganz schlechten Jahre häufen sich.“Er verweist darauf, dass deshalb „natürlich nicht nur Störche leiden“. Auch andere Tiere seien betroffen – etwa Kohl- und Blaumeisen, Höhlenbrüter, die eigentlich in ihrem Nest gut geschützt sind. Regenwetter hat in ihrem Fall eine andere Wirkung als bei Störchen: „Wenn es kalt ist“, sagt Einstein, „sind die Insekten nicht unterwegs. Die Altvögel können ihren Küken kein Futter mitbringen. Sie verhungern.“
Nach den drastischen Tierschicksalen zum Schluss noch eine gute Nachricht. „In Leutkirch leben die Jungen noch“, hat die Storchenbeauftragte Reinhard am Freitag festgestellt. Nach ihren Worten waren sie während der Regenperiode noch so klein, dass sie unter die Flügel der Eltern gepasst haben.