Mehr Schutz für jüdische Einrichtungen
Auch Altenheime, Schulen und Kulturstätten werden strenger überwacht
BERLIN - Die Ereignisse in Halle/ Saale werfen ein Licht auf die Gefährdung jüdischer Einrichtungen in ganz Deutschland. In Berlin, wo etwa 15 000 Menschen jüdischen Glaubens leben, erklärte die Senatsverwaltung, dass die Sicherheitsmaßnahmen deutlich erhöht wurden. Darunter fallen nicht nur Synagogen, sondern auch Schulen, Altenheime und Kulturstätten. Insgesamt sind rund 60 jüdische Einrichtungen in der Stadt betroffen, darunter das Jüdische Museum, der Sitz des Zentralrats der Juden in Deutschland und die israelische Botschaft. Wie viele Kräfte im Einsatz sind, wird aus Sicherheitsgründen nicht bekanntgegeben.
Erst am vergangenen Freitag hatte ein 23-Jähriger vor der Neuen Synagoge, in der auch von vielen Touristen bevölkerten Oranienburger Straße, eine Absperrung überwunden, sein Messer gezogen und war auf die Sicherheitsleute zugelaufen. Er hatte sich trotz gezogener Dienstwaffen geweigert stehenzubleiben, konnte aber schließlich überwältigt werden. Der Mann befindet sich derzeit in einem psychiatrischen Krankenhaus. Die Hintergründe seiner Aktion sind noch unklar.
Der Schutz der Einrichtungen ist Ländersache. Große jüdische Gemeinden mit Tausenden Mitgliedern gibt es auch in München, Frankfurt/ Main, Köln und Düsseldorf.
Die Zahl der antisemitisch motivierten Taten nimmt seit Jahren zu. Aktuelle Zahlen aus dem Jahr 2018 weisen eine Zunahme von 19,6 Prozent im Vergleich zu 2017 aus, damals zählte der Jahresbericht zur politisch motivierten Kriminalität antisemitische 1504 Straftaten, ein Jahr später waren es 1799.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sprach kürzlich von einer neuen Qualität des Antisemitismus in Deutschland. Er unterstützte eine Äußerung des Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, der erklärte, er könne Juden nicht empfehlen, „jederzeit überall in Deutschland die Kippa zu tragen. Das muss ich leider so sagen“. Er sprach von einer „zunehmenden gesellschaftlichen Enthemmung und Verrohung“. Übergriffe richten sich nach Untersuchungen der Rechercheund Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS Berlin) inzwischen nicht nur gegen jüdische Einrichtungen, sondern prägen auch das Alltagsleben von Juden, die als solche erkennbar sind. Da werden Briefkästen oder Haustüren mit Hakenkreuzen beschmiert oder Frauen, die einen Davidstern tragen, als „Judenschlampe“beschimpft.