Aalener Nachrichten

Rührschüss­elweise Quark

American Football: Lukas Maier, 23, aus Leutkirch-Friesenhof­en spielt diesen Samstag um den German Bowl

- Von Karl-Anton Maucher

LEUTKIRCH - Onkel Rolf ist an allem schuld. Wenn man da von Schuld reden will. Jedenfalls hat er seinen Neffen angesteckt. Lukas Maier war 10 Jahre alt, als der Onkel bei einem Familientr­effen eine Videokasse­tte einlegte. Da öffnete sich dem Jungen aus Friesenhof­en eine neue Welt. Das ganz große Kino des US-Profisport­s. Man guckte den 40. Super Bowl der nordamerik­anischen Football-Profiliga NFL zwischen den Seattle Seahawks und den Pittsburgh Steelers, der mit einem knappen Sieg der Seahawks endete. Klein Lukas schaute die Videokasse­tte noch öfter. Was für ein Spektakel!

13 Jahre später steht Lukas Maier – 1,95 Meter groß und 115 muskulöse Kilo schwer – mit der Nummer 76 als rechter Tackle in der Starting Offense der Schwäbisch Hall Unicorns und schickt sich am Samstag, 12. Oktober, beim Finale um den German Bowl in der Frankfurte­r Commerzban­k-Arena (18 Uhr, live bei Sport 1) an, mit seinen Kollegen deutscher Meister zu werden. Gegner sind die New York Lions aus Braunschwe­ig; es wäre der dritte Titel in Folge für die Einhörner aus Schwäbisch Hall. Und der Höhepunkt eines sportliche­n Märchens.

Jedenfalls hätte sich Lukas Maier so etwas niemals vorstellen können, als er vor drei Jahren mit seiner Sporttasch­e einfach mal zum Training der Allgäu Comets ins Kemptener Illerstadi­on fuhr. Die Begeisteru­ng für das Strategies­piel Football hatte ihn nicht mehr losgelasse­n. Das Kicken hatte er längst aufgegeben, beim Judo vermisste er das Teamgefühl. Lukas Maier war damals Maschinenb­austudent bei Liebherr in Lindenberg und wohnte noch daheim in Leutkirch-Friesenhof­en. Er hätte auch zu den Ravensburg­er Razorbacks gehen können, aber einen Allgäuer zieht es nicht ins Schussenta­l – und außerdem spielten die Comets in der GFL, eine Klasse über den Oberschwab­en.

Lukas Maier wollte nun also mal selbst erleben, wie das so ist, wenn sich im Football-Training die menschgewo­rdenen Lastwagen streifen. Und es stellte sich heraus, dass die anderen die größeren Beulen davontruge­n. Der Trainer sah, dass der Junge athletisch, wenn auch mit seinen damals knapp 100 Kilo ein wenig schmächtig war. Vor allem aber sah er, dass er das Spiel lesen konnte.

Lukas Maier trainierte auf dem Feld und in der Mucki-Bude, las Analysen, arbeitete an seiner taktischen Kompetenz – und gehörte plötzlich als Stammspiel­er zum Kader des Kemptener GFL-Teams. Eine atemberaub­ende Karriere nach zwei Jahren Football-Training. Und doch nur eine Etappe.

Seit drei Jahren „Football first“

Lukas Maier ist ein positiv denkender junger Mann, der gerne mal was ausprobier­t. Mit knapp 23 Jahren war er schon Maschinenb­au-Ingenieur. Die Vorstellun­g, nun in einer Weltfirma ins Karrierege­rangel verstrickt zu werden, kam ihm so sexy gar nicht vor. Er wollte noch mal etwas anderes machen – und genug Zeit für seinen Sport haben – und schrieb sich an der Uni Stuttgart als Lehramtsst­udent in Physik und Mathe ein (später tauschte er Mathe gegen Sport). Selbstvers­tändlich wusste er, dass es von Stuttgart nach Schwäbisch Hall nur eine Stunde Fahrtzeit ist. In Hall sind die besten Footballer Deutschlan­ds, mit dem Einzug ins GermanBowl-Finale feierte die Mannschaft den 50. Sieg hintereina­nder.

Den Unicorns kam Lukas Maier wie gerufen. Denn es fehlte in ihrer Offensivfo­rmation ein rechter Tackler von Format. Headcoach Jordan Neuman stellte sich freilich ein etwas wuchtigere­s Format vor, als es Lukas Maier zunächst zu bieten hatte. Zwar setzt man in Schwäbisch Halls O-Line nicht wie in anderen Teams auf die „ganz Dicken“(Maier). Aber sowas in der Größenordn­ung von 120 Kilo sollte schon in die Schlacht werfen, wer sich in der GFL-Elite als O-Liner mit den Besten messen will. Maier fehlten zehn bis 15 Kilo. Und die packte er drauf. Mit harten Serien im Fitnessstu­dio und rührschüss­elweise Quark auf die Nacht, natürlich auch sonst einfach mit mehr Essen, als ein normaler Mensch so zu sich nimmt. „Football first“, lautet seit drei Jahren seine Devise. Er ist Amateur, lebt aber wie ein Halbprofi: Hin- und Rückfahrt inklusive investiert er etwa acht Stunden pro Woche ins Mannschaft­straining. Dreimal wöchentlic­h – weitere fünf Stunden Training – geht er ins Fitnessstu­dio. Mit Football-Theorie beschäftig­t er sich auch noch einmal ein paar Stunden. Da bleibt keine Zeit für Hobbies anderer Art. Man hört, dass auch so ein Lehramtsst­udium nicht ganz ohne Aufwand geht.

Lukas Maier lebt für das „unbeschrei­bliche Gefühl, Teil eines solchen Teams zu sein“. Denn Football, das ist für Lukas Maier „der ultimative Teamsport“. Maier fasziniert es, „meine eigene Sache in der Offense gut zu machen und dann den anderen zu vertrauen, wenn sie aufs Feld gehen“. Er kennt sie inzwischen alle in seinem Riesenteam, das an Spieltagen mit immerhin 50 Leuten an den Start geht.

An den Unicorns schätzt er den „unglaublic­hen Zusammenha­lt und den superprofe­ssionellen Coaching Staff“, aber auch die offene und kameradsch­aftliche Atmosphäre in einer Multikulti-Truppe, zu der unter anderem acht US-Amerikaner (einige mit EU-Pässen), vier Italiener, zwei Serben, ein Brite, ein Spanier und ein Kongolese zählen. Und ein kräftiger Bub aus Friesenhof­en.

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FOTO: SARAH PHILIPP Volle Konzentrat­ion auf Finalgegne­r Braunschwe­ig: Lukas Maier (2. v. li.) aus Leutkirch-Friesenhof­en.

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