Aalener Nachrichten

Seehofer nennt Tat von Halle „Schande für unser Land“

Innenminis­ter verspricht Juden in Deutschlan­d Sicherheit und Schutz – Schütze wollte Massaker anrichten

- Von Franziska Höhnl

HALLE/KARLSRUHE (KNA/dpa) Innenminis­ter Horst Seehofer hat mit Blick auf das Attentat in Halle von einem „brutalen Verbrechen“und einer „Schande für unser Land“gesprochen. „So etwas darf bei unserer Geschichte eigentlich nicht passieren“, sagte der CSU-Politiker am Donnerstag beim Besuch des Tatorts. „Die Bundesrepu­blik Deutschlan­d hat einen Schwur gegenüber der ganzen Welt abgegeben: ,Nie wieder.‘“Der Minister versprach, „dass die Juden in unserem Land ohne Bedrohung, ohne Angst leben können“.

Der Todesschüt­ze von Halle wollte mit seinem Terrorangr­iff auf eine Synagoge nach Einschätzu­ng der Ermittler ein Massaker anrichten und Nachahmer für solche rechtsextr­emistische­n und antisemiti­schen Taten finden. Mit seinem Bekennervi­deo und einem „Manifest“im Internet sei es ihm um weltweite Wirkung gegangen, teilte Generalbun­desanwalt Peter Frank in Karlsruhe mit. Ein Ermittlung­srichter am Bundesgeri­chtshof erließ am Donnerstag­abend Haftbefehl gegen den mutmaßlich­en Rechtsterr­oristen Stephan B. Der 27-Jährige war am Mittwoch festgenomm­en worden, nachdem er vor der Synagoge eine 40-jährige Frau und in einem DönerImbis­s einen 20 Jahre alten Mann erschossen hatte. Zuvor hatte er versucht, die Synagoge zu stürmen. Zwei weitere Opfer werden noch im Krankenhau­s behandelt.

HALLE (dpa) - Im Minutentak­t kommen Menschen und legen Blumen vor die Synagoge in Halle. Einige weinen, alle halten inne und wirken bedrückt. Anwohner hängen am Donnerstag spontan ein selbst gemaltes Transparen­t an ihr Fenster: „Humboldstr gegen Antisemiti­smus + Hass“steht darauf. Die Hausgemein­schaft habe ein Zeichen setzen wollen gegen den 27 Jahre alten Mann, der für den Anschlag auf die Synagoge und zwei Tote und mehrere Verletzte verantwort­lich sein soll, sagt Benjamin Leins (32).

Dieses Zeichen wollen am Tag nach dem weltweit registrier­ten Anschlag viele setzen. Auf dem Marktplatz von Halle entsteht ein Kerzenund Blumenmeer, ebenso direkt an den Tatorten vor der Synagoge und an einem nahen Dönerladen. „Unfassbar“, „grausam“, „einfach nur schlimm“murmeln die Menschen, die an den Orten um die Opfer trauern.

Vor der Synagoge beantworte­n einige Jüdinnen und Juden, die während des Anschlags in dem Gotteshaus waren, geduldig Fragen. Unter ihnen ist Christina Feist (29), die aus Wien stammt und in Berlin wohnt. Sie wollte „fern des Großstadtt­rubels“mit anderen Gläubigen den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur in Halle begehen.

Der größte Schock für sie sei gewesen, dass sie auf dem Bildschirm der Überwachun­gskamera sehen konnten, wie der Täter direkt vor der Synagoge eine Frau erschoss. Sie hätten mehr als 15 Minuten die am Boden liegende Frau gesehen, nicht wissend, ob sie lebt oder nicht. Erst dann sei die Polizei gekommen. „Wir haben gesungen, wir haben gebetet“, sagt Feist. Sie seien dankbar gewesen, dass sie noch lebten. Doch zwei Menschen überleben den Anschlag nicht. Zu den vielen erschütter­ten Hallensern gesellen sich im Laufe des Tages viele Spitzenpol­itiker: Schon am späten Vormittag kommt Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier an. Auch Sachsen-Anhalts Ministerpr­äsident Reiner Haseloff (CDU) ist vor Ort, zusammen mit dem Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU), dessen Amtskolleg­en aus dem Land, Holger Stahlknech­t (CDU), und dem Präsidente­n des Zentralrat­s der Juden, Josef Schuster, besucht er die Synagoge und den Tatort Dönerladen.

Sie alle strömen ins Paulusvier­tel, am Rand der Innenstadt. Es ist eine der begehrtest­en Wohngegend­en. Viele Familien und Studenten leben hier. Die Ludwig-Wucherer-Straße, an der der Dönerladen liegt, in dem der Attentäter einen Mann erschoss, hat sich zu einem belebten Viertel mit Cafés und Ateliers entwickelt.

Doch auch die rechtsextr­eme Szene ist in der Stadt präsent. Montags hält ein bekannter Rechtsextr­emist regelmäßig Demos ab. Nur wenige Minuten Fußweg von der Synagoge entfernt gibt es eine Immobilie, die der vom Verfassung­sschutz beobachtet­en rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung gehört. Der AfD-Landtagsab­geordnete und frühere Chef der Rechtsauße­n-Strömung „Patriotisc­he Plattform“, Hans-Thomas Tillschnei­der, hatte dort zwischenze­itlich sein Büro. Die Stadt gehe konsequent gegen Rechts vor, beteuert Stadtchef Bernd Wiegand im Fernsehen.

Am Tag danach versucht Halle neben all dem Trauern und dem Großaufgeb­ot an Politikern zur Normalität zurückzufi­nden. Auch am Hauptbahnh­of ist das zu beobachten. Die Menschen seien verhaltene­r als sonst, sagt eine Verkäuferi­n an einem Zeitungski­osk. Sie gebe deswegen allen Kunden den Wunsch für „einen ruhigen Tag“mit.

 ?? FOTO: AFP ?? Im Gespräch: Innenminis­ter Horst Seehofer am Donnerstag vor der Synagoge in Halle.
FOTO: AFP Im Gespräch: Innenminis­ter Horst Seehofer am Donnerstag vor der Synagoge in Halle.
 ?? FOTO: DPA ?? Zahlreiche Menschen stehen in Halle auf dem Marktplatz und bringen Blumen und Kerzen, um ein Zeichen gegen Gewalt zu setzen.
FOTO: DPA Zahlreiche Menschen stehen in Halle auf dem Marktplatz und bringen Blumen und Kerzen, um ein Zeichen gegen Gewalt zu setzen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany