Konstanz gestaltet den Klimanotstand
Die Stadt ist ökologisch vorgeprescht und will nun dem eigenen Anspruch gerecht werden
KONSTANZ - Als erste Stadt Deutschlands hat Konstanz dieses Jahr am 2. Mai den Klimanotstand ausgerufen. Die Stadt am Bodensee, in der auch die „Fridays for Future“Bewegung sehr aktiv ist, will damit den Fokus auf ihre Klimaziele setzen. Nach Konstanz folgten auch andere Städte in Deutschland – aber was bedeutet Klimanotstand eigentlich? Hilft das wirklich?
Ein Stadtsprecher erklärt, warum die Stadt Konstanz den Klimanotstand überhaupt ausgerufen hat: „Ein Signal auch und gerade an die jungen Menschen in Konstanz, dass dieses Thema, das die Jugend sehr bewegt, hier angekommen ist. Seitens der Politik und der Verwaltung ist dieser Beschluss zudem ein Impuls, das Tempo im Klimaschutz zu beschleunigen“, sagt ein Sprecher der Stadt. Rechtliche Konsequenzen habe dieser Vorgang nicht, erklärt Kristina FabijancicMüller vom badenwürttembergischen Gemeindetag. Die Gemeinde zeige damit nach außen, dass sie sich mehr mit dem Thema Klimaschutz beschäftigen wolle. Konkrete Konsequenzen gehen damit nicht einher. „Es gehört zum kommunalen Selbstverwaltungsrecht, vor Ort zu entscheiden, welche Klimaschutzvorkehrungen man trifft“, so Fabijancic-Müller.
Wichtiges Signal
Trotzdem sende der Klimanotstand ein wichtiges Signal an die Bürger, findet Hans Schipper, Leiter des