Dudenhöffer fordert höhere Spritpreise
Autoexperte hält Förderung von E-Autos für ungerecht – Industrie wehrt sich
RAVENSBURG - Der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer hält die Förderung von Elektroautos durch die Bundesregierung für sozial ungerecht. Er fordert stattdessen höhere Kraftstoffpreise. „Ich halte es für falsch, dass alle dafür zahlen, dass einige Menschen ihr Elektroauto billiger fahren können“, sagt der Gründer des Centers für Automotive Research an der Universität DuisburgEssen im Interview der „Schwäbischen Zeitung“. „Wir brauchen ein System, bei dem wir den Kraftstoffpreis anheben.“Die Folge wäre, dass der Betrieb von Autos, die CO2-Emissionen verursachen, teurer würde, das Fahren von Elektroautos billiger. Ein solches System „würde dazu führen, dass diejenigen die Verkehrswende finanzieren, die Auto fahren“.
Der Bund fördert die Elektromobilität auch dadurch, dass er den Kauf von Elektroautos und Plug-inHybriden durch Kaufprämien unterstützt. Das Ziel war, bis 2020 eine Million E-Fahrzeuge auf die Straßen zu bringen. Der Bund hat aber eingeräumt, dass das nicht klappen wird, und will es nun bis 2022 schaffen. Anfang 2019 waren in Deutschland rund 410 000 Elektroautos und Plug-inHybride unterwegs. Die Autoindustrie dagegen pocht auf die staatliche Förderung der E-Mobilität.
Der gebürtige Badener kann fluchen, richtig emotional fluchen. Im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“hat Ferdinand Dudenhöffer genau das getan, als er die Folgen der Handelspolitik von Donald Trump für die deutsche Automobilwirtschaft beschrieben hat. Später nimmt er die übelsten Schimpfworte zwar zurück, die Kritik des 68-Jährigen am US-Präsidenten ist dennoch vernichtend. Genauso scharf analysiert der Automobilexperte den Zustand von Deutschlands Leitbranche und erläuterte im Gespräch mit Benjamin Wagener, warum Stadtgeländewagen gar nicht so schlimm sind und man die Proteste gegen die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) nicht überbewerten darf.
Ist das Konzept von individueller Mobilität in Zeiten von Greta Thunberg noch zeitgemäß – immerhin haben nicht Bilder von glänzenden Neuwagen die vergangene IAA bestimmt, sondern Aktivisten, die gegen die Automesse protestiert haben?
Das war ein überschaubarer Protest. 15 000 Leute haben demonstriert – gleichzeitig wissen wir, dass es in Deutschland noch nie so viele Autos auf den Straßen gab wie heute. 47,3 Millionen, fünf Millionen mehr als noch vor zehn Jahren. Und der Wunsch nach Fahrzeugbesitz besteht weiter – ganz im Gegenteil zu dem, was seit zehn Jahren behauptet wird.
Also muss man den Protest nicht ernst nehmen?
Wir müssen den Protest ernst nehmen, aber es sind eben nicht Millionen von Menschen, sondern 15 000. Ich glaube, dass es möglich ist, diese Proteste vernünftig aufzufangen und zu zeigen, dass Klimaziele und individuelle Mobilität miteinander vereinbar sind.
BMW-Chef Oliver Zipse hat sich auf der IAA mit dramatischen Worten zum Pariser Klimaabkommen bekannt. Daimler konterte mit einer Elektrooffensive, und Volkswagen holte ein kleines Mädchen auf die Bühne, das sich ein Auto der Zukunft wünschen durfte. Sind alle diese Versprechen glaubhaft?
Zunächst mal bauen die Konzerne keine Elektroautos aus altruistischen Motiven, sondern weil die EU-Kommission drakonische Strafen verhängt hat, wenn die Autobauer die Kohlendioxidemissionen ihrer Autos von 2021 an nicht vermindern. Natürlich haben die Konzerne in der Vergangenheit viel versprochen und ihre Pläne dann wieder geändert. Aber vor dem Hintergrund, dass die Vorgaben der EU nun nicht aufzuweichen sind, kann man die Bekenntnisse jetzt ernst nehmen.
Die Strafzahlungen werden den Konzernen wehtun?
Die Autobauer stehen mit dem Rücken zur Wand. Wenn sie zu den Strafen verdonnert werden, laufen sie in finanzielle Probleme, die nicht zu bewältigen sind.
Was bedeuten die Proteste wie von „Fridays for Future“für das Selbstverständnis der Konzerne?
Ich glaube, dass die Automobilindustrie wieder mehr Boden unter die Füße bekommt und nicht mehr so hoch fliegt. Jahrelang haben die Konzerne nach dem Leitspruch gelebt: Wir sind die Größten, wir sind die Besten, uns kann keiner was. Nun hat Dieselgate gezeigt, wie verwundbar die Branche ist. Elon Musk zeigt, wie groß das Risiko für die alten Autokonzerne ist zu scheitern, wenn man disruptive Technologien und Veränderungen in der Gesellschaft nicht ernst nimmt.
Die Debatte hat sich zuletzt an einem bestimmten Autotyp entzündet, den Stadtgeländewagen oder Sport Utility Vehicles (SUV) – wie umweltschädlich sind die Fahrzeuge denn wirklich?
SUV ist ein Reizwort. Kritiker haben das hochstilisiert in Kampagnen, die nicht faktisch, sondern von Emotionen geleitet werden. Diese Autos sind halt höher im Aufbau und haben größere Reifen.
Das ist alles?
Es gibt natürlich auch die wirklich dicken Dinger, die Fünf-Meter-Autos. Die provozieren natürlich stark in den Städten, wenn sie auf Parkplätzen stehen, man nebendran nicht mehr aussteigen kann oder der Fahrradweg blockiert ist, weil die eben mehr Platz brauchen. Aber das sind drei bis vier Prozent aller Fahrzeuge, die bei uns herumfahren. Aber die Kritik ist viel zu pauschal, nicht alle SUVs sind Teufelszeug.
Aber verbrauchen die Stadtgeländewagen denn nicht mehr Kraftstoff?
Wenn ich alle SUVs nehme, dann verbrauchen die im Schnitt 0,2 Liter Kraftstoff mehr als beispielsweise die Autos der Klasse der sogenannten Mehrzweckwagen (MPV – Multi Purpose Vehicle). Dazu gehören die vielen Vans, aber auch der Opel Zafira, der VW Bus oder der VW Touran. Kein Mensch käme auf die Idee, gegen solche Autos Krieg zu führen.
Sind SUVs für Fußgänger gefährlicher?
Das ist ebenfalls nicht pauschal zu beantworten. Wenn man als Fußgänger mit einem VW Bus zusammenstößt, ist die Gefahr genauso groß wie bei einem SUV. Hinzu kommt, dass SUVs in der Regel von älteren Menschen gefahren werden, die vorsichtiger fahren als junge Fahrer, die mit dickem Auspuff und breiten Reifen als CarPoser unterwegs sind.
Die Verkaufszahlen von SUVs sind in den vergangenen Monaten immer weiter gestiegen. Warum stehen so viele Menschen auf die Stadtgeländewagen?
Weil diese Autos viele Vorteile haben. Sie haben eine erhöhte Sitzposition, man kann einfacher einsteigen, das ist für den Rücken sehr ergonomisch. Zum Zweiten hat man eine bessere Straßenübersicht. Zum Dritten sehen die Dinger schon sportlich aus. Keiner will mit einem Rollator unterwegs sein, wenn er 70 ist, sondern er will zeigen, dass er sportlich unterwegs ist. Und zum Vierten sind SUVs auch im Hinblick auf ihre Beladbarkeit und Praktikabilität nicht schlecht.
Wie wichtig sind die SUVs für die Autoindustrie?
Sehr wichtig, weil sie profitabler sind als andere Fahrzeuge. Zum einen ist mehr Stahl an den SUVs dran und mehr Inhalt drin. Und zum anderen werden diese Autos von Kunden stark nachgefragt – und wenn sie so einen Käufermarkt haben, müssen sie weniger Rabatte geben und die Margen werden höher. Bei anderen Autos müssen sie die Rabatte immer weiter erhöhen, um die Autos zu verkaufen.
Welche Schlüsse ziehen Sie aus der Debatte, die sich zuletzt so polarisiert hat?
Die Autobauer könnten viel dazu beitragen, damit sich die Kritiker beruhigen, wenn sie endlich die Finger von den Monster-SUVs lassen. Ich kann nur sagen, hört auf, Autos wie den BMW X7, den Audi Q8 oder den Chevrolet Escalade in die Welt zu setzen. Solche Autos können die Konzerne in den USA bei Donald Trump verkaufen, der soll mit ihnen glücklich werden. Bei uns verursachen sie nur Ärger.
Warum greift die Politik bei solchen Fragen nicht viel früher ein? Das ist ein Vorwurf, den Umweltverbände seit Langem erheben, dass die Politik sich vor allem nach den Wünschen der Konzerne richtet.
Dieser Vorwurf ist richtig. Wir haben eine schlechte Politik gehabt – und diese Politik hat auch zum Dieselskandal geführt. Wenn wir strengere Regeln, eine strengere Aufsicht gehabt hätten, wäre das Risiko viel höher gewesen, in die Verwerfungen reinzugehen, die letztlich zum Betrug geführt haben.
