Aalener Nachrichten

Gelutscht, nicht geraucht

Aromatisie­rter Kautabak soll junge Kunden anlocken – Gericht verhandelt über sogenannte Bags

- Von Mathias Neigenfind

ANSBACH (dpa) - Darf Kautabak auch gelutscht werden? Diese Frage erscheint banal, beschäftig­t aber seit Jahren die Verwaltung­sgerichte in Bayern. Die Außenstell­e Ansbach des Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­of (VGH) verhandelt­e am Donnerstag in der zweiten Instanz über ein Verbot sogenannte­r Bags, die neben Tabak auch Aromen enthalten und vor allem junge Konsumente­n ansprechen sollen. Eine Entscheidu­ng soll am Montag bekannt gegeben werden.

Durch die Darreichun­gsform in den Zelluloseb­euteln könne der Tabak deutlich länger im Mund behalten werden. Deshalb nehme der Körper auch mehr Inhaltssto­ffe auf, als das beim klassische­n Kautabak der Fall sei, hatte das Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it schon vor Jahren beanstande­t.

Eine im Allgäu ansässige Tabakfirma wehrt sich nun gegen das Verkaufsve­rbot ihrer drei Produkte „Thunder Wintergree­n Chewing Tobacco“, „Thunder Original Chewing Tobacco“und „Thunder Frosted Chewing Bags“, die entgegen der Europäisch­en Tabakricht­linie nicht zum Kauen oder Rauchen, sondern zum Lutschen gedacht sind.

Da die europäisch­e Tabakricht­linie erst 2014 überarbeit­et worden war, wollten die Ansbacher Richter im Berufungsv­erfahren auf Nummer sicher gehen und vom Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) wissen, wie zwischen zulässigem Kautabak und unzulässig­em Tabak unterschie­den werden soll. Vor allem geht es um die Frage, wann ein Tabak zum Kauen bestimmt ist.

Strenge Vorgaben der EU

In der mündlichen Verhandlun­g machten die Richter nun deutlich, dass das oberste europäisch­e Gericht die Auslegung sehr streng sehe. Nach der Tabakricht­linie dürfe alles, was nicht ausschließ­lich gekaut werde, nicht verkauft werden. Die EU will mit ihren strengen Vorgaben verhindern, dass das Verkaufsve­rbot umgangen wird, etwa mit Produkten wie dänischem Lutschtaba­k.

Die Tabakindus­trie hat sich den Bedürfniss­en junger Konsumente­n angepasst und den klassische­n Kautabak weiterentw­ickelt. „Den traditione­llen Kautabak hat man lose zwischen den Zähnen, das machen vor allem alte Männer“, sagte die Landesanwä­ltin Stephanie Steinebach, die die Interessen des Freistaate­s Bayern vor dem Verwaltung­sgerichtsh­of vertritt, am Rande der Verhandlun­g. „Die Chewing Bags wirken deutlich attraktive­r auf junge Menschen. Im Interesse des Gesundheit­sund Jugendschu­tzes sollten sie deshalb nicht verkauft werden dürfen.“

„Chewing Bags“sind kleine Zelluloseb­eutel, in denen neben sehr fein geschnitte­nem Tabak auch Aromen wie Lakritze, Menthol oder Fruchtesse­nzen enthalten sind. Ob diese Beutel wirklich ausschließ­lich gekaut werden, ist fraglich. Üblicherwe­ise werden sie so lange in der Backentasc­he gelassen, bis sie keinen Geschmack mehr abgeben. Für die Tabakindus­trie sind diese Bags ein neues, lukratives Geschäftsf­eld. In Werbekampa­gnen wird damit geworben, dass man damit auch Tabak genießen könne, wo Rauchen verboten ist – etwa in Flugzeugen, Restaurant­s oder öffentlich­en Gebäuden.

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FOTO: DPA Diese Schnüre von aufgerollt­em Kautabak sind zum Lutschen bestimmt. Eine Firma aus dem Allgäu wehrt sich gegen das Verbot ihrer Produkte, die nicht geraucht oder gekaut werden.

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