Monsieur und Madame kommen voran
Der deutsch-französische Ministerrat in Toulouse hat im Streit um Rüstungsexporte eine Einigung erzielt
PARIS - Angela Merkel und Emmanuel Macron schienen sich Mut machen zu wollen. Vor dem deutschfranzösischen Ministerrat in Toulouse besuchten die Bundeskanzlerin und der Präsident eine Fertigungsstraße des Flugzeugbauers Airbus. Das deutsch-französische Vorzeigeprojekt sollte signalisieren, dass Deutschland und Frankreich zusammen durchaus erfolgreich sein können. Die beiden Nachbarn brauchen momentan genau diesen Erfolg für Projekte der Zukunft wie das neue gemeinsame Kampfflugzeug. Im Bereich der Verteidigung ist die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern derzeit am engsten – und hier kamen Merkel und Macron bei ihrem Treffen in Toulouse auch am meisten voran. „Hier sind große historische Projekte vorangebracht worden“, lobte Merkel bei der gemeinsamen Pressekonferenz.
Gemeint waren nicht nur die Absichtserklärung für den künftigen gemeinsamen Kampfpanzer und weitere Schritte für den Bau des Kampfflugzeugs, sondern auch eine Grundsatzeinigung beim heiklen Thema Rüstungsexporte. „Das Abkommen ist Rahmen für Verlässlichkeit“, sagte Merkel, ohne Einzelheiten zu nennen. Ersten Informationen zufolge soll Deutschland gemeinsame Rüstungsprojekte künftig erst blockieren können, wenn der Anteil deutscher Zulieferungen bei über 20 Prozent liegt. Schon im Aachener Vertrag vom Januar hatten beide Länder vereinbart, einen „gemeinsamen Ansatz“bei Rüstungsexporten entwickeln zu wollen. Doch das Thema erwies sich als schwierig, denn Deutschland und Frankreich haben gerade bei den Rüstungsexporten einen völlig anderen Ansatz.
Streitpunkt Saudi-Arabien
Das zeigt der Fall Saudi-Arabien. Deutschland stoppte nach der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi vor einem Jahr seine Exporte in den Golfstaat, während Frankreich weiter Waffen nach Riad lieferte. Dahinter stehen unterschiedliche Mentalitäten: Während in Frankreich die Rüstungsindustrie ein Aushängeschild ist, wird sie in Deutschland eher kritisch gesehen. Dabei ist Deutschland der viertgrößte Waffenexporteur – nach Frankreich, das 2017 den dritten Platz zurückeroberte.
Die deutsche Haltung bedrohte auch Gemeinschaftsprojekte wie Kampfflugzeuge und Kampfpanzer. „Es ist nutzlos, durch verbesserte Kooperation zwischen Frankreich und Deutschland Waffen herzustellen, wenn man nicht in der Lage ist, sie zu exportieren“, kritisierte Wirtschaftsminister Bruno Le Maire im Frühjahr vor allem Richtung SPD, die einen Kompromiss blockierte. Eine Einigung in der Frage der Rüstungsexporte ist auch wichtig mit Blick auf die europäische Armee, die Macron 2017 in seiner Rede an der Sorbonne vorschlug und die von Kanzlerin Merkel unterstützt wird. Europa soll so unabhängiger von den USA werden, die unter ihrem Präsidenten Donald Trump ein unzuverlässiger Bündnispartner geworden sind.
Genau deshalb fordert Macron ein souveränes Europa, das er neben China, den USA und Russland auf Augenhöhe platzieren will. Auch wenn die Idee in der EU durchaus geteilt wird, ist Macrons Führungsanspruch umstritten. Zu eigenwillig prescht der Staatschef beispielsweise bei der EU-Erweiterung vor. So lehnte Frankreich Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien ab, worauf Deutschland mit Unverständnis reagierte. „Die Dinge müssen der Reihe nach angegangen werden“, forderte Macron in Toulouse. Über eine Krise in den deutsch-französischen Beziehungen will der Präsident aber nicht reden. „Ich höre, dass das deutsch-französische Verhältnis schwierig ist. Dabei ist es die Welt, die schwierig ist“, sagte der Staatschef. Er und Merkel sehen sich am Donnerstag in Brüssel wieder – zum dritten Mal in dieser Woche.