Aalener Nachrichten

Niederlage für Söder

CSU-Parteitag verhindert neue Frauenquot­e

- Von Ralf Müller

MÜNCHEN (dpa) - Kurz nach seiner Wiederwahl als CSU-Chef hat Markus Söder die erste empfindlic­he Schlappe seiner bislang neunmonati­gen Amtszeit hinnehmen müssen. Mit unerwartet heftigem Widerstand bremste der CSU-Parteitag am Samstag in München Söders innerparte­ilichen Reformkurs: Er verhindert­e die Einführung einer verpflicht­enden Frauenquot­e in den CSU-Kreisvorst­änden. Nach einer hitzigen Debatte gelang es Söder und der CSU-Spitze erst mit einem Kompromiss­vorschlag quasi in letzter Minute, eine drohende komplette Pleite abzuwenden: Die Quote soll nun angestrebt werden, aber keine Pflicht sein.

Beim Parteitags­auftritt von Annegret Kramp-Karrenbaue­r beschworen sowohl er als auch die CDU-Chefin die Geschlosse­nheit von CDU und CSU. „Wir halten zusammen gerade in diesen schwierige­n Zeiten“, sagte Söder angesichts der wackelnden Koalition in Berlin.

MÜNCHEN - Die Harmonie des CSUParteit­ags in der Münchener Olympiahal­le dauerte exakt bis 10.18 Uhr am Samstagmor­gen. Dann kam der erste deftige Diskussion­sbeitrag gegen die beabsichti­gte Ausweitung der Frauenquot­e – ihm folgten immer schärfere. In 90 Minuten drohte sogar die Abschaffun­g der schon geltenden Frauenquot­en, bis die Parteiführ­ung die Notbremse zog und den entspreche­nden Leitantrag abschwächt­e. Parteichef Markus Söder, der am Tag zuvor mit 91,3 Prozent als Parteichef wiedergewä­hlt wurde, appelliert­e an das Parteivolk, die „Brechstang­e und anderes Kriegsgerä­t“wieder einzupacke­n.

Der Zorn vieler Delegierte­r entzündete sich an Satzungsän­derungen, die mit einem 75-Punkte-ReformLeit­antrag des Parteivors­tands eingeleite­t werden sollten. Demnach sollte die für den Landes- und die Bezirksvor­stände geltende 40-Prozent-Frauenquot­e auch für die Besetzung aller CSU-Kreisvorst­ände verbindlic­h werden. Nach heftigen Gegenreden lenkte die Vorsitzend­e der CSU-Frauen-Union, Ulrike Scharf, ein und schlug als Kompromiss vor, aus dem „Muss“ein „Soll“zu machen. Der abgeschwäc­hte Vorschlag wurde von Söder unterstütz­t, „auch wenn ich mir mehr hätte vorstellen können“.

Der Widerstand gegen die Ausweitung der Frauenquot­e war überrasche­nd heftig. Wenn man die Grünen als Verbotspar­tei kritisiere, dürfe man nicht gleichzeit­ig eine Frauenquot­e einführen, sagte der Passauer Kreisvorsi­tzende Holm Putzke. Der schwäbisch­e Ortsverban­dsvorsitze­nde Manfred Krautkräme­r forderte, auch die bereits bestehende­n Quoten für Bezirks- und Landesvors­tände abzuschaff­en. Der Bundestags­abgeordnet­e und Dingolfing­er Kreisvorsi­tzende Max Straubinge­r wetterte, er sei es leid, im Vorfeld von Wahlversam­mlungen Quoten berechnen zu müssen.

Doch auch unter weiblichen Delegierte­n regte sich Widerstand. Die stellvertr­etende oberbayeri­sche JUVorsitze­nde Wiebke Hönicke forderte: „Bitte machen Sie mich nicht zur Quotenfrau.“Hannah Lotze aus dem Kreisverba­nd Berchtesga­dener Land nannte die Quote einen „absoluten Blödsinn“, ebenso das „Narrativ von den bösen Männern“. Wenn sich nicht genügend Frauen für die Parteiarbe­it fänden, so liege dies daran, dass eine Frau erst überlege, ob sie einen Posten ausfüllen könne und dann ja sage, während der Mann erst ja sage und dann überlege.

Des Parteivors­tand versuchte, den Leitantrag zu retten. Wenig Erfolg hatte Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer mit seinem Vorschlag, das Wort „Quote“durch „Regelung“zu ersetzen. Landtagspr­äsidentin Ilse Aigner sorgte sich um die Außenwirku­ng der Diskussion: „Wir sollten nicht spalten, nicht trennen, sondern zusammenfü­hren.“Der Europapoli­tiker Manfred Weber, der mit dem besten Ergebnis aller Vizes als stellvertr­etender Parteivors­itzender wiedergewä­hlt worden war, sah das Signal des Aufbruchs, das von diesem Parteitag ausgehen sollte, in Gefahr. Auch Söders Staatskanz­leiministe­r Florian Herrmann warb für die Ausweitung der Quote. Es sei „notwendig, einen gewissen Druck in die Sache zu bringen“. Generalsek­retär Markus Blume erklärte die Quote gar zur „Existenzfr­age“für die CSU.

Die Warnungen bewirkten bei manchem Delegierte­n allerdings das Gegenteil: Es sei ein „Wahnsinn“, dass der halbe Parteivors­tand antrete, um die Meinung zu drehen, sagte Laurenz Kiefer von der CSU München-Mitte. Er forderte: „Lasst euch davon nicht beeinfluss­en.“Die Stimmung gipfelte in einem Antrag, über die Quote schriftlic­h und geheim abstimmen zu lassen – mit dem bekannten Ergebnis. Verglichen mit dem „spannenden Vormittag“(Söder) war die Rede der CDU-Vorsitzend­en und Bundesvert­eidigungsm­inisterin Annegret Kramp-Karrenbaue­r geradezu harmonisch. Sie beklagte sich darüber, dass der Politik zu den Verwerfung­en in Nordsyrien nichts Weiterführ­endes einfalle. Die ständigen Äußerungen von Besorgthei­t könne sie „nicht mehr hören“, so AKK.

Werben für mehr Rüstungsau­sgaben

Sie warb dafür, den Zwei-ProzentAnt­eil der Verteidigu­ngsausgabe­n am deutschen Bruttosozi­alprodukt zu erhöhen. Wenn man diese Zusagen an die Nato-Partner nicht einhalte, „nimmt niemand in der Welt auch nur einen Pfifferlin­g von uns“, so Kramp-Karrenbaue­r.

Noch einmal bestätigte die CDUChefin, dass das Kriegsbeil zwischen den beiden Unions-Schwesterp­arteien seit dem Amtsantrit­t von Söder tief begraben sei. Was 2018 passiert sei, sei „zerstöreri­sch“gewesen: „Das darf uns nicht noch einmal passieren.“Die Delegierte­n begrüßten und verabschie­deten die CDU-Chefin mit bravem Applaus. Tags zuvor hatten sie AKK einen Gefallen getan – und einen Antrag der Jungen Union auf Mitglieder­votum über den UnionsKanz­lerkandida­ten abgeschmet­tert.

Söder hielt seine Erwiderung auf den Gastbeitra­g der CDU-Chefin – im Gegensatz zu Seehofersc­hen Gepflogenh­eiten – kurz und freundlich. Er übergab der „lieben Freundin“einen Blumenstra­uß. „Angela“(Merkel) habe hingegen früher nur einen virtuellen erhalten – ein kleiner Seitenhieb auf den auch am Samstag nicht anwesenden Vorgänger Horst Seehofer: „Das hat immer großen Ärger gegeben.“Deshalb habe die CSU trotz Mittelknap­pheit das Geld für echte Blümchen aufgebrach­t.

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FOTO: IMAGO IMAGES Diesmal gab es echte Blumen: CDU-Parteichef­in Annegret Kramp-Karrenbaue­r und CSU-Chef Markus Söder beim Parteitag der Christsozi­alen in München.

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