Für immer Fußballgott
Für die Fans des FC Bayern war er lange die Lichtgestalt, nun sagt Schweinsteiger servus
CHICAGO (dpa/sz) - Wer jenen 13. Juli 2014 im Maracanã-Stadion von Rio de Janeiro erlebt hat, wird diese Bilder nie vergessen. Wie sich Bastian Schweinsteiger mit einem blutenden Cut unter dem rechten Auge erschöpft und malträtiert immer wieder aufrappelt. Wie er, Deutschlands blutender Schweini (der ja lieber Basti genannt wurde) auch beim allerletzten Zweikampf des Endspiels der Weltmeisterschaft wieder von einem Argentinier zu Boden gerammt wird. Er, der emotionale Anführer, der 121 Länderspiele für Deutschland bestritt. Das größte und bedeutendste seiner Karriere war Nummer 108, das mit einem 1:0 nach Verlängerung endete und mit dem sich der oberbayerische Weltmeister seinen Legenden-Status selber schuf.
Mehr als fünf Jahre später erklärt der mittlerweile 35 Jahre alte und schon seit Jahren ergraute Familienvater seinen Rücktritt und schreibt die Zeilen, die zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich überraschen. „Nun ist die Zeit gekommen“, verkündet er per Twitter, zwei Tage nach seinem letzten Spiel für den US-Club Chicago Fire. 2017 war er in die USA gewechselt und kickte in der Major League Soccer – und ließ seine Laufbahn allmählich ausklingen. Jährlich entschied er spontan, ob es weitergeht, nun der engültige Absprung.
Sein Abschied als aktiver Spieler stimme ihn ein bisschen wehmütig, erklärt Schweinsteiger: „Ich danke euch und meinen Mannschaften FC Bayern, Manchester United, Chicago Fire und der deutschen Nationalmannschaft – ihr habt mir diese für mich so unglaubliche Zeit ermöglicht“, schrieb Schweinsteiger. „Und natürlich danke ich meiner Frau Ana Ivanovic und meiner Familie für ihre Unterstützung.“Aber er freue sich nun auch auf die spannenden Aufgaben, „die mich bald erwarten. Dem Fußball werde ich treu bleiben“.
Auswahl hat er genug: „Für ihn haben wir immer einen Platz bei uns“, hatte Bundestrainer Joachim Löw wenige Stunden vor der Rücktrittsnachricht gesagt und seinen Ex-Kapitän in den höchsten Tönen gewürdigt. „Er war einer der größten Spieler, die Deutschland hatte“, schwärmte Löw: Es bestehe immer die Möglichkeit „zur Hospitation oder zum Reinschnuppern“.
Und nicht nur dort: „Er ist ein super Bursche, die Türen beim FC Bayern stehen ihm immer offen“, sagte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. Die meiste Zeit seiner Karriere verbrachte Schweinsteiger beim Rekordmeister aus München, für den er 500 Pflichtspiele absolvierte.
Als der damals 17-Jährige im Jahr 2002 in den Profikader rückte, wenig später seiner – zumindest als jene deklarierten – Cousine des Nachts den Vereinswhirlpool vorführte, war das alles jedoch längst noch nicht vorausschaubar. Die acht Meisterschaften und sieben DFB-Pokale, die der Mittelfeldspieler mit den Bayern gewann. Nicht zu vergessen: 2013 holte er unter Trainer Jupp Heynckes das Triple – inklusive der ChampionsLeague-Trophäe –, ein Jahr später triumphierte er mit der DFB-Elf im WM-Finale – und zog auch einen ersten Schlusstrich. 2014 verließ er seinen Stammverein gen England. Nach der EM 2016 war auch im DFB-Trikot Schluss. Ein Abschied auf Raten.
„Er war ein großer Spieler, er war auch eine große Persönlichkeit.“
Joachim Löw
Die sportlichen Argumente, jetzt noch eine Spielzeit bei Chicago Fire zu spielen, hielten sich für den Überall-Publikumsliebling – der in der Allianz-Arena gefühlt keinen Pass spielen konnte, ohne von den Fans mit „Fußballgott“-Chören bedacht zu werden – in Grenzen.
So sind die Abschiedsworte, die ihn begleiten zahlreich. „Für immer einer von uns“, twitterte der FC Bayern ebenso wie: „FUSSBALLGOTT. FUSSBALLGOTT. FUSSBALLGOTT“Von nun an ist vieles möglich. Aber was auch immer Schweinsteiger vorhat: Den Fußballfans in Deutschland wird es so gehen wie Bundestrainer Löw, der fast pathetisch formulierte: „Jedem von uns ist ein Bild von seiner Karriere im Kopf, das Finale in Maracanã 2014. Er ist blutüberströmt, steht immer wieder auf, kämpft bis zum Umfallen. Den Siegeswillen von ihm konnte man jeder Aktion anmerken. Er war ein großer Spieler, er war auch eine große Persönlichkeit. So kenne ich ihn, immer offen, immer ehrlich, immer empathisch gegenüber den Fans.“
Tröstlich: Das bleibt er auch über die nun beendete Profikarriere hinaus.