Offensive mit Bumerang-Effekt
Die türkische Regierung betrachtet die Militärintervention in Syrien als legitimes Mittel, um kurdische Extremisten im Nachbarland zu bekämpfen und die Rückkehr syrischer Flüchtlinge in ihr Heimatland zu ermöglichen. Doch Ankara wird die gewünschten Ziele kaum erreichen können.
Erstens verfolgt die Türkei mit dem Einsatz völlig unrealistische politische Ziele. Zwar hat die Türkei ein berechtigtes Interesse daran, sich vor der kurdischen Terrororganisation PKK und deren Ableger YPG zu schützen. Doch der Einmarsch wird das PKK-Problem nicht lösen. Ohne politische Initiativen zur Lösung der Kurdenfrage wird die Wirkung des Angriffs rasch verpuffen. Westlich vom jetzigen Einsatzgebiet hält die Türkei seit mehr als drei Jahren Teile Syriens besetzt, ohne dass Ankara diese Gegenden befrieden konnte.
Zweitens hat sich Ankara mit der Militäraktion international isoliert: US-Politiker arbeiten sogar an Sanktionen gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan persönlich. Ankara wurde von den überwiegend negativen Reaktionen kalt erwischt. Wegen der Kritik des Westens fehlt auch die finanzielle Unterstützung, die für die Umsiedlung syrischer Flüchtlinge in die geplante „Sicherheitszone“nötig wäre. Ohne Frieden in ganz Syrien werden die meisten Flüchtlinge ohnehin in der Türkei bleiben wollen. Und falls der sogenannte Islamische Staat wegen der türkischen Offensive seine Macht wieder ausbaut und Gefangene befreit, wird Ankara international am Pranger stehen.
Drittens wird Erdogans Regierung ihre innenpolitischen Probleme mithilfe des Syrien-Feldzugs nicht lösen. Die meisten Türken nehmen die Intervention nur als notwendiges Übel hin, von Kriegsbegeisterung ist nichts zu sehen. Wichtiger ist ihnen die schlechte Lage der Wirtschaft – und da hilft der Krieg nicht, im Gegenteil: Die türkische Lira verliert wegen der US-Sanktionsdrohungen an Wert. Zudem hat Erdogan hohe Erwartungen an eine baldige Rückführung von Millionen Flüchtlingen geweckt, die er kaum erfüllen kann. Die Syrien-Intervention könnte sich für ihn als Bumerang erweisen.