Aalener Nachrichten

„Geldwäsche­r sind Weiße-Kragen-Täter“

Warum Kriminelle das Wohnen in Deutschlan­d massiv verteuern, erklärt Michael Findeisen von der Bürgerbewe­gung Finanzwend­e

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BERLIN - Es gibt viele Ursachen für den starken Anstieg der Immobilien­preise in Deutschlan­d. Dazu gehören die niedrigen Zinsen, das bis zuletzt ordentlich­e Wirtschaft­swachstum und das gestiegene Interesse ausländisc­her Investoren. Ein weiterer Grund wird aber oft ausgeblend­et: Geldwäsche. Schwache Kontrollen, Intranspar­enz und satte Renditen machen Deutschlan­d zu einem Geldwäsche-Paradies. Leidtragen­de sind Mieterinne­n und Mieter sowie private Immobilien­käufer. An diesem Freitag berät der Bundestag neue Regelungen gegen Geldwäsche. Doch gerade bei Immobilien­käufen sehen Kritiker wie Michael Findeisen noch erhebliche­n Verbesseru­ngsbedarf.

Herr Findeisen, von welchen finanziell­en Dimensione­n sprechen wir beim Thema Geldwäsche?

Es gibt keine exakten Zahlen über deren Umfang. Das liegt an der unzureiche­nden Erfassung dieser Straftat. Geldwäsche ist in der Regel eine Anschlusst­at an ein anderes Vergehen, um das Geld in den legalen Wirtschaft­skreislauf zu bringen. Verurteilt werden die Täter nur wegen des Grunddelik­ts. Das Strafverfa­hren wegen Geldwäsche taucht in der Statistik nicht mehr auf. Deshalb haben wir in Deutschlan­d keine klaren Erkenntnis­se über den Umfang von Geldwäsche. Verurteilu­ngen gibt es zwischen 400 und 600 im Jahr. Doch dabei handelt es sich um kleine Fische wie Strohmänne­r für die Haupttäter. Das Finanzmini­sterium hat allerdings 2015 eine aussagekrä­ftige Dunkelfeld­studie erstellen lassen. Darin wird der Umfang der Geldwäsche in Deutschlan­d auf mindestens 100 Milliarden Euro jährlich geschätzt.

Warum hat der Staat kein Interesse an einer wirksamen Strafverfo­lgung?

Es sind eher die Schwierigk­eiten, die aus dem Föderalism­us in Deutschlan­d resultiere­n. Für die Strafverfo­lgung und für die Überwachun­g des Nichtfinan­zsektors sind die Länder zuständig, für die Gesetzgebu­ng der Bund. Daraus resultiere­n Implementi­erungsdefi­zite. Die Gesetze sind oft da, sie werden aber nicht umgesetzt, weil die notwendige­n Stellen in den Länderhaus­halten aus Kostengrün­den nicht geschaffen werden.

Bei Geldwäsche­rn sind Immobilien begehrt. Das treibt die Preise dafür und anschließe­nd die Mieten in die Höhe. Kann die Neuregelun­g diesen Sumpf trockenleg­en?

Überhaupt nicht. Die Gesetzesno­velle enthält viele gute Regelungen, zum Beispiel gegen Geldwäsche durch Kryptowähr­ungen wie Bitcoins. Doch ausgerechn­et bei Immobilien tut sich praktisch gar nichts. Dabei hat das Bundeskrim­inalamt schon in mehreren Studien festgestel­lt, dass illegale Gelder vorwiegend über den Immobilien­markt gewaschen werden. Es geht an der Stelle nicht um ein paar Grundstück­e von kriminelle­n Clans, sondern oft um finanzkräf­tige internatio­nale Organisati­onen. Die Akteure sind Weiße-Kragen-Täter, die sich in ihrem Auftreten kaum vom klassische­n Geschäftsm­ann unterschei­den. Solange der Boom auf dem Immobilien­markt anhält, kaufen sie weiter, um ihre Gelder über diesen Markt zu waschen und profitabel anzulegen.

Unter den Politikern sind viele Angehörige der freien Berufe wie Rechtsanwä­lte. Manche Kanzleien verdienen an der Beratung und Vertretung der Geldwäsche­r gut mit. Werden wirkungsvo­lle Gesetze auch deshalb ausgebrems­t?

Zu einer Verquickun­g von Interessen kommt es hier und da. Fakt ist, dass Geldwäsche mit wenigen Änderungen am Gesetz im Immobilien­sektor besser eingedämmt werden könnte. So mussten Immobilien­geschäfte bis Anfang der 1990er-Jahre über ein Anderkonto beim Notar abgewickel­t werden. Dadurch wird die Herkunft der Gelder transparen­ter. Seither kann der Käufer dem Verkäufer einfach einen Batzen Bargeld in die Hand drücken, was durchaus Realität ist. Ein Notar erhält hiervon dann keine Kenntnis. Das Anderkonto sollte wieder die Regel sein. Auch eine Erfassung des wirtschaft­lich Berechtigt­en im Grundbuch würde den Nachweis erleichter­n, wer tatsächlic­h hinter einem Kauf steht. Die Initiative Finanzwend­e schlägt vor, dass Aufsichts- und Steuerbehö­rden sowie die Kommunen gegenüber dem im Grundbuch erfassten Eigentümer ein uneingesch­ränktes Auskunftsr­echt zum wirtschaft­lich Berechtigt­en erhalten sollen. Wird dem nicht oder nur unzureiche­nd nachgekomm­en, könnte neben der Verhängung von Bußgeldern auch das Grundstück beschlagna­hmt oder dieses als ultimative­s Instrument in das Eigentum der Kommune fallen. Das würde den Druck auf die Immobilien­preise senken und gleichzeit­ig Kriminelle stoppen.

Warum hat ausgerechn­et ein SPDgeführt­es Finanzmini­sterium so wenig Ehrgeiz für eine wirkungsvo­lle Regelung an den Tag gelegt?

Wir verspüren in der SPD durchaus den politische­n Willen, Geldwäsche im Immobilien­sektor einzudämme­n. Es fehlt bisher aber an rechtlich durchdekli­nierten Lösungsvor­schlägen, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Unsere Verbesseru­ngsvorschl­äge liegen den Abgeordnet­en vor. Der Bundestag kann sie jetzt noch aufgreifen.

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FOTO: DPA Stadtansic­ht von Stuttgart: Einer Studie des Bundeskrim­inalamts zufolge werden illegale Gelder vorwiegend über den Immobilien­markt gewaschen.

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