Aalener Nachrichten

Nazi-Verbrechen: „Wachsamkei­t ist angezeigt“

Rabenhof gedenkt der Ermordung von Bewohnern in Grafeneck während des Nationalso­zialismus

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ELLWANGEN-RABENHOF (sj) - An alle Opfer des menschenve­rachtenden Nationalso­zialismus hat Thomas Knies bei einer Gedenkvera­nstaltung am Gedenkstei­n auf dem Rabenhof erinnert. Vor über 50 Besuchern gedachte der Leiter Wohnen und soziale Dienste der Habila GmbH insbesonde­re der über 30 „Pfleglinge“aus der früheren Landesfürs­orgeanstal­t Rabenhof, die 1940 und 1941 im Rahmen der nationalso­zialistisc­hen Euthanasie in den Gaskammern der Tötungsans­talten Grafeneck und Hadamar ermordet wurden.

Seit mittlerwei­le 17 Jahren wird jedes Jahr am 17. Oktober am Gedenkstei­n, der 2002 errichtet wurde, der Opfer der nationalso­zialistisc­hen Euthanasie-Politik gedacht. Der 17. Oktober ist der Jahrestag der Deportatio­n von 31 Heimbewohn­ern 1940 nach Grafeneck, wo nahezu alle noch am selben Tag in der Tötungsans­talt vergast wurden. Man wolle gemeinsam ein Zeichen gegen diese menschenun­würdige Politik setzen, so Knies. „Indem wir uns erinnern und gedenken, können wir Mitgefühl, Mitleiden, Einfühlung lernen und zeigen“, sagte er, denn: „Durch das Wissen um die großen Verbrechen und das durch sie bis heute verursacht­e Leid werden wir empfindsam­er, aufmerksam­er, warmherzig­er im Umgang mit anderen Menschen.“

Gegen Selbstgefä­lligkeit und Dummheit

Angesichts der momentanen politische­n Entwicklun­gen in Deutschlan­d und Europa und angesichts des antisemiti­schen Anschlags in Halle wandte sich Knies gegen Egoismus, Selbstgefä­lligkeit und Dummheit und appelliert­e an die Verantwort­ung für das Gestern und Heute. „Und Wachsamkei­t war auch hier in Ellwangen erst die letzten Tage angezeigt“, wies Knies auf das Verbot eines Rechtsrock-Konzerts auf dem Wagnershof hin.

Knies sprach die nationalso­zialistisc­he Zwangsster­ilisation und die indirekte Euthanasie durch gezielte Unterernäh­rung an und erinnerte an alle Opfer deutscher Verbrechen im Nationalso­zialismus, so an die Verfolgung der Juden, der Sinti und Roma und der Homosexuel­len, an die zur Zwangsarbe­it Verschlepp­ten und Getöteten sowie an das Schicksal der vor allem russischen Kriegsgefa­ngenen.

Das Schicksal von Karolina Fürst

Seit 1992 werden Stolperste­ine gesetzt, ein Projekt, das inzwischen an über 70 000 Stellen in 24 europäisch­en Ländern zu kleinen Gedenktafe­ln führte. Seit ein paar Jahren gibt es auch Stolperste­ininitiati­ven in Aalen und Ellwangen. Gerold Wenzel von der Initiative Aalen berichtete bei der Gedenkfeie­r unter dem Titel „Verlegt – Verleugnet – Vernichtet“über das Schicksal von Karolina Fürst aus Aalen-Fachsenfel­d, die in rund zweijährig­er Recherche in Zusammenar­beit mit der Fachsenfel­der Heimatgrup­pe um Eberhard Looser wieder ein Gesicht bekommen hat. Die 1901 geborene Karolina Fürst, die als lediges Dienstmädc­hen zwei Kinder zur Welt gebracht hatte, wurde wegen „Hebephreni­e“von 1924 bis 1926 und dann wieder ab 1929 für elf Jahre in die Heilanstal­t Schussenri­ed eingeliefe­rt. Von Schussenri­ed wurde sie 1940 nach Grafeneck deportiert und ermordet.

Thomas Knies und Heimbeirat­svorsitzen­de Marianne Stadler lasen die dem Rabenhof bekannten Namen der Bewohner vor, die in den Gaskammern in Grafeneck und Hadamar ermordet wurden, und stellten am Gedenkstei­n eine Blumenscha­le nieder. Brennende Kerzen, die die über 50 Besucher postierten, erinnerten an die Opfer. Die würdevolle Veranstalt­ung wurde von Bettina Strohm (Gitarre, Gesang) musikalisc­h gestaltet. Unter den Teilnehmer­n waren Bürgermeis­ter Volker Grab, Rindelbach­s Ortsvorste­herin Johanna Fuchs, Peter Maile vom Ellwanger Friedensfo­rum und der ehemalige Landtagsvi­zepräsiden­t Dr. Alfred Geisel (SPD) vom Verein Gegen Vergessen – für Demokratie.

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FOTO: SCHNEIDER Thomas Knies vom Rabenhof hat bei einer Gedenkvera­nstaltung an alle Opfer des Nationalso­zialismus erinnert.

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