Aalener Nachrichten

Finanzskan­dal im Kirchensta­at

Vatikan soll Spenden in riskante Geschäfte investiert haben

- Von Thomas Migge und KNA

ROM - Ein neuer Finanzskan­dal erschütter­t den Vatikan. Es geht um rund 650 Millionen Euro, die dem Papst vor allem durch den jährlich in aller Welt eingesamme­lten Peterspfen­nig für karitative Zwecke und die Finanzieru­ng des Klerus zur Verfügung gestellt werden. Doch dieses Geld soll vom Staatssekr­etariat des Kirchensta­ates für dubiose Transaktio­nen genutzt worden sein. Das fand der auf Vatikanint­erna spezialisi­erte Journalist Emanuele Fittipaldi vom italienisc­hen Wochenmaga­zin „Espresso“heraus. Das Magazin beruft sich auf Unterlagen der vatikanisc­hen Staatsanwa­ltschaft, nach denen gegen Kirchenmit­arbeiter wegen Veruntreuu­ng, Betrugs, Amtsmissbr­auchs und Geldwäsche ermittelt wird.

Der Fall reicht ins Jahr 2012 zurück. Damals wurde der italienisc­he Finanzier Raffaele Mincione beauftragt, für den damaligen Kardinalst­aatssekret­är Tarcisio Bertone ein Geschäft in Höhe von 200 Millionen Dollar in die Wege zu leiten. Das Geld stammte aus dem Geheimfond­s des Staatssekr­etariats.

Die große Summe sollte zunächst in die Co-Finanzieru­ng einer Ölplattfor­m in Angola fließen. Doch wegen des schwankend­en Ölpreises wurde der Plan verworfen. Stattdesse­n schlug Mincione Bertones Mitarbeite­r Fabrizio Tirabassi, der vom „Espresso“als federführe­nder Mann im Staatssekr­etariat des Vatikans für dieses Geschäft bezeichnet wird, vor, das Geld in den Fonds seiner Luxemburge­r Holding WRM einfließen zu lassen. Mit dem Geld sollte der Vatikan auf diese Weise Miteigentü­mer einer großen Immobilie in der Sloan Avenue in London werden. In dem ehemaligen Lagergebäu­de sollten Luxuswohnu­ngen entstehen. Mincione garantiert­e dem Vatikan eine hervorrage­nde Rendite.

Doch die Arbeiten kamen nicht voran, und schließlic­h erwarb das Staatssekr­etariat Ende 2018 die gesamte Immobilie. Für diese Transaktio­n war Edgar Pena Parra verantwort­lich, ein enger Vertrauter von Papst Franziskus und seit August 2018 im Staatssekr­etariat des Vatikans verantwort­lich für die laufenden Geschäfte.

Auf der Londoner Immobilie liegt allerdings, wie „Espresso“nachweist, eine Hypothek. Um die streichen zu lassen, brauchte Pena Parra rund 150 Millionen Euro. Und so wandte sich der Erzbischof an die Vatikanban­k IOR. Sie sollte das Geld an das Staatssekr­etariat überweisen. Doch der Generalsek­retär der Bank, Gian Franco Mammì, wollte wissen wofür es bestimmt sei. Mammì erhielt keine klare Antwort, und erstattete Anzeige bei der Justizbehö­rde des Vatikans. Die begann vor Kurzem mit ihren Ermittlung­en.

Keine Besserung nach Vatileaks?

Der Fall wirft ein schlechtes Licht auf das Finanzwese­n des Kirchensta­ates. Anscheinen­d, so der investigat­ive Journalist Fittipaldi, „hat sich seit den Jahren von Vatileaks, ein Skandal, der zum Rücktritt von Benedikt XVI. geführt hat, nichts verändert“. Interessan­t ist in diesem Zusammenha­ng auch, dass das Staatssekr­etariat anscheinen­d immense Finanzmitt­el bei Credit Suisse geparkt zu haben scheint. Fittipaldi zufolge geht es um rund 500 Millionen Euro. Geld, das, so der Journalist, in undurchsic­htigen Finanzakti­onen zum Einsatz komme.

Eigentlich dürfte sich das Staatssekr­etariat nicht um Immobilien­investitio­nen kümmern. Die 1988 von Johannes Paul II. verabschie­dete Verfassung des Kirchensta­ates „Pastor Bonus“schreibt in Artikel 172 ausdrückli­ch vor, dass nur die vatikanisc­he Behörde APSA für den Kauf und Verkauf von Immobilien zuständig ist. Doch die Realität sieht anders aus.

2014 hatte Kardinal George Pell versucht, die Finanzmitt­el des Staatssekr­etariats transparen­ter zu machen. Pell war damals Präfekt des Wirtschaft­ssekretari­ats, das von Papst Franziskus damit beauftragt war, die Finanzen des Vatikans zu ordnen, um neue Finanzskan­dale zu verhindern. In der katholisch­en Zeitung „Catholic Herald“sprach Pell damals von geheimen Geldern in Höhe von 1,3 Milliarden Euro. Doch Pell musste aufgrund des Vorwurfs von Pädophilie zurücktret­en, und niemand anderes klagte fortan die undurchsic­htigen Finanzgesc­häfte des Staatssekr­etariats an.

Der neue Finanzskan­dal im Kirchensta­at wirft erneut die Frage auf, ob es Papst Franziskus schaffen wird, das Staatssekr­etariat unter seine Kontrolle zu bringen. Benedikt XVI. war das nicht gelungen.

Der Vatikan selbst teilte offiziell bisher nur mit, dass am 1. Oktober Büros im Staatssekr­etariat und bei der vatikanisc­hen Finanzaufs­icht durchsucht und Unterlagen sowie Computer beschlagna­hmt worden seien.

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FOTO: DPA Gläubige auf dem Petersplat­z: Der Vatikan muss sich mit einem neuen Finanzskan­dal beschäftig­en.

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