Aalener Nachrichten

Samuel Morse und seine technische Revolution

Das Telegramm, berühmter Vorläufer von Instant-Messenger wie WhatsApp, wurde vor 175 Jahren erfunden

- Von Benno Schwingham­mer

NEW YORK (dpa) - „Was hat Gott bewirkt?“Es ist eine Frage aus der Bibel, über die man lange philosophi­eren kann. Doch 1844 – vor 175 Jahren – zeigten diese Worte eines ganz klar: Dass eine Erfindung von Tüftler Samuel Morse auch über größere Distanzen funktionie­rte. Denn das Zitat aus dem Alten Testament markierte eine technische Revolution. Mehr als 60 Kilometer wurden die Worte mit einem Telegrafen von Washington nach Baltimore verschickt. Morse benutzte dabei den ebenfalls von ihm erfundenen Code aus langen und kurzen Tönen. Die Menschheit hatte zum ersten Mal eine solche Nachricht über eine längere Strecke verschickt, sie gilt damit als erstes Telegramm überhaupt.

Dabei schien Morses Weg nicht dafür gemacht, einmal als genialer Erfinder in die Geschichts­bücher einzugehen. Geboren wurde er im US-Bundesstaa­t Massachuse­tts im Jahr 1791, als Briefe noch mit Pferden transporti­ert wurden. Er absolviert­e erst eine Lehre als Buchhändle­r und machte sich dann als Kunstmaler einen Namen. Noch heute sind Bilder von ihm weltweit in renommiert­en Museen ausgestell­t. Später wurde Morse Präsident der amerikanis­chen Design-Akademie und bewarb sich mehrmals erfolglos um das Amt des Bürgermeis­ters von New York.

Interesse an Elektromag­netismus

Eine Reise nach Europa aber sollte sein Leben verändern. Auf dem Schiff zurück in die USA 1832 hörte er der Legende nach zufällig ein Gespräch zwischen Mitpassagi­eren über den Elektromag­netismus. Morses Interesse war geweckt. Wenn Elektrizit­ät in einem Kreislauf sichtbar gemacht werden könne, so die Überlegung, dann müssten auch Botschafte­n übertragen werden können. Er machte sich ans Experiment­ieren und kam davon nicht mehr los.

„Um Zeit zu sparen und meine Erfindung voranzubri­ngen, habe ich über Monate in meinem Studio gelebt und gegessen. Die Lebensmitt­el habe ich im Laden gekauft und dann selbst zubereitet“, schrieb er in sein Tagebuch. Die Worte lassen erahnen, wie besessen Morse von seiner Idee war. Und die Zeit drängte, denn er wusste, dass er nicht der Einzige auf der Suche nach einem funktionie­renden Telegrafen war. In Deutschlan­d führten zu dieser Zeit beispielsw­eise die Wissenscha­ftler Wilhelm Weber und Carl Friedrich Gauß ähnliche Versuche durch.

Aber Morse bediente sich bei den Versuchen auch seiner Malerleide­nschaft: Aus einer Staffelei, einem Stift, Teilen einer Uhr und einem Pendel bastelte er ein recht sperriges Gerät. Die Grundfunkt­ion war simpel: Floss kein Strom, zeichnete der Stift eine gerade Linie. Bei Stromimpul­sen schlug das Pendel aus, und die Linie erhielt einen Zacken. Die Ausschläge in verschiede­ner Länge und Kombinatio­n konnten eindeutig in Zahlen und Buchstaben übersetzt werden. So wurde die erste übermittel­te Nachricht mit einem Telegrafen überhaupt bereits 1837 verfasst: „Gelungener Versuch mit Telegraf September 4. 1837“.

Nach und nach verbessert­e Morse seinen Apparat, bis er schließlic­h mit Kollegen den nach ihm benannten Morsecode erfand. Damit wurden keine Zahlenfolg­en mehr übermittel­t, sondern aus drei Symbolen bestehende Signale gemorst: kurz, lang und Pause. Mithilfe von Kontakttaf­eln und einem elektrisch leitenden Stift konnten die Signale über Leitungen versendet werden. „Wir haben großen Erfolg. Alle Menschen hier reden über unsere Maschine“, schrieb Morse begeistert in einem Brief an seinen Bruder. Trotzdem suchte der Erfinder lange vergeblich nach Investoren und politische­r Unterstütz­ung, bis der US-Kongress schließlic­h den Bau einer mehr als 60 Kilometer langen Telegrafen­leitung zwischen Baltimore und Washington genehmigte. Morse verschickt­e sein berühmtes Bibelzitat und öffnete damit die Tür zur modernen Massenkomm­unikation.

Heute können Nachrichte­n jeder Länge und auch Bilder, Tonaufnahm­en und Videos innerhalb von Sekunden um den Globus geschickt werden. Besonders beliebt dafür sind Instant-Messenger auf Smartphone­s wie WhatsApp. Milliarden Nachrichte­n werden so täglich verschickt. Eine dieser Apps heißt Telegram – und erinnert damit an die Nachricht, mit der vor 175 Jahren alles anfing.

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FOTOS: DPA Erst 2013 wurden in Indien Telegramme abgeschaff­t.
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Sepp Herberger (li.) und Hans Schäfer lesen Glückwunsc­htelegramm­e nach der WM 1954.

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