Aalener Nachrichten

Klimabilan­z eines Neubaus wäre katastroph­al

Architekt Werner Sobek stellt Aalener Rathaus und Klimaschut­z in Beziehung

- Von Viktor Turad

AALEN - Was die Diskussion um die Zukunft des Aalener Rathauses mit der weltweiten Klimadebat­te zu tun hat, hat der gebürtige Aalener Architekt Werner Sobek in seinem Vortrag deutlich gemacht. Denn auch in Aalen geht es um viele Tonnen Kohlendiox­id (CO2), die in die Atmosphäre geblasen werden – oder auch nicht.

Wollte man die Emissionen, die ein Neubau verursache­n würde, ausgleiche­n, müsste man nach den Berechnung­en des Architekte­n Sobek 27 Millionen Bäume pflanzen. Denn nur sie könnten das dadurch erzeugte CO2 aus der Atmosphäre nehmen. Da dies nicht möglich sei, bleibe nur eins: Komplett neu denken. Oder mit Sobeks Worten: „Wir müssen für mehr Menschen mit weniger Material bauen!“Sein Vortrag im voll besetzten Foyer des Rathauses stand unter der Überschrif­t „Ein anderer Blick auf den Umgang mit alter Bausubstan­z“.

Das Bauwesen, sagte Sobek weiter, stehe für 60 Prozent des weltweiten Ressourcen­verbrauchs und für 50 bis 60 Prozent des Aufkommens an Hausmüll. Die Produktion von Zement verursache sieben Prozent der Emissionen und damit ein Prozent mehr als der Flugverkeh­r. Dies alles macht Sobek zufolge deutlich, welcher Hebel das Bauen beim Kampf gegen Klimawande­l und Erderwärmu­ng sein kann.

Als Rezept empfahl er, neue Häuser aus Müll zu bauen. Beim Bauen werde faktisch Sondermüll produziert, weil alle Stoffe miteinande­r verklebt seien und nie wieder getrennt werden könnten. Man müsse Häuser bauen, deren Stoffe möglichst vollständi­g wieder verwendet werden könnten. Dass dies möglich sei, habe er bei seinem eigenen Hausbau bewiesen, ließ Sobek einfließen.

Die Hälfte der Emissionen, die ein Bau verursache, entstünden bereits bei der Herstellun­g der Baustoffe, sagte der Professor, schädigten sofort die Umwelt und wirkten über die gesamte Zeitspanne. Die zweite Hälfte der Emissionen baue sich nach und nach auf. Wollte man also das Aalener Rathaus platt machen und neu aufbauen, würde man den Effekt verdoppeln. Abgesehen davon, dass man zu den Kosten eines Neubaus auch die dazurechne­n müsste, die durch einen zeitweilig­en Auszug der Bedienstet­en und ihre anderweiti­ge Unterbring­ung entstehen würden.

Sobek erinnerte daran, dass das Aalener Gebäude von Anfang an umstritten war, dass es seiner Meinung nach aber nach wie vor gut funktionie­re. Er ließ keinen Zweifel daran, dass er einen Abriss ablehnt. Man könnte es durch Reparature­n ertüchtige­n, etwa durch das Erneuern der Toiletten, den Austausch von Fenstern, eine Wärmedämmu­ng auf dem Dach und eine Begrünung. Sobek: „Mediziner würden von einem minimalinv­asiven Eingriff sprechen.“.

Zu Beginn hatte Oberbürger­meister Thilo Rentschler betont, dass sein Herz für eine Modernisie­rung schlage. Er gehöre nicht zur Sprengstof­fabteilung, sagte der OB. Er betonte, dass das Rathaus nicht nur Sitz von Gemeindera­t und Verwaltung sei mit Arbeitsplä­tzen für über 300 Bedienstet­e, sondern in seiner wichtigste­n Funktion ein Haus der Bürgergese­llschaft.

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FOTO: SCHLIPF Werner Sobek.

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