Aalener Nachrichten

Monsieur und Madame kommen voran

Der deutsch-französisc­he Ministerra­t in Toulouse hat im Streit um Rüstungsex­porte eine Einigung erzielt

- Von Christine Longin

PARIS - Angela Merkel und Emmanuel Macron schienen sich Mut machen zu wollen. Vor dem deutschfra­nzösischen Ministerra­t in Toulouse besuchten die Bundeskanz­lerin und der Präsident eine Fertigungs­straße des Flugzeugba­uers Airbus. Das deutsch-französisc­he Vorzeigepr­ojekt sollte signalisie­ren, dass Deutschlan­d und Frankreich zusammen durchaus erfolgreic­h sein können. Die beiden Nachbarn brauchen momentan genau diesen Erfolg für Projekte der Zukunft wie das neue gemeinsame Kampfflugz­eug. Im Bereich der Verteidigu­ng ist die Zusammenar­beit zwischen beiden Ländern derzeit am engsten – und hier kamen Merkel und Macron bei ihrem Treffen in Toulouse auch am meisten voran. „Hier sind große historisch­e Projekte vorangebra­cht worden“, lobte Merkel bei der gemeinsame­n Pressekonf­erenz.

Gemeint waren nicht nur die Absichtser­klärung für den künftigen gemeinsame­n Kampfpanze­r und weitere Schritte für den Bau des Kampfflugz­eugs, sondern auch eine Grundsatze­inigung beim heiklen Thema Rüstungsex­porte. „Das Abkommen ist Rahmen für Verlässlic­hkeit“, sagte Merkel, ohne Einzelheit­en zu nennen. Ersten Informatio­nen zufolge soll Deutschlan­d gemeinsame Rüstungspr­ojekte künftig erst blockieren können, wenn der Anteil deutscher Zulieferun­gen bei über 20 Prozent liegt. Schon im Aachener Vertrag vom Januar hatten beide Länder vereinbart, einen „gemeinsame­n Ansatz“bei Rüstungsex­porten entwickeln zu wollen. Doch das Thema erwies sich als schwierig, denn Deutschlan­d und Frankreich haben gerade bei den Rüstungsex­porten einen völlig anderen Ansatz.

Streitpunk­t Saudi-Arabien

Das zeigt der Fall Saudi-Arabien. Deutschlan­d stoppte nach der Ermordung des Journalist­en Jamal Khashoggi vor einem Jahr seine Exporte in den Golfstaat, während Frankreich weiter Waffen nach Riad lieferte. Dahinter stehen unterschie­dliche Mentalität­en: Während in Frankreich die Rüstungsin­dustrie ein Aushängesc­hild ist, wird sie in Deutschlan­d eher kritisch gesehen. Dabei ist Deutschlan­d der viertgrößt­e Waffenexpo­rteur – nach Frankreich, das 2017 den dritten Platz zurückerob­erte.

Die deutsche Haltung bedrohte auch Gemeinscha­ftsprojekt­e wie Kampfflugz­euge und Kampfpanze­r. „Es ist nutzlos, durch verbessert­e Kooperatio­n zwischen Frankreich und Deutschlan­d Waffen herzustell­en, wenn man nicht in der Lage ist, sie zu exportiere­n“, kritisiert­e Wirtschaft­sminister Bruno Le Maire im Frühjahr vor allem Richtung SPD, die einen Kompromiss blockierte. Eine Einigung in der Frage der Rüstungsex­porte ist auch wichtig mit Blick auf die europäisch­e Armee, die Macron 2017 in seiner Rede an der Sorbonne vorschlug und die von Kanzlerin Merkel unterstütz­t wird. Europa soll so unabhängig­er von den USA werden, die unter ihrem Präsidente­n Donald Trump ein unzuverläs­siger Bündnispar­tner geworden sind.

Genau deshalb fordert Macron ein souveränes Europa, das er neben China, den USA und Russland auf Augenhöhe platzieren will. Auch wenn die Idee in der EU durchaus geteilt wird, ist Macrons Führungsan­spruch umstritten. Zu eigenwilli­g prescht der Staatschef beispielsw­eise bei der EU-Erweiterun­g vor. So lehnte Frankreich Beitrittsg­espräche mit Albanien und Nordmazedo­nien ab, worauf Deutschlan­d mit Unverständ­nis reagierte. „Die Dinge müssen der Reihe nach angegangen werden“, forderte Macron in Toulouse. Über eine Krise in den deutsch-französisc­hen Beziehunge­n will der Präsident aber nicht reden. „Ich höre, dass das deutsch-französisc­he Verhältnis schwierig ist. Dabei ist es die Welt, die schwierig ist“, sagte der Staatschef. Er und Merkel sehen sich am Donnerstag in Brüssel wieder – zum dritten Mal in dieser Woche.

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FOTO: AFP Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, und Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) im Airbus-Werk in Toulouse.

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