Aalener Nachrichten

Kein Papier mehr für den Fiskus

Online-Steuerbera­ter bieten Privatkund­en automatisi­erte Buchhaltun­g an

- Von Finn Mayer-Kuckuk

BERLIN - Fast alles wird digital, für fast alles gibt es eine App. Der Trend erfasst auch das Berufsfeld der Steuerbera­ter. Das wiederum eröffnet neue Möglichkei­ten für digitalisi­erungsfreu­dige Privatkund­en. Eine aktuelle Studie des Instituts für Mittelstan­dsforschun­g in Bonn im Auftrag der Bundessteu­erberaterk­ammer kommt zu dem Schluss: „Die Digitalisi­erung hat auch den Beruf und das Wettbewerb­sumfeld des Steuerbera­ters umfassend verändert.“Praktisch alle befragten Kanzleien sind sich einig, dass die Geschäftsp­rozesse immer digitaler werden und die Datenschni­ttstellen zu den Finanzämte­rn immer größere Bedeutung erhalten.

Die konsequent­e Verlagerun­g von Prozessen in den Computer und die Nutzung digitaler Belege kann demnach rund vier Fünftel der Arbeit einsparen, schätzt der IT-Dienstleis­ter Datev. Die Effizienzg­ewinne lassen sich auch in Form günstigere­r Preise und einfachere­r Abläufe an den Kunden weitergebe­n. Ob die Online-Anbieter unterm Strich wirklich preiswerte­r sind, ist in der Branche indes umstritten. Für viele Kunden sind sie aber unbestritt­en praktisch. Auch die Finanzämte­r wünschen sich den Datenausta­usch inzwischen papierfrei und über den Draht.

Die Speerspitz­e des Trends bilden Steuerbera­tungen, die bereits rein digital auftreten und in erster Linie über das Netz zugänglich sind. In Deutschlan­d werben zwei Konkurrent­en besonders prominent um Kunden: Felix1.de und Steuerbera­ten.de. Beide Anbieter bieten ähnliche Leistungen, doch sie haben einen unterschie­dlichen Hintergrun­d.

Felix1 gehört zur ETL-Gruppe, dem deutschen Marktführe­r bei Steuerbera­tung mit einer knappen Milliarde Euro Umsatz. Das Unternehme­n hat sich 2014 eine Digitalspa­rte zugelegt, um eine junge und computerge­wöhnte Zielgruppe zu erreichen.

Steuerbera­ten.de ist dagegen schon 2006 als Neugründun­g des Internetze­italters entstanden und seitdem organisch gewachsen. Das Kölner Unternehme­n war seinerzeit der Pionier dieses Geschäftsm­odells. Das lief nicht ohne Konflikte ab. Die etablierte Konkurrenz warf dem Neuankömml­ing vor, die Steuerbera­tervergütu­ngsverordn­ung zu unterlaufe­n. Er musste vor Gericht klären lassen, dass auch seine Preisangeb­ote legal sind. „Dennoch schützt die Branche sich auch heute noch“, sagt Marketingc­hef Michael Mühl im Hinblick auf schwelende Auseinande­rsetzungen.

In der Praxis läuft der Einstieg ähnlich wie auf vielen anderen Webseiten – mit einigen branchenty­pischen Besonderhe­iten. Wer sich auf der Felix1-Webseite anmeldet, muss eine Online-Identifizi­erung über sich ergehen lassen und erhält wenig später von einem Steuerbera­ter eine detaillier­te Einweisung in die Webseite per Sprachchat. Dank Fernwartun­gs-Software sehen beide Seiten dabei den gleichen Bildschirm­inhalt.

Die Online-Plattform, die der Kunde später vorrangig zu sehen bekommt, heißt ETL-Pisa. Hinter den Kulissen arbeiten jedoch nicht nur Programme. Die entscheide­nden Schritte beim Verkehr mit dem Finanzamt führen Mitarbeite­r aus. Bei Felix1.de übernimmt eine ETL-Kanzlei aus der Region des Kunden die Betreuung hinter den Kulissen.

Belege werden per App gescannt

In dem Portal lädt der Kunde Belege hoch, stellt Rechnungen oder trägt sonstige Transaktio­nen ein. Das Scannen und Einreichen von Belegen geht auch über die eigene App. Nach einem Einkauf, der sich von der Steuer absetzen lässt, kann der Kunde also einfach das Handy zücken und den Kassenzett­el hochladen. Vorbei die Zeit, als Berge von Papierbele­gen über das Jahr langsam anwuchsen – und mit ihnen das schlechte Gewissen und die Furcht davor, „die Steuer“endlich angehen zu müssen.

Die Plattforme­n der Online-Steuerbera­ter können sich auch mit der Bank des Kunden verbinden und automatisc­h Kontobeweg­ungen auslesen. Nützlich für Einzelunte­rnehmer oder Freiberufl­er: Den Zahlungsei­ngang ordnet die Software anhand von Betrag und laufender Nummer automatisc­h einer Rechnung zu, wo möglich. Damit kommen auch Privatleut­e in den Genuss automatisi­erter Buchhaltun­g, die bisher größeren Unternehme­n vorbehalte­n war. Relevante Dokumente lassen sich einfach mit der Maus zum Berater hinüberzie­hen.

Die beiden großen Anbieter arbeiten jedoch nicht nur heftig an der Automatisi­erung der Arbeitssch­ritte, sondern sie bieten durchaus auch persönlich­en Kontakt zu den Fachleuten an. Schließlic­h tauchen bei den Kunden immer wieder Fragen auf. „Anfangs haben wir unterschät­zt, wie wichtig der persönlich­e Kontakt ist“, sagt Mühl. Die Programmie­rer haben daher nach und nach immer weiterreic­hende Möglichkei­ten zum Austausch geschaffen. Viele Fragen lassen sich über Nachrichte­n innerhalb des Systems oder per Chat lösen. Werden die Fragen komplizier­ter, dann fallen allerdings Extragebüh­ren an.

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FOTO: DPA Ein Vordruck für die Steuererkl­ärung liegt auf einem Schreibtis­ch. Ein Bild, das bald der Vergangenh­eit angehören könnte. Denn auch bei der Steuererkl­ärung werden die Prozesse zunehmend digitaler.

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