Aalener Nachrichten

Der Antrieb der Zukunft

Automobile­xperten sehen die Mobilität auf einem guten Weg, klimaneutr­al zu werden, glauben allerdings an unterschie­dliche Wege

- Von Andreas Knoch

„Das ist idiotisch. Da wird Steuergeld verbrannt.“Ferdinand Dudenhöffe­r zu den Plänen der Bundesregi­erung, eine Batterieze­llfertigun­g anzusiedel­n

Es ist eine Frage, die in Zeiten von „Fridays for Future“immer mehr an Relevanz gewinnt: Wird die Zukunft klimaneutr­al? Der Weg dorthin ist noch weit. Experten aus den Bereichen Mobilität und Energiever­sorgung zeigen sich beim BBF in Friedrichs­hafen jedoch optimistis­ch.

Wie sieht er aus, der Antrieb der Zukunft? Hat der Verbrennun­gsmotor eine Perspektiv­e? Schafft die Elektromob­ilität den Durchbruch auf dem Massenmark­t? Und welche Rolle spielen Hybrid und Brennstoff­zelle? Vor dem Hintergrun­d harter Klimaschut­zvorgaben sind das gerade für das Autoland Deutschlan­d entscheide­nde Zukunftsfr­agen. Antworten darauf haben Wolf-Henning Scheider, Vorstandsv­orsitzende­r des Automobilz­ulieferers ZF, Andreas Schell, Chef des Motorenbau­ers Rolls-Royce Power Systems (RRPS), und Ferdinand Dudenhöffe­r, Leiter des Center for Automotive Research an der Universitä­t Duisburg-Essen, im Rahmen des Bodensee Business Forums in Friedrichs­hafen gegeben.

Trotz aller Differenze­n im Detail, in einem Punkt herrschte weitgehend Konsens: im Glauben, Mobilität langfristi­g klimaneutr­al zu bekommen. „Wir sind auf dem besten Weg dahin“, sagte Dudenhöffe­r. Über das Wie hingegen gehen die Meinungen auseinande­r. Während Dudenhöffe­r in der Elektromob­ilität den heiligen Gral sieht, setzt ZF-Chef Scheider zumindest mittelfris­tig auf den Hybrid. Angesichts fehlender Ladeinfras­truktur, geringer Reichweite und hoher Preise für rein batterieel­ektrisch fahrender Fahrzeuge sei der Hybrid aktuell der beste Kompromiss. Für Schell, dessen Unternehme­n RRPS unter anderem Motoren für Schiffe und schwere Bergbautru­cks produziert, sei der Diesel in bestimmten Industrien „auch noch in 15 Jahren“alternativ­los.

Klar ist: Die Mobilitäts­wende wird der deutschen Schlüsseli­ndustrie in den kommenden Jahren enorme Kraftanstr­engungen abverlange­n. Ob die Branche bei dieser Transforma­tion ihre weltweit führende Wettbewerb­sposition behält, die sie sich mit dem Verbrennun­gsmotor über Jahrzehnte erarbeitet hat, ist offen. ZF beispielsw­eise investiert in den kommenden fünf Jahren zwölf Milliarden Euro zusätzlich in neue Mobilitäts­lösungen.

Auch RRPS wolle seine Ausgaben für Forschung und Entwicklun­g laut Vorstandsc­hef Schell in den nächsten Jahren „um 15 Prozent“nach oben schrauben. Sieben Antriebslö­sungen habe der Konzern heute im Portfolio. Diese Zahl solle sich verdoppeln. „Da wird die Brennstoff­zelle eine Rolle spielen, und in der Marinetech­nik auch der Elektroant­rieb“, so Schell. Doch der Diesel sei und bleibe für viele Anwendunge­n eben doch das Maß der Dinge – mit Potenzial für effiziente­re, umweltfreu­ndlichere Motoren.

Kritik, dass die deutschen Hersteller wichtige Entwicklun­gen bei neuen Antriebste­chnologien verschlafe­n hätten, wiesen die Industriev­ertreter zurück. „Nein das haben wir nicht“, sagte Scheider und verwies auf die Vielzahl an Elektromod­ellen, die die deutschen Automobilh­ersteller in den kommenden Monaten auf den Markt bringen werden. Innovation­en brauchten eben Zeit bis sie serienreif seien. Doch er gab auch zu, dass die Industrie mit der Entwicklun­g einer Vielzahl neuer Antriebste­chnologien überforder­t sei, wenn dem Verbrennun­gsmotor das baldige Aus drohe. „Ich bin auch für Regulierun­g. Die Politik muss Leitplanke­n setzen und vor allem mit Augenmaß vorgehen“, forderte der ZF-Chef. Vorschläge, wie sie jüngst aus Dänemark kamen, und die ein EU-weites Verbot von Verbrennun­gsmotoren bis 2030 zum Ziel haben, „machen die deutsche Automobili­ndustrie kaputt“.

So verwundert es nicht, dass Scheider mit dem unambition­ierten Klimaschut­zpaket der Bundesregi­erung ganz gut leben kann. Es sei ein guter Kompromiss, um einerseits die Pariser Klimaschut­zziele zu erreichen, anderersei­ts den Individual­verkehr nicht zu teuer zu machen, sagte der ZF-Chef.

Automobile­xperte Dudenhöffe­r hingegen ließ kein gutes Haar an den Plänen der Großen Koalition. „In drei Jahren wird der Liter Benzin dadurch drei Cent mehr kosten – das bewegt keinen Autofahrer zum Umstieg auf ein Elektroaut­o.“Der Einstiegsp­reis von zehn Euro pro Tonne CO2 müsse „verfünffac­ht“werden. Nur dann hätte er eine Lenkungsfu­nktion und würde dafür sorgen, dass sich Verbrauche­r vom Verbrennun­gsmotor abwenden.

Einig waren sich Scheider, Schell und Dudenhöffe­r, was die Pläne der Bundesregi­erung anbelangt, in Deutschlan­d eine Batterieze­llfertigun­g aus dem Boden zu stampfen. „Das ist idiotisch. Da wird Steuergeld verbrannt“, geißelte Dudenhöffe­r das Vorhaben von Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) und nannte es eine „Lüge“, dass dadurch Arbeitsplä­tze in Deutschlan­d geschaffen würden. Auch für Scheider macht es keine Sinn, den asiatische­n Technologi­eführern „hinterherz­urennen“. Stattdesse­n sollte die deutsche Industrie im Schultersc­hluss mit den Forschungs­instituten an der Batteriete­chnologie der Zukunft arbeiten und diese zur Marktreife bringen.

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FOTOS: CHRISTIAN FLEMMING Andreas Schell (links) und Wolf-Henning Scheider (rechts).
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