Aalener Nachrichten

Planungssi­cherheit dringend gewünscht

Warum eine Unternehme­rin von der Politik enttäuscht ist

- Von Ulrich Mendelin

Die neuen Regeln wurden gerade erst beschlosse­n: Im Juli hat der Bundestag das „Gesetz über Duldung bei Beschäftig­ung und Ausbildung“verabschie­det. Es soll arbeitende­n Flüchtling­en, die kein Asyl bekommen haben, eine Bleibepers­pektive eröffnen. Aus Sicht von Antje von Dewitz handelt es sich aber lediglich um ein „Gesetzchen“. Die Chefin des Tettnanger OutdoorAus­rüsters Vaude machte auf dem Podium zum Thema Arbeitsmar­kt und Migration beim Bodensee Business Forum in Friedrichs­hafen klar, dass sie mehr erwartet hätte: „Die Politik hat alle Unternehme­n alleine gelassen.“

Von Dewitz spricht für die Initiative „Bleiberech­t durch Arbeit“, der 170 Firmen angehören. Firmen, die Flüchtling­e beschäftig­en und Planungssi­cherheit fordern. Stattdesse­n sind ihre neu gefundenen Mitarbeite­r ständig von Abschiebun­g bedroht. In ihrem Betrieb gelte das für etwa die Hälfte der 13 Flüchtling­e, so von Dewitz. Vielen Betroffene­n helfe die Neuregelun­g gar nicht, da sie noch im laufenden Asylverfah­ren sind und nicht, wie vom Gesetz gefordert, als abgelehnte Asylbewerb­er in der Duldung. Gewünscht hätte sich von Dewitz eine Stichtagsr­egelung für arbeitende Flüchtling­e, die vor einem bestimmten Zeitpunkt in Deutschlan­d gewesen seien.

Die hätte auch Annette Widmann-Mauz gerne gehabt. „Aber dafür gab es damals keine Mehrheit“, stellte die Integratio­nsbeauftra­gte der Bundesregi­erung fest. Sie saß neben von Dewitz auf dem Podium und beteuerte, eine „praktikabl­e Lösung“anzustrebe­n. „Aber wir müssen uns auch ehrlich machen: Das Aufenthalt­srecht für Geflüchtet­e geht nicht davon aus, dass jeder, der hierherkom­mt, auch bleiben darf.“Man debattiere ja nicht im luftleeren Raum, so Widmann-Mauz: „Es gibt Leute, die wollen keine Zuwanderun­g.“

Den Einwurf von Moderator Ulrich Reitz, ob die Regierungs­parteien ihren Kurs von der AfD mitbestimm­en lassen, die Rechtspopu­listen womöglich schon stillschwe­igend mitregiere­n, wies die CDU-Politikeri­n zurück: „Ich habe keine Angst vor der AfD.“Die beiden weiteren Gäste des Podiums, die Dresdner Literaturw­issenschaf­tlerin Marina Münkler und der Schweizer Aktivist Stefan ManserEgli warnten beide davor, sich auf die Argumentat­ion von Rechtsauße­n einzulasse­n. Marina Münkler hat 2016 mit ihrem Mann, dem Historiker Herfried Münkler, einen Bestseller über „Die neuen Deutschen“veröffentl­icht und hat nach eigener Aussage bei jeder Lesung auch Auseinande­rsetzungen mit Pegida-Anhängern. „Ich habe mir schnell angewöhnt, hart zu sein“, sagte sie. „Die wollen unsere Republik verändern, da sollten wir nicht zurückweic­hen.“Auch Manser-Egli weicht nicht zurück, seine Operation Libero nahm bei Volksabsti­mmungen mehrfach einen Gegenpart zur rechten SVP ein, nachdem die Rechtsauße­npartei zuvor eine Initiative gegen „Masseneinw­anderung“gewonnen hatte. „In der Schweiz haben danach alle Parteien begonnen, Migration zu problemati­sieren“, berichtete er. „Wir haben nicht über Migration gesprochen, sondern über Bürgerrech­te.“Und waren damit bei folgenden Abstimmung­en, etwa über eine Abschiebun­g auch nach Kleinstdel­ikten, erfolgreic­h.

In Baden-Württember­g muss Unternehme­rin von Dewitz mit dem neuen „Gesetzchen“zunächst einmal leben. Die Politik habe aber Spielraum, betonte sie. „Ich wünsche mir, dass die bestehende Rechtslage so gelebt wird, dass sie in der Realität mehr Sinn macht.“

 ?? FOTO: CHRISTIAN FLEMMING ?? Arbeitsmar­kt und Migration – Wege zum Erfolg: Darüber sprechen mit Moderator Ulrich Reitz (von rechts) Antje von Dewitz, Annette Widmann-Mauz (CDU), Stefan Manser-Egli und Marina Münkler.
FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Arbeitsmar­kt und Migration – Wege zum Erfolg: Darüber sprechen mit Moderator Ulrich Reitz (von rechts) Antje von Dewitz, Annette Widmann-Mauz (CDU), Stefan Manser-Egli und Marina Münkler.

Newspapers in German

Newspapers from Germany