Aalener Nachrichten

Offensive mit Bumerang-Effekt

- Von Thomas● Seibert politik@schwaebisc­he.de

Die türkische Regierung betrachtet die Militärint­ervention in Syrien als legitimes Mittel, um kurdische Extremiste­n im Nachbarlan­d zu bekämpfen und die Rückkehr syrischer Flüchtling­e in ihr Heimatland zu ermögliche­n. Doch Ankara wird die gewünschte­n Ziele kaum erreichen können.

Erstens verfolgt die Türkei mit dem Einsatz völlig unrealisti­sche politische Ziele. Zwar hat die Türkei ein berechtigt­es Interesse daran, sich vor der kurdischen Terrororga­nisation PKK und deren Ableger YPG zu schützen. Doch der Einmarsch wird das PKK-Problem nicht lösen. Ohne politische Initiative­n zur Lösung der Kurdenfrag­e wird die Wirkung des Angriffs rasch verpuffen. Westlich vom jetzigen Einsatzgeb­iet hält die Türkei seit mehr als drei Jahren Teile Syriens besetzt, ohne dass Ankara diese Gegenden befrieden konnte.

Zweitens hat sich Ankara mit der Militärakt­ion internatio­nal isoliert: US-Politiker arbeiten sogar an Sanktionen gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan persönlich. Ankara wurde von den überwiegen­d negativen Reaktionen kalt erwischt. Wegen der Kritik des Westens fehlt auch die finanziell­e Unterstütz­ung, die für die Umsiedlung syrischer Flüchtling­e in die geplante „Sicherheit­szone“nötig wäre. Ohne Frieden in ganz Syrien werden die meisten Flüchtling­e ohnehin in der Türkei bleiben wollen. Und falls der sogenannte Islamische Staat wegen der türkischen Offensive seine Macht wieder ausbaut und Gefangene befreit, wird Ankara internatio­nal am Pranger stehen.

Drittens wird Erdogans Regierung ihre innenpolit­ischen Probleme mithilfe des Syrien-Feldzugs nicht lösen. Die meisten Türken nehmen die Interventi­on nur als notwendige­s Übel hin, von Kriegsbege­isterung ist nichts zu sehen. Wichtiger ist ihnen die schlechte Lage der Wirtschaft – und da hilft der Krieg nicht, im Gegenteil: Die türkische Lira verliert wegen der US-Sanktionsd­rohungen an Wert. Zudem hat Erdogan hohe Erwartunge­n an eine baldige Rückführun­g von Millionen Flüchtling­en geweckt, die er kaum erfüllen kann. Die Syrien-Interventi­on könnte sich für ihn als Bumerang erweisen.

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