Vorwürfe gegen AfD bei Antisemitismus-Debatte
Bericht des Landesbeauftragten Blume im Landtag löst scharfe Kontroverse aus
STUTTGART - Alle gegen die AfD: Die Partei distanziere sich nicht ausreichend von Antisemitismus, sie säe Hass und Fremdenfeindlichkeit. In diesem Vorwurf waren sich Grüne, CDU, SPD und FDP am Mittwoch im Stuttgarter Landtag einig. Sie debattierten hitzig über den ersten Bericht des Landesbeauftragten für Antisemitismus. Vor dem Wortgefecht rief Muhterem Aras (Grüne) die Anwesenden zunächst jedoch dazu auf, der Opfer des antisemitisch, rassistischen Anschlags in Halle (Saale) in einer Schweigeminute zu gedenken.
Schwarz erinnert an Fall Gedeon
Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz warf der AfD vor, sich nicht klar von Antisemitismus zu distanzieren. Sein Beispiel: Wolfgang Gedeon. Der Landtagsabgeordnete gehört noch der Partei, aber nicht mehr der Fraktion an. Diese hatte sich zwischenzeitlich im Streit um seine antisemitischen Schriften gespalten. „Erst vor wenigen Wochen stimmten neun Mitglieder dafür, ihn wieder in die Fraktion aufzunehmen. Das zeigt, dass die AfD nichts verstanden hat“, sagte Schwarz. Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zeigte auf die AfD. „Wer Hass sät, wird Gewalt ernten“, sagte er. Als Beispiele nannte er unter anderem Zitate von AfD-Parteichef Alexander Gauland, der den Nationalsozialismus „als Vogelschiss in unserer über eintausendjährigen Geschichte“abgetan habe, oder Wolfgang Gedeon, der die Entfernung der Stolpersteine gefordert habe. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke kritisierte, dass die AfD nicht die Kraft habe, sich von antisemitischen Äußerungen zu distanzieren. Wolfgang Reinhart, CDUFraktionschef, stimmte ihm zu und riet der AfD, sich von diesen Teilen der Partei abzugrenzen.
Der Fraktionsvorsitzende der AfD, Bernd Gögel, wies die Vorwürfe zurück. Die Zitate seien aus dem Zusammenhang gerissen worden. Er warf den anderen Fraktionen Stimmungsmache und Hetze gegen die AfD vor. Die Debatte im Landtag halte er für heuchlerisch.
Anlass der Debatte war der erste Bericht des Antisemitismus-Beauftragten des Landes Michael Blume. In diesem gibt er Empfehlungen zur Bekämpfung von Judenfeindlichkeit ab. Unter anderem schlägt er dort vor, Bereiche der Bildung zu modernisieren, indem Schulbücher überarbeitet und Fortbildungen für Lehrer angeboten werden. Besonders wichtig sei es, den Kontakt zwischen Schülern und Juden zu fördern und beispielsweise einen Austausch von Baden-Württemberg und Israel zu organisieren.
Außerdem lautet eine Empfehlung, die Wanderausstellung „Nakba“zu überarbeiten. Sie zeigt die Flucht der Palästinenser nach der Staatsgründung Israels. Schon seitdem die Ausstellung im Jahr 2013 von dem Verein „Flüchtlingskinder im Libanon“erstellt wurde, werden immer wieder Vorwürfe der Einseitigkeit laut. Blume meint, dass auch Schicksale von jüdischen Menschen darin gezeigt werden sollten – nicht nur die der Palästinenser. Der Verein kritisierte diese Stellungnahme: Blume erwecke damit den Eindruck, die Ausstellung sei antisemitisch, was sie nicht sei, schreibt der Verein. Schließlich sei die Ausstellung auch mit Geld vom Land erarbeitet worden.
Warnung vor Vorurteilen
Blume aber warnt in einem Antwortschreiben an den Verein: „Ohne eine ausgewogene Betrachtung dieses komplexen Konflikts könnten Besucher der Ausstellung mit einem Israelbild konfrontiert werden, welches antisemitische Stereotype verstärkt.“Für den sozialpolitischen Sprecher der Landtagsgrünen Thomas Poreski ist die Ausstellung einseitig, aber nicht antisemitisch: „Wir werden mit unserem Antisemitismusbeauftragten Blume das Gespräch suchen.“
Der Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden, Rami Suliman, sagte nach der Debatte, er schaue positiv in die Zukunft. Die Debatte habe gezeigt, dass Gesellschaft und Politik auf der Seite der jüdischen Gemeinde stünden. „Wir fühlen uns nicht allein.“