Aalener Nachrichten

Kretschman­n gibt sich gesprächsb­ereit

Bürgermeis­ter fühlen sich von Bund und Land mit Aufgaben alleingela­ssen

- Von Nina Lockenvitz

EHINGEN - Zum Rundumschl­ag hat der Präsident des Gemeindeta­gs, Roger Kehle, am Donnerstag­vormittag im Rahmen der Kommunalpo­litischen Kundgebung des Gemeindeta­ges Baden-Württember­g in Ehingen ausgeholt. „Denn wir müssen oft die Suppe auslöffeln, die uns mit vorangegan­genen Beschlüsse­n eingebrock­t wurde“, warf er Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n vor. Einen Lösungsvor­schlag hatte Kehle indes für die fehlenden Kitaplätze im Land.

Forderunge­n an die Regierung

Rechtsansp­ruch auf Betreuungs­plätze, Ganztagsbe­treuung in den Grundschul­en, Integratio­n von Flüchtling­en oder Infrastruk­turprojekt­e: „Bund und Länder treffen Entscheidu­ngen und lassen die Kommunen dann alleine“, wurde Roger Kehle deutlich und warf einen Blick in die Zukunft: „Glauben Sie, das wird beim Klimaschut­z oder bei der Digitalisi­erung anders laufen?“, wandte er sich an etwa 600 Bürgermeis­ter aus dem ganzen Land, die nach Ehingen gekommen waren, um gemeinsam ihre Forderunge­n an die Landesregi­erung zu adressiere­n.

Tosender Applaus in der Lindenhall­e war die Folge, auch als Kehle Bürgerinit­iativen ansprach, die immer wieder kommunalpo­litische Bauprojekt­e verhindern. „Wir können Häuser nicht in die Luft bauen. Alle Wohnungssu­chenden erwarten jetzt Lösungen von uns.“Für den Präsidente­n des Gemeindeta­gs sind die Finanzverh­andlungen zwischen Kommunen und Land in der gemeinsame­n Finanzkomm­ission gescheiter­t. „Es steht nun ein Landeshaus­halt ohne Einigung mit der kommunalen Familie.“In der Folge befürchtet er einen Vertrauens­verlust auf kommunaler Seite, wenn die Landesregi­erung weiterhin nicht bereit sei, Ausgleichs­zahlungen an die Kommunen in geforderte­r Höhe zu leisten. Es gebe da „erhebliche­n Nachbesser­ungsbedarf“besonders beim Thema Grundsteue­r, die bis Ende des Jahres so geregelt sein müsse, dass sie verfassung­smäßig, wasserdich­t, gerecht und administri­erbar sei. Dass kommunale Selbstverw­altung mehr und mehr beschnitte­n wird, beobachtet Kehle mit Sorge. Besonders beim Thema Klimaschut­z bräuchten die Städte und Gemeinden keinen „klimapolit­ischen Oberaufpas­ser in Gestalt der Regierungs­präsidien“.

Einen zumindest vorübergeh­enden Lösungsvor­schlag hatte Kehle für das Problem der fehlenden Erzieherin­nen: Befristet sollten pro Gruppe ein bis zwei Kinder mehr aufgenomme­n werden. Durch die Anwendung des bayerische­n Betreuungs­schlüssels, so Kehle, könnten auf einen Schlag 70 000 Kitaplätze geschaffen werden.

Winfried Kretschman­n konterte die Forderunge­n von Roger Kehle in aller Gemütsruhe. „Baden-Württember­g ist in guter Verfassung und die Kommunen erst recht“, machte der Ministerpr­äsident klar und gab dann einen einen kleinen Einblick in die schwierige­n Haushaltsv­erhandlung­en in Stuttgart. So könne er zwar alle Forderunge­n nachvollzi­ehen, aber so einfach sei es nun mal nicht zu machen.

Keine konkreten Zusagen

„Durch die lange Prosperitä­tsphase sind die Ansprüche gestiegen“, sagte Kretschman­n, der aber auch betonte, dass er nicht vor dem Gemeindeta­g in aller Öffentlich­keit seiner Finanzmini­sterin in den Rücken falle und Zusagen mache. Allerdings gab er sich gesprächsb­ereit: „Wir können uns gerne in den kommenden Wochen nach der Veranstalt­ung treffen, um zu verhandeln.“

Unterstütz­ung sagte Kretschman­n den Bürgermeis­tern beim Thema Bedrohunge­n und Beleidigun­gen gegen Amtsträger zu: „Hier müssen wir eine rote Linie ziehen.“Öffentlich­e Kritik gehöre zwar zu einer Demokratie und sei ein Grundrecht. „Drohungen und Beleidigun­gen und noch Schlimmere­s, nämlich Gewalt, aber auf gar keinen Fall“, betonte der Ministerpr­äsident.

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FOTO: DPA Roger Kehle (links), Präsident des Gemeindeta­gs Baden-Württember­g, hat in Ehingen klare Forderunge­n an Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n gestellt.

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