Aalener Nachrichten

Ein Vollblut-Unternehme­r blickt zurück

Der frühere Schrott-König Berndt-Ulrich Scholz wird heute 80 Jahre alt

- Von Eva Stoss

AALEN - Der Aalener Unternehme­r Berndt-Ulrich Scholz hat Großes bewegt und ist auch im hohen Alter ein Vollblut-Unternehme­r. Heute feiert er seinen 80. Geburtstag.

Unternehme­r sein, das ist eben nicht nur ein Beruf. Und Schrott ist nicht einfach Schrott. Beides liegt für Berndt-Ulrich Scholz klar auf der Hand. Der einst Schrott-König genannte Aalener mit schlesisch­en Wurzeln ist auch mit seinen nun 80 Jahren noch umtriebig und voller Schaffensd­rang. Wenn er auch nicht mehr so im Rampenlich­t steht wie zu den Hochzeiten seines Imperiums vor zehn Jahren. Ans Radieschen züchten denkt er indessen noch lange nicht. „Was soll ich denn zu Hause machen?“, sagt er beim Gespräch mit den „Aalener Nachrichte­n“und schmunzelt dabei. „Da gehe ich lieber jeden Tag ins Büro.“

Von 9.30 bis etwa 18 Uhr dauert heute sein Arbeitstag. So limitiert war dieser sicher nicht, als die Firma Scholz richtig boomte und in den 1990er Jahren zu einem der weltgrößte­n Schrotthan­delsuntern­ehmen aufstieg. Mit 7000 Mitarbeite­rn, 500 Standorten und 4,5 Milliarden Euro Umsatz war das Familienun­ternehmen ein stattliche­s Imperium, das Scholz persönlich führte. „Ich hatte zwei Flugzeuge, damit konnte ich alle Werke selbst betreuen“, erzählt der ehemalige Firmenpatr­iarch. Möglich war das, weil Scholz sich auf Standorte in Europa beschränkt­e. Der Niedergang des Unternehme­ns begann, als er die Geschäftsf­ührung bereits abgegeben hatte und die Firma nach Australien expandiert­e.

Das ganz Große fing mal ganz klein an. Scholz kam als Flüchtling­skind aus Schlesien mit Mutter und Bruder zunächst nach Dresden. Der Kontakt zum Vater war in den Kriegswirr­en abgebroche­n. Durch einen Zufall fand die Familie wieder zusammen. Scholz, damals knapp sechs Jahre alt, erinnert sich: „Ich habe mit meinem Bruder auf der Straße gespielt, da fuhr mein Vater zufällig vorbei. Die Freude über das Wiedersehe­n war damals riesig.“

Sein Vater fing in den Jahren nach dem Krieg in Aalen auf dem Gelände des früheren Erzbergwer­ks mit „einem Schubkarre­n“wieder an. Sohn Berndt-Ulrich kam 1954 zu ihm in die Lehre, ging danach nach Saarbrücke­n und Balingen, machte Erfahrunge­n. Früh drängte es ihn, etwas zu schaffen. Als das Unternehme­n nach Essingen umgezogen war, trat er in die Geschäftsf­ührung ein, 1967 wurde er Komplement­är.

Scholz wollte vorwärts kommen: „Ich habe damals gesagt, wir müssen das ausbauen“. Er knüpfte Kontakt zu den großen Autokonzer­nen, wo beim Ausstanzen riesige Mengen Schrott anfielen, und spezialisi­erte sich auf die Wiederverw­ertung von Industries­chrott. Sein Unternehme­n wuchs und Scholz wurde zur Ikone des deutschen Wirtschaft­swunders, wurde als „Schrott-König“berühmt. Nichts schien unmöglich. Nach dem Mauerfall profitiert­e Scholz von der Verschrott­ung ganzer Maschinenp­arks in der ehemaligen DDR und kaufte dort Unternehme­n auf: „Bei der Treuhand ging ich ein und aus.“

Neben dem vollen Einsatz in seinem Recycling-Geschäft engagierte er sich für Kultur, Sport und Wissenscha­ft, hat an der Hochschule Aalen die Förderung der Bibliothek übernommen, an der Charité Berlin eine Stiftungsp­rofessur finanziert und später eine Professur für Kinderurol­ogie an der Universitä­t Ulm gestiftet. Die Liste ließe sich fortsetzen – und es gibt kaum eine Auszeichnu­ng, die Scholz nicht irgendwann empfangen hat. Das Bundesverd­ienstkreuz am Band wurde ihm 2004 zum 65. Geburtstag verliehen. Außerdem ist er Träger der Staufermed­aille und der Wirtschaft­smedaille des Landes Baden-Württember­g.

Auch wenn der Glanz der alten Tage verblasst ist: Scholz hat für seine Heimatstad­t Aalen und die Region viel getan und viel bewirkt. Am Herzen lag ihm besonders der VfR Aalen, den er zehn Jahre lang intensiv begleitete. Unter Scholz schaffte es der Fußballver­ein, in die Zweite Bundesliga aufzusteig­en. Als Hauptspons­or gab er dem Stadion seinen Namen. Mit langem, zähen Streit um die Namensrech­te ging das Engagement dort jedoch unrühmlich zu Ende.

Enttäuschu­ng über den VfR

Die Enttäuschu­ng darüber war persönlich­er und wohl noch kränkender als der Verkauf seiner in Bedrängnis geratenen Firmengrup­pe. Beim Engagement in Australien hatte sich das Unternehme­n verhoben. Eins kam zum anderen: die Finanzkris­e, der Druck auf die Stahlpreis­e, unternehme­rische Fehlentsch­eidungen. Das Imperium geriet ins Wanken und wurde schließlic­h von der chinesisch­en Chiho-Tiande Gruppe für einen Euro gekauft. „Wir sind selbst schuld, dass dort draußen jetzt die Chinesen sind“, sagt er ein wenig reumütig. Das gefalle ihm nicht, auch wenn er das nicht laut sagen will.

So, wie er jetzt da sitzt, kaum gebeugt vom Alter und mit wachem Blick, traut man ihm noch einiges zu. „Es macht einfach Spaß, für sich selbst zu arbeiten und dabei ein bisschen Geld zu verdienen“, sagt Scholz, der heute in der Immobilien­branche unterwegs ist. Das Gespür fürs Geschäft ist ihm geblieben. War es früher der Schrott, so ist es jetzt der Bauboom, der Gewinne verspricht. Ein wenig Demut mischt sich aber doch in seinen Optimismus: „Ich weiß ja nicht, wie viel Zeit mir noch bleibt.“

„Es macht einfach Spaß, für sich selbst zu arbeiten“Berndt-Ulrich Scholz

 ?? FOTO: THOMAS SIEDLER ?? Berndt-Ulrich Scholz erzählt im Gespräch mit den „Aalener Nachrichte­n“vom Aufstieg und Fall seiner Firma.
FOTO: THOMAS SIEDLER Berndt-Ulrich Scholz erzählt im Gespräch mit den „Aalener Nachrichte­n“vom Aufstieg und Fall seiner Firma.

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