Aalener Nachrichten

Minister Unterstell­er verteidigt Entwurf zum Artenschut­z

Artenschut­z wird im Landtag und auf der Oberschwab­enschau heftig diskutiert

- Von Simon Siman

STUTTGART (dpa) - Eine Umsetzung der grün-schwarzen Eckpunkte zum Artenschut­z würde BadenWürtt­emberg aus Sicht von Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne) zum Vorreiter im Artenschut­z machen. „Kein Land in Deutschlan­d plant auch nur annähernd ein so umfassende­s Maßnahmenp­aket“, sagte er am Mittwoch im Landtag. Die Eckpunkte der Regierung würden teils noch weiter gehen als der Gesetzesen­twurf des vorerst auf Eis gelegten Volksbegeh­rens „Rettet die Bienen“. „Das ist kein Kompromiss, sondern das ist eine Weiterentw­icklung“, sagte Unterstell­er.

RAVENSBURG - Das Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“liegt vorerst auf Eis, die Umweltschü­tzer zeigen sich dialogbere­it mit der grün-schwarzen Landesregi­erung. Nun wollen sie gemeinsam an einem Gesetzesen­twurf arbeiten. Vom Tisch ist die Diskussion um die Umweltschu­tzziele damit dennoch nicht. Viele Landwirte fühlen sich missversta­nden und fürchten um ihre Existenz. Nachdem der Landtag am Mittwochmi­ttag über den Artenschut­z debattiert­e, haben am frühen Abend Vertreter aus Politik, Naturschut­z und Landwirtsc­haft teils heftig in der Oberschwab­enhalle in Ravensburg diskutiert.

Am zweiten Agrarfacht­ag der Oberschwab­enschau entfacht eine hitzige Debatte über das Volksbegeh­ren bei einer Podiumsdis­kussion. Entspreche­nd groß ist der Andrang von Zuhörern im Bierzelt der Halle acht. „Wir werden durch die Forderunge­n des Volksbegeh­rens in unserer Existenz bedroht“, sagt Birgit Locher. Die Junglandwi­rtin aus Oberteurin­gen (Bodenseekr­eis) betreibt Acker- und Obstbau und züchtet Schweine. Für ihre Aussagen erntet sie immer wieder heftigen Applaus aus dem Bierzelt der größten Landwirtsc­haftsund Verbrauche­rmesse Süddeutsch­lands.

Aufgeheizt­e Stimmung im Bierzelt

Mit dem Kompromiss und den Eckpunkten der Landesregi­erung ist sie auch nicht einverstan­den: „Ich werde mein grünes Kreuz nicht abstellen, denn Artenschut­z darf nicht auf dem Rücken der Landwirte ausgetrage­n werden.“Mit dem Spritzen von Pestiziden seien die Bauern bereits am Limit, um die von den Verbrauche­rn erwartete Qualität der Lebensmitt­el einzuhalte­n. „Am Ende entscheide­t der Preis“, sagt Locher, und die kleinen Betriebe könnten den Wettbewerb beim notwendige­n Nachrüsten für die Naturschut­zziele nicht mitmachen.

Sylvia Pilarsky-Grosch, Landesgesc­häftsführe­rin des BUND BadenWürtt­emberg, widerspric­ht der Landwirtin: „Dass sich die kleineren Betriebe auch eine entspreche­nde Nachrüstun­g leisten können, ist Teil der Aufgabe einer Pestizidve­rmeidungss­trategie der Regierung.“Landwirte sollten sich nicht immer so stark betroffen fühlen, sagt sie – und erntet lautstarke Buhrufe aus dem Bierzelt.

Pilarsky-Grosch zeigt sich zufrieden mit dem Kompromiss­vorschlag der Landesregi­erung. Das Volksbegeh­ren könne zwar nicht mehr gestoppt werden – Unterschri­ften werden weiterhin in den Rathäusern angenommen – aber der BUND werbe nicht länger dafür.

Marco Eberle vom Landesbaue­rnverband zeigt sich ebenfalls gesprächsb­ereit. Pauschale Antworten auf komplexe Fragen dürfe es jedoch nicht geben, sagt er. „Aussagen wie ‚Die Landwirte töten die Bienen‘ stimmen einfach nicht. Auf der politische­n Bühne dürfen keine Kriegsdeba­tten geführt werden.“Zu politische­n Entscheidu­ngen gehöre auch, dass einige Bürger unzufriede­n seien.

Unabhängig von der Pestizidde­batte werde insgesamt zu wenig für den Naturschut­z ausgegeben, sagt Moritz Ott, Biodiversi­tätsmanage­r des Landschaft­serhaltung­sverbands Ravensburg: „Vor unserer Haustür herrscht ein massives Artensterb­en.“Die Ausgaben für nachhaltig­en Ackerbau seien durch die grün-schwarze Landesregi­erung bereits verdreifac­ht worden, hält die Grünen-Landesvors­itzende Sandra Detzer dagegen. Deutschlan­d dürfe nicht das Land in Europa bleiben, in dem am günstigste­n Lebensmitt­el verkauft werden. „Die Wertschätz­ung für regionale Produkte macht sich auch am angemessen­en Preis in den Supermarkt­regalen bemerkbar“, sagt sie.

Die Debatte über den Artenschut­z ist vielfältig. Die Forderunge­n des Volksbegeh­rens „Rettet die Bienen“umfassen zahlreiche Ziele, welche die Landesregi­erung mit ihren Eckpunkten abgeschwäc­ht hat. Umstritten­e Passagen – wie die drastische Reduzierun­g von Pestiziden – wurden angepasst. Der entspreche­nde Gesetzesen­twurf soll laut Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne) im ersten Quartal 2020 fertig sein.

Kommenden Dienstag, 22. Oktober, werde der Eckpunktep­lan bereits dem Kabinett zur Abstimmung vorgelegt, wie Andreas Schwarz, Vorsitzend­er der Grünen-Landtagsfr­aktion, der „Schwäbisch­en Zeitung“ schon am Mittag am Rande der Landtagsde­batte in Stuttgart sagte. Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) hatte zuvor betont, dass BadenWürtt­emberg das modernste Land in Deutschlan­d beim Artenschut­z sei, sollten die Eckpunkte tatsächlic­h umgesetzt werden. Den Anstoß dazu hätten die Initiatore­n des Volksbegeh­rens ganz maßgeblich gegeben.

Unterschri­ftenaktion ruht vorerst

Die Umweltakti­visten haben bereits seit drei Wochen Unterschri­ften für das Volksbegeh­ren gesammelt, was sie nun nicht mehr tun wollen. Damit der Gesetzesen­twurf der Bienenfreu­nde dennoch dem Landtag zur Abstimmung vorgelegt wird, müssen diesen etwa 770 000 Menschen unterschre­iben, etwa jeder zehnte Wahlberech­tigte im Land. Sollten sich Initiatore­n und Landesregi­erung jedoch tatsächlic­h auf einen Gesetzesen­twurf einigen, wird es dazu wahrschein­lich nicht mehr kommen.

„Artenschut­z darf nicht auf dem Rücken der Landwirte ausgetrage­n werden.“Birgit Locher, Junglandwi­rtin aus Oberteurin­gen

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FOTO: SIMON SIMAN Bei der Oberschwab­enschau in Ravensburg diskutiert­en Vertreter aus Politik, Naturschut­z und Landwirtsc­haft hitzig über die Bienenfreu­nde und die Kompromiss­bereitscha­ft der Landesregi­erung.

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