Geplante Justizreform in Rumänien dient vor allem korrupten Politikern
In dem südosteuropäischen Land wird am Tag der Europawahl auch über Pläne abgestimmt, die Macht der Justiz zu beschneiden
TEMESWAR - Kommenden Sonntag stehen in Rumänien gleich zwei wichtige Abstimmungen an: Neben der Wahl zum europäischen Parlament haben die rund 17 Millionen wahlberechtigten Rumäninnen und Rumänen in einer Volksabstimmung über eine umstrittene Justizreform zu entscheiden – die korrupten Politiker Straferleichterungen in Aussicht stellt. Die Volksabstimmung gegen die Reform hat der rumäniendeutsche Staatspräsident Klaus Iohannis auf den Weg gebracht. Er stellt sich damit offen gegen die Koalitionsregierung aus den Parteien PSD (Sozialdemokraten) und ALDE (Liberale). Für die Zukunft des Präsidenten hängt einiges ab vom Ausgang der Volksabstimmung.
Ovidiu Gant, Parlamentsabgeordneter der rumäniendeutschen Minderheit, erklärt, warum er die Justizreform für problematisch hält. „Zum Beispiel hat man alles getan, um vorbestraften Politikern zu helfen, indem Verjährungsfristen verkürzt wurden bei verschiedenen Straftaten und Strafen geringer ausfallen“, sagt Gant, der im Abgeordnetenhaus dagegen gestimmt hat. Im Klartext: Der Korruption überführte Politiker haben im Zuge der umstrittenen Justizreform die Aussicht auf geringere Strafen – oder sogar, wenn die Delikte weit genug zurückliegen, auf eine Amnestie. Zudem soll die Beweisführung bei Korruptions-verdachtsfällen erschwert werden.
Nicht nur der Staatspräsident, die Opposition im Parlament und weite Teile der Zivilgesellschaft lehnen dies ab. Auch von den europäischen Institutionen hagelt es Kritik: Die Justizreform mit ihren Straferleichterungen sei mit dem europäischen Rechtsstaatsgedanken nicht zu vereinbaren, hieß es beispielsweise von der Venedig-Kommission der EU. Kommissionsvize Frans Timmermans ging einen Schritt weiter: Er drohte der rumänischen Regierungs chefin Viorica Dancila Anfang Mai mit der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Rumänien, sollte die umstrittene Justizreform nicht doch noch in letzter Minute zurückgenommen werden.
Doch die Mitglieder der sozialdemokratischen Regierungspartei PSD denken nicht daran, von der Justizreform abzulassen. Stattdessen teilt PSD-Parteipräsident Liviu Dragnea, gleichzeitig Präsident des Abgeordnetenhauses, heftig Richtung Europa aus – und das mitten im EuropaWahlkampf. Man lasse sich „von denen in Brüssel“nicht vorschreiben, wie man Politik zu machen habe, giftete er unlängst auf einer Wahlkampfveranstaltung im ostrumänischen Iasi. Und: Justiz und Staatspräsident hätten sich zu einer Art „Parallelstaat“ gegen die Regierung verschworen. Dabei ist Dragnea derjenige, der von der geplanten Justizreform als Erstes profitieren würde: Im April 2016 wurde er zu zwei Jahren Haft auf Bewährung wegen Wahlbetrugs verurteilt. Im vergangenen Jahr kam ein Urteil wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch zu drei Jahren Haft hinzu. Letzteres ist aber noch nicht rechtskräftig. Die umstrittene Justizreform könnte Dragnea vor dem Gefängnis bewahren.
Spaltung zwischen Land und Stadt
Gerade auf dem flachen Land verfangen Dragneas Verschwörungstheorien. Ion Borduz ist Bürgermeister der rumänischen 2000-Einwohner-Gemeinde Farliug, nicht allzu weit von der Grenze zu Serbien entfernt. Der stämmig wirkende Bürgermeister, Anfang 60, gilt als einer, der zupacken kann, ist beliebt bei seinen Bürgern. Er gehört der PSD an – also jener Partei, die die umstrittene Justizreform auf den Weg gebracht hat. Die heftige Kritik daran hält Borduz für fehl am Platz. Niemand wolle den Rechtsstaat abschaffen. „Aber ich habe ein Problem mit den Institutionen der Korruptionsbekämpfung: Die werden seit Längerem politisch instrumentalisiert – und zwar gegen uns.“Von Staatspräsident Klaus Iohannis, der sich offen gegen die Regierung stellt, sei er enttäuscht: „Der benimmt sich eher wie ein Parteipräsident denn als Staatspräsident.“
Iohannis dagegen bekommt vor allem Rückhalt von den jüngeren Erwachsenen in den urbanen Regionen. Andrej Plujar, Ende 20, hat es in kürzester Zeit zum Vorsitzenden des westrumänischen Kreisverbandes Caras – Severin der noch jungen Partei „Union Salvai Romania“(„Union zur Rettung Rumäniens“) gebracht. „Unser Hauptproblem in Rumänien: die Korruption!“beklagt sich der junge Parteifunktionär. Da seien nun mal viel zu viele Strafverfahren gegen Politiker anhängig. „Und das einzige Interesse der Regierungspolitiker, die diese Justizreform vorantreiben, besteht darin, sich selbst vor dem Knast zu bewahren.“
Doch selbst wenn sich die Mehrheit der Rumäninnen und Rumänen am Sonntag gegen die Justizreform aussprechen sollte, wäre damit nicht sichergestellt, dass die Regierung von ihrem Vorhaben ablässt. Einen rechtsverbindlichen Charakter hat das Referendum nämlich nicht. Staatspräsident Iohannis hofft daher auf eine möglichst hohe Wahlbeteiligung, um entsprechend großen politischen Druck zur Rücknahme des umstrittenen Reformvorhabens aufzubauen. Bei einem Besuch in Temeswar lässt er seine Zuhörer am Ende wissen: „Seien sie froh, dass sie unter mehreren Alternativen auswählen können. Vor der rumänischen Revolution, im CeausescuKommunismus, war das anders. Und wissen Sie, was die dümmste Alternative ist? Nicht zur Abstimmung zu gehen.“