Minister Untersteller verteidigt Entwurf zum Artenschutz
Artenschutz wird im Landtag und auf der Oberschwabenschau heftig diskutiert
STUTTGART (dpa) - Eine Umsetzung der grün-schwarzen Eckpunkte zum Artenschutz würde BadenWürttemberg aus Sicht von Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) zum Vorreiter im Artenschutz machen. „Kein Land in Deutschland plant auch nur annähernd ein so umfassendes Maßnahmenpaket“, sagte er am Mittwoch im Landtag. Die Eckpunkte der Regierung würden teils noch weiter gehen als der Gesetzesentwurf des vorerst auf Eis gelegten Volksbegehrens „Rettet die Bienen“. „Das ist kein Kompromiss, sondern das ist eine Weiterentwicklung“, sagte Untersteller.
RAVENSBURG - Das Volksbegehren „Rettet die Bienen“liegt vorerst auf Eis, die Umweltschützer zeigen sich dialogbereit mit der grün-schwarzen Landesregierung. Nun wollen sie gemeinsam an einem Gesetzesentwurf arbeiten. Vom Tisch ist die Diskussion um die Umweltschutzziele damit dennoch nicht. Viele Landwirte fühlen sich missverstanden und fürchten um ihre Existenz. Nachdem der Landtag am Mittwochmittag über den Artenschutz debattierte, haben am frühen Abend Vertreter aus Politik, Naturschutz und Landwirtschaft teils heftig in der Oberschwabenhalle in Ravensburg diskutiert.
Am zweiten Agrarfachtag der Oberschwabenschau entfacht eine hitzige Debatte über das Volksbegehren bei einer Podiumsdiskussion. Entsprechend groß ist der Andrang von Zuhörern im Bierzelt der Halle acht. „Wir werden durch die Forderungen des Volksbegehrens in unserer Existenz bedroht“, sagt Birgit Locher. Die Junglandwirtin aus Oberteuringen (Bodenseekreis) betreibt Acker- und Obstbau und züchtet Schweine. Für ihre Aussagen erntet sie immer wieder heftigen Applaus aus dem Bierzelt der größten Landwirtschaftsund Verbrauchermesse Süddeutschlands.
Aufgeheizte Stimmung im Bierzelt
Mit dem Kompromiss und den Eckpunkten der Landesregierung ist sie auch nicht einverstanden: „Ich werde mein grünes Kreuz nicht abstellen, denn Artenschutz darf nicht auf dem Rücken der Landwirte ausgetragen werden.“Mit dem Spritzen von Pestiziden seien die Bauern bereits am Limit, um die von den Verbrauchern erwartete Qualität der Lebensmittel einzuhalten. „Am Ende entscheidet der Preis“, sagt Locher, und die kleinen Betriebe könnten den Wettbewerb beim notwendigen Nachrüsten für die Naturschutzziele nicht mitmachen.
Sylvia Pilarsky-Grosch, Landesgeschäftsführerin des BUND BadenWürttemberg, widerspricht der Landwirtin: „Dass sich die kleineren Betriebe auch eine entsprechende Nachrüstung leisten können, ist Teil der Aufgabe einer Pestizidvermeidungsstrategie der Regierung.“Landwirte sollten sich nicht immer so stark betroffen fühlen, sagt sie – und erntet lautstarke Buhrufe aus dem Bierzelt.
Pilarsky-Grosch zeigt sich zufrieden mit dem Kompromissvorschlag der Landesregierung. Das Volksbegehren könne zwar nicht mehr gestoppt werden – Unterschriften werden weiterhin in den Rathäusern angenommen – aber der BUND werbe nicht länger dafür.
Marco Eberle vom Landesbauernverband zeigt sich ebenfalls gesprächsbereit. Pauschale Antworten auf komplexe Fragen dürfe es jedoch nicht geben, sagt er. „Aussagen wie ‚Die Landwirte töten die Bienen‘ stimmen einfach nicht. Auf der politischen Bühne dürfen keine Kriegsdebatten geführt werden.“Zu politischen Entscheidungen gehöre auch, dass einige Bürger unzufrieden seien.
Unabhängig von der Pestiziddebatte werde insgesamt zu wenig für den Naturschutz ausgegeben, sagt Moritz Ott, Biodiversitätsmanager des Landschaftserhaltungsverbands Ravensburg: „Vor unserer Haustür herrscht ein massives Artensterben.“Die Ausgaben für nachhaltigen Ackerbau seien durch die grün-schwarze Landesregierung bereits verdreifacht worden, hält die Grünen-Landesvorsitzende Sandra Detzer dagegen. Deutschland dürfe nicht das Land in Europa bleiben, in dem am günstigsten Lebensmittel verkauft werden. „Die Wertschätzung für regionale Produkte macht sich auch am angemessenen Preis in den Supermarktregalen bemerkbar“, sagt sie.
Die Debatte über den Artenschutz ist vielfältig. Die Forderungen des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“umfassen zahlreiche Ziele, welche die Landesregierung mit ihren Eckpunkten abgeschwächt hat. Umstrittene Passagen – wie die drastische Reduzierung von Pestiziden – wurden angepasst. Der entsprechende Gesetzesentwurf soll laut Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) im ersten Quartal 2020 fertig sein.
Kommenden Dienstag, 22. Oktober, werde der Eckpunkteplan bereits dem Kabinett zur Abstimmung vorgelegt, wie Andreas Schwarz, Vorsitzender der Grünen-Landtagsfraktion, der „Schwäbischen Zeitung“ schon am Mittag am Rande der Landtagsdebatte in Stuttgart sagte. Agrarminister Peter Hauk (CDU) hatte zuvor betont, dass BadenWürttemberg das modernste Land in Deutschland beim Artenschutz sei, sollten die Eckpunkte tatsächlich umgesetzt werden. Den Anstoß dazu hätten die Initiatoren des Volksbegehrens ganz maßgeblich gegeben.
Unterschriftenaktion ruht vorerst
Die Umweltaktivisten haben bereits seit drei Wochen Unterschriften für das Volksbegehren gesammelt, was sie nun nicht mehr tun wollen. Damit der Gesetzesentwurf der Bienenfreunde dennoch dem Landtag zur Abstimmung vorgelegt wird, müssen diesen etwa 770 000 Menschen unterschreiben, etwa jeder zehnte Wahlberechtigte im Land. Sollten sich Initiatoren und Landesregierung jedoch tatsächlich auf einen Gesetzesentwurf einigen, wird es dazu wahrscheinlich nicht mehr kommen.
„Artenschutz darf nicht auf dem Rücken der Landwirte ausgetragen werden.“Birgit Locher, Junglandwirtin aus Oberteuringen