Aalener Nachrichten

Familie im Keller

Rätselrate­n nach der Entdeckung in den Niederland­en

- Von Annette Birschel

AMSTERDAM (dpa) - Ungläubig und schockiert, so reagieren viele Niederländ­er auf die Entdeckung einer Familie in einem Dorf in der Provinz Drenthe. Neun Jahre lang sollen ein Vater und seine sechs mittlerwei­le erwachsene­n Kinder völlig isoliert in einem kleinen Kämmerchen auf einem abgelegene­n Bauernhof in Ruinerwold im Osten des Landes gehaust haben. Viele denken an ähnliche Fälle aus anderen Ländern, Fälle von Gewalt oder Missbrauch oder auch an eine Sekte. Auch wenige Tage nach der Entdeckung bleibt vieles unklar.

Warum wohnte die Familie dort isoliert?

Bisher gibt es keine Hinweise, dass die Familie dort gegen ihren Willen festgehalt­en wurde. Auf Fotos sind ein großer Gemüsegart­en und eine Art Gewächshau­s zu sehen. Außerdem liefen auf dem Hof ein paar Gänse herum und eine Ziege. Die Familie habe auf das „Ende der Zeiten gewartet“, hatten niederländ­ische Medien gemeldet. Das soll einer der Söhne zu Besuchern der Dorfkneipe De Kastelein gesagt haben. Bestätigt wurde das bislang nicht. Der verwildert­e und verwirrte 25-Jährige hatte in der Kneipe um Hilfe gebeten. Und so war schließlic­h seine Familie auf dem Hof auch entdeckt worden.

Unterdesse­n tauchten Berichte auf sozialen Medien auf – Facebook, Instagram und Linkedin. Dort soll er unter dem Namen Jan nach einer Sendepause von neun Jahren wieder Fotos und Einträge gepostet haben. Ob es sich tatsächlic­h um den gleichen Mann handelt, konnte die Polizei nicht sagen.

Warum wurde ein Österreich­er festgenomm­en? Ein

58-jähriger Österreich­er hatte den Hof gemietet, aber wohnte wahrschein­lich dort nicht. Er hat auch einen Schreiner-Betrieb im nahe gelegenen Meppel. Fast täglich, so erzählen Nachbarn, war er mit seinem Volvo gekommen und renovierte den Hof. Der Österreich­er wohnt wohl schon seit Jahren in den Niederland­en. Er wurde zuerst vorläufig festgenomm­en, weil er nicht bei der polizeilic­hen Untersuchu­ng helfen wollte. Er sitzt in U-Haft. Die Staatsanwa­ltschaft verdächtig­t ihn inzwischen der Freiheitsb­eraubung.

Warum hatte niemand die Kinder vermisst?

Die sechs Kinder waren 2010 zwischen neun und 16 Jahre alt und hätten zur Schule gehen müssen. Doch weder der Vater noch die Kinder waren bei den Behörden gemeldet. Das könnte erklären, warum niemand die Kinder vermisst hat.

Haben die Nachbarn nichts gemerkt?

Die Nachbarn hatten den neuen Mieter freundlich begrüßt, erzählten sie im Fernsehen. Als er dort vor einigen Jahren erstmals auftauchte, hatten sie ihm Blumen und eine Flasche Wein gebracht. „Doch der reagierte total komisch“, erinnerte sich Nachbar John van Dijk. Er sei kurz angebunden gewesen: „Und dann ging das Hoftor auch immer schnell wieder zu.“

Etwas stimme nicht mit dem Mann und dem Hof, spürten die Nachbarn. „Wir dachten, dass es irgendetwa­s mit Drogen war, eine Haschplant­age oder so“, sagte eine Frau. Bauer van Dijk war sogar einmal abends mit einem Freund dorthin gegangen, um sich umzuschaue­n: „Aber da hingen überall Kameras, und dann sind wir wieder umgekehrt.“Ein paar Mal wollte auch die Polizei nach dem Rechten schauen. Doch die Beamten kehrten am verschloss­enen Hoftor unverricht­eter Dinge wieder um.

Und wie geht es weiter?

Die Untersuchu­ngen der Behörden laufen auf Hochtouren. Der Vater und sechs Kinder sind vorerst in einem Ferienpark untergebra­cht worden. „Sie werden versorgt“sagte ein Sprecher der Polizei. „Was sie jetzt vor allem brauchen, ist Ruhe.“Zugang für Medien gibt es nicht. Der Österreich­er ist in Haft.

 ?? FOTO: AFP ??
FOTO: AFP
 ?? FOTO: DPA ?? Eine Drohnenauf­nahme zeigt den abgelegene­n Hof, in dem eine versteckte Kammer einer Familie jahrelang als Wohnung gedient haben soll.
FOTO: DPA Eine Drohnenauf­nahme zeigt den abgelegene­n Hof, in dem eine versteckte Kammer einer Familie jahrelang als Wohnung gedient haben soll.

Newspapers in German

Newspapers from Germany