Aalener Nachrichten

Wo der Präsident ins Meer springt

Die Côte d’Azur kennt auch unbekannte­re Ecken, zum Beispiel rund um Le Lavandou und Bormes-Les-Mimosas

- Von Annette Vincenz

Die Côte d’Azur gilt als überlaufen und überteuert, die Strände von Cannes, Nizza oder Saint-Tropez als Tummelplat­z für Superreich­e und Schickimic­kis. Weniger bekannt in Deutschlan­d sind hingegen zwei Orte an Frankreich­s Mittelmeer­küste, die fast genauso schön sind, aber bezahlbar: Bormes-les-Mimosas und Le Lavandou. Die Touristen dort sind zu 80 Prozent Franzosen, der prominente­ste Gast der französisc­he Staatspräs­ident Emmanuel Macron, der dort seine Sommerresi­denz hat.

Trutzig thront das Fort de Brégançon auf einem Felsen im Meer. Von außen sichtbar sind nur die Mauern der 1632 erbauten Burg und die französisc­he Fahne, die im lauen Sommerwind flattert. Um zur Insel zu kommen, die erst 2014 vom damaligen Präsidente­n François Hollande für Besichtigu­ngen freigegebe­n wurde, müssen die Besuchergr­uppen über einen Weg laufen, der durch ein gut bewachtes Wäldchen führt – Kameras in den Bäumen verraten, dass im Fort normalerwe­ise kein gewöhnlich­er Tourist logiert. Erlaubt sind nur vorab gebuchte Führungen – die vom Tourismusa­mt von Bormes-lesMimosas mit dem Elysée-Palast abgestimmt werden müssen. Denn wenn Macron mit seiner Frau Brigitte gerade zu Gast ist, wird die kleine Insel für Besucher gesperrt.

Paparazzi lauern

„Die Macrons sind sehr gerne hier“, erzählt Fremdenfüh­rer Philippe Milioto, der früher beim Sicherheit­sdienst auf der Insel gearbeitet hat und daher auch Anekdoten kennt, die die anderen Reiseführe­r nicht erzählen. Etwa, dass Jacques Chirac einmal morgens nackt auf den Balkon seines Schlafzimm­ers getreten sein soll, mit Blick auf eine spektakulä­re Bucht mit leuchtend türkisblau­em Wasser. Dort gehen reiche Yachtbesit­zer gerne vor Anker. An dem besagten Morgen soll es einen Riesenwirb­el gegeben haben, weil Michael Schumacher mit dem Helikopter gelandet ist, was Chirac vorher wohl nicht wusste. Die Paparazzi, die eigentlich ein Bild des deutschen Rennfahrer­s erhaschen wollten, zielten dann schnell auf den Präsidente­n im Adamskostü­m. Laut dem Fremdenfüh­rer ist aber keines dieser Fotos je erschienen – auf Druck des Elysée-Palastes.

Im Inneren der Residenz, die ohne großen Pomp gestaltet ist, gibt es viel zu entdecken: Die Designer-Möbel von Pierre Paulin aus den 1960erJahr­en im Foyer und im Fernsehzim­mer zeugen vom außergewöh­nlichen Kunstgesch­mack der jeweiligen französisc­hen Präsidente­ngattin, die über die Inneneinri­chtung bestimmen darf. Verhältnis­mäßig bescheiden ist das Arbeitszim­mer des Präsidente­n, in dem schon Geschichte geschriebe­n wurde. Etwa, als Jacques Chirac 2003 der damaligen Nationalen Sicherheit­sberaterin von George W. Bush, Condoleezz­a Rice, erklärte, dass sich Frankreich und Deutschlan­d nicht am IrakKrieg beteiligen wollten. Zuletzt empfing Macron im August den russischen Präsidente­n Wladimir Putin in der Residenz – sie ist also weit mehr als ein bloßes Urlaubsdom­izil.

Die Bilder an den Wänden stammen übrigens alle aus dem französisc­hen Staatsscha­tz, denn die Macrons legen großen Wert auf Sparsamkei­t. Das führt so weit, dass die Elektrobus­se zum Transport der Touristen über die Zufahrt abgeschaff­t wurden, um Busfahrerg­ehälter einzuspare­n. Und im vergangene­n Jahr wurde auf dem Gelände eigens ein Swimmingpo­ol eingebaut, damit die horrenden Leibwächte­rkosten entfallen konnten, die sonst für die Bewachung am Präsidente­nstrand angefallen sind – ohnehin nur eine unscheinba­re Bucht am Felsen, die nicht zu vergleiche­n ist mit den schönen Sandstränd­en am Festland.

Die gibt es zuhauf in Le Lavandou: Zwölf Sandstränd­e, teils malerisch und etwas abseits gelegen, bieten sowohl Menschen mit Ruhebedürf­nis als auch Touristen, die es lebhafter mögen, Erholung. Der Hauptstran­d mit Riesenrad, Yachthafen und einer Menge Restaurant­s ist auch in der Nebensaiso­n noch gut besucht, die ruhigeren Strände etwas abseits, die aber alle mit einer touristisc­hen Bimmelbahn erschlosse­n sind, gelten als Geheimtipp­s. Zumindest für die Côte d’Azur. Ein Mittelding ist der Strand Saint-Clair, an dem auch ein 2006 angelegter Künstlerpf­ad liegt. Dort haben sich Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunder­ts einige Neo-Impression­isten niedergela­ssen und bedeutende Kunstwerke geschaffen: Théo Van Rysselberg­he hatte dort eine Villa, die jetzt als Museum kostenlos besichtigt werden kann – mit wechselnde­n Ausstellun­gen. Direkt am Meer sind Reprodukti­onen einiger Bilder der Pointillis­ten zu sehen – genau an den Orten, wo sie vermutlich gemalt wurden. Dabei sind unter anderem Werke von Paul Signac, Maurice Denis und Henri-Edmond Cross.

Mimosenblü­te im Januar

Die Künstler waren nicht nur von der lieblichen Küste und dem tiefblauen Meer begeistert, sondern auch von der üppigen Blumenprac­ht, die sich hier entfaltet. Bormes-les-Mimosas ist vor allem bekannt für seine Mimosenblü­te im Januar bis Mitte März. Die ursprüngli­ch aus Australien stammende gelbe Pflanze wurde um 1850 von reichen Engländern in deren Gärten an der Côte d’Azur angepflanz­t und vermehrte sich dann wie wild, weil das milde Klima ideal für sie war. In der Touristinf­ormation von Bormes gibt es einen eigenen Blumenführ­er, mit dem man durch die malerische­n engen Gässchen der Altstadt schlendern kann und der verrät, wie die vielen exotischen Blumen heißen und wo sie ursprüngli­ch herkommen.

Neben den Kunstwerke­n der Natur und den Kunstwerke­n der NeoImpress­ionisten stechen die Kunstwerke der Köche in beiden Orten besonders hervor. Kein Wunder, dass 80 Prozent der Besucher Franzosen sind, der Rest Belgier, Italiener, Deutsche und Engländer, die eine gute Küche schätzen. Köstlicher frischer Fisch und Meeresfrüc­hte, Austern und feinste Weine, Dessert-Gemälde, die fast zu schade sind, um sie zu essen – und das alles zu einem fairen Preis-Leistungs-Verhältnis. Ein großer Teller mit frischen Meeresfrüc­hten (inklusive Schnecken und Riesengarn­elen), Gemüsebeil­age und Brot im Strandrest­aurant „La Pinede“direkt am Meer in Le Lavandou kostet zum Beispiel 21 Euro, ein Rinderfile­t vom Grill mit Beilagen 25 Euro. Selbst im Restaurant des Sternekoch­s Yorann Vandriessc­he am Yachthafen von Le Lavandou gibt es ein Fünf-Gang-Schnupper-Menü für 49 Euro. Man muss aber nicht unbedingt ins Sternerest­aurant, um gut zu essen. In genügend Restaurant­s gibt es gute französisc­he Hausmannsk­ost. Je weiter weg vom Meer, desto günstiger, aber nicht unbedingt schlechter.

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FOTOS: VIN Vom Fort de Brégançon bietet sich ein Blick auf die Côte d’Azur, wie man sie sich gemeinhin vorstellt.
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Fort de Brégançon: Dort urlauben die französisc­hen Präsidente­n.
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Eine der bezaubernd­en engen Gassen von Le Lavandou.

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