Die Politik ist also zu nachlässig gewesen?
Natürlich. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat immer wieder die Augen zugedrückt. Immer wieder sind die Kohlendioxid-Grenzwerte der EU von Deutschland ausgehöhlt worden. Brüssel wollte einen Grenzwert von 120 Gramm pro Kilometer einführen, Angela Merkel hat dafür gesorgt, dass ein Grenzwert von 130 kommt. Und wenn dann etwas schiefläuft, versucht es die Politik mit Steuergeld zu heilen – wie jetzt bei den Subventionen für Elektroautos.
Sie sind gegen die Förderung von Elektroautos?
Ich halte es für falsch, dass alle dafür zahlen, dass einige Menschen ihr Elektroauto billiger fahren können. Wir brauchen ein System, bei dem wir den Kraftstoffpreis anheben. Autos, die Kohlendioxidemissionen verursachen, würden teurer, Elektroautos im Betrieb billiger. Das würde dazu führen, dass diejenigen die Verkehrswende finanzieren, die Auto fahren, und nicht der 90jährige Rentner, der zu Hause im Rollstuhl sitzt und von seiner Rente Steuern abgezogen bekommt. Man muss an der Tankstelle das Gefühl bekommen, Verbrenner sind echt verdammt teuer.
Warum agieren Politiker nicht so?
Weil Politiker immer das erste Ziel haben, ihren eigenen Sitz im Bundestag oder in irgendeinem anderen Gremium zu sichern. Das ist das erste Ziel jedes Politikers. Und anschließend kommt das Land. Obwohl sie immer behaupten, das sei umgekehrt.
Weil die Politik EU-Regeln nicht durchgesetzt hat, haben Organisationen wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) Fahrverbote durchgesetzt. Werden wir künftig noch mit Autos in die Städte fahren dürfen?
Die Fahrverbote werden in spätestens drei Jahren vom Tisch sein. Die DUH hat ja eigentlich nur Verbraucherrechte eingeklagt. Die Ursache war, dass die Bundesregierung zehn Jahre die Grenzwerte von Stickstoffdioxid in den Städten einfach ignoriert hat, obwohl Brüssel Berlin andauernd abgemahnt hat. Das war klassisches Politikversagen, dass wir überhaupt in die Situation gekommen sind. Aber der Anteil der Diesel geht zurück, die neuen Dieselmotoren sind sauber, sodass sich die Situation Stück für Stück verbessert.
Wenn der Anteil der Diesel zurückgeht, gilt das auch für den Benziner? Was ist der Antrieb der Zukunft?
Es werden batterieelektrische Antriebe sein. Die Plugin-Hybride, also Autos, die eine Kombination aus Verbrennungsmotor und Elektromotor nutzen und den Verbrenner bei langen Fahrten dazuschalten können, werden Flops. Das ist schon jetzt an den Zulassungszahlen zu erkennen. Im ersten Halbjahr 2019 sind die Verkäufe von Plug-in-Hybriden eingebrochen, die batterieelektrischen Autos verkaufen sich weiter. Eine solche Kombination ist immer sehr teuer, weil beide Motoren mitgeschleppt werden, was das Auto im Vergleich zu einem normalen Stromer schwerer macht.
Der Friedrichshafener Autozulieferer ZF setzt allerdings sehr stark auf genau diesen Antrieb. Die Autobauer BMW, Fiat-Chrysler und Jaguar-Landrover haben angekündigt, diese Lösungen in den nächsten Jahren von ZF kaufen zu wollen.
ZF-Chef Wolf-Henning Scheider hat eine Meinung zu dem Thema, ich habe eine andere Meinung. Ich glaube, diese Übergangslösung, die Autobauer wie BMW heute noch nutzen, wird schneller zurückgehen, als sich Herr Scheider das vorstellen kann.
Welche Zukunft hat die Brennstoffzelle?
Das ist auch eine Form der Elektromobilität, einmal nehmen sie den Strom aus der Batterie, einmal aus der Brennstoffzelle. Brennstoffzellen bei Autos sind in den nächsten 15 Jahren nur als Nischenprodukt denkbar – anders könnte es bei Lastwagen und Bussen sein. Aber die große Welle bei der individuellen Mobilität ist das batterieelektrische Auto. Das können wir umsetzen, wenn die Politik endlich die richtigen Entscheidungen bei der Ladeinfrastruktur trifft.
Was müssen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verkehrsminister Andreas Scheuer tun?
Sie müssen endlich einen koordinierten Plan machen. Es reicht nicht, wenn sie immer nur die Geldbörse aufmachen und das Geld des Steuerzahlers ausschütten, wenn wir ein Problem haben. Im Moment werden blind irgendwo Ladesäulen gebaut, je nachdem welche Stadtwerke wo Förderungen abgreifen können. Wir brauchen einen europaweiten Plan, wo normale Ladesäulen und Schnellladesäulen stehen müssen – und nur wenn sie dort gebaut werden, gibt es Subventionen.
Wie sieht die Ökobilanz von Elektroautos und Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor aus – sind denn Stromer am Ende wirklich umweltfreundlich?
Bei zwei Voraussetzungen ist das Elektroauto immer besser. Man muss das Auto mit kohlendioxidfreiem Strom laden. Und braucht Batteriezellen, deren Produktion kohlendioxidfrei ist – das verlangen seit diesem Jahr alle deutschen Autobauer. Die Zellen bei der neuen VW-Plattform sind beispielsweise Nullemissionsbatterien. Wenn sie diese Bedingungen erfüllen, ist das Elektroauto unschlagbar.
Der Wandel in der Antriebstechnik stellt die Autobauer vor große Herausforderungen. Wie steht die deutsche Industrie da?
Besser, als viele Grüne wie Parteichef Robert Habeck oder Fraktionschef Anton Hofreiter immer behaupten. Das, was Volkswagen mit seinen Elektroplattformen geleistet hat, wird industrieprägend sein. Ich gehe davon aus, dass der VW-Konzern sein Ziel, in fünf Jahren Weltmarktführer in der Elektromobilität zu sein, erreichen wird. Wir müssen nun schauen, wie Daimler und BMW den Wandel bewältigen.
Was macht die Konkurrenz?
Toyota ist langsam und langweilig, die haben vor einem Dreivierteljahr entdeckt, dass es die Elektromobilität gibt. Ford ist nur überlebensfähig mit der VW-Plattform, Chrysler hat gar nichts zu bieten. Honda hat gerade mal ein erstes Auto gezeigt. Die PSA-Gruppe mit den Marken Citroën, DS, Opel, Peugeot und Vauxhall hat einen umgebauten Corsa, das ist auch nicht das Gelbe vom Ei. Gut unterwegs sind natürlich Tesla, Hyundai-Kia, die Chinesen von Geely und zum Teil Renault-Nissan, aber dann hat es sich auch.
Wie beurteilen Sie kurzfristig die wirtschaftlichen Aussichten der deutschen Autoindustrie?
Nicht gut. Und der Grund dafür sitzt in Amerika und heißt Donald Trump. Er hat die Autowelt in eine Rezession gestürzt. Trump ist verantwortlich, dass die Zulieferer abstürzen, Trump ist mit seinen Zollkapriolen dafür verantwortlich, dass China abgeschmiert ist. Die derzeitige Situation ist schwierig und wird noch schwieriger werden.
Welche Konsequenzen sollte Deutschland ziehen?
Wir sollten unsere Bündnispolitik überdenken. Es ist sehr, sehr wichtig, enger mit China zusammenzuarbeiten. Aber wir machen das Gegenteil. Nun wollen wir die Batteriefabriken neu erfinden. Das ist völliger Quatsch. Die Chinesen haben die Technik, wir sollten zusammenarbeiten und die nächsten Generationen von Batteriematerialien gemeinsam nach vorne bringen.
Sollten wir das autoritäre System der Volksrepublik wie einen westlichen Bündnispartner behandeln?
Wir sollten die Beziehungen zu Peking stabilisieren und dann die Menschenrechtsfrage, die Hongkong-Frage und das Social Scoring der kommunistischen Partei offen diskutieren. Klar ist: Die USA machen uns jeden Tag viel größere Probleme als China und sind ein viel unzuverlässigerer Partner. Außerdem: Die Zukunft der Technologie kommt nicht aus dem Silicon Valley, sondern aus der Konzernzentrale von Huawei.
Könnte die von Donald Trump ausgelöste Wirtschaftskrise den Transformationsprozess der deutschen Autokonzerne gefährden?
Nicht gefährden, aber verzögern. Und die Krise wird dafür sorgen, dass die Aktionäre den Wandel bezahlen müssen. Die Gewinne der Autokonzerne werden wegen der wirtschaftlichen Turbulenzen in den kommenden Jahren schlecht sein. Die Konzerne brauchen aber Geld für den Wandel, die Dividenden werden ausbleiben. Das heißt, alle Anleger, die Autoaktien haben, werden durch Trump geschädigt.
Wann sind auf deutschen Straßen autonome Autos unterwegs – und zwar so, dass Sie während der Fahrt die „Schwäbische Zeitung“lesen können?
Auf alle Fälle zehn Jahre nachdem in China das erste Auto so gefahren ist.
Und wann ist das in China so weit?
Es fängt 2025 an, voll und ganz fahren dann 2030 Autos autonom durch Peking. Wir müssen bis 2040 warten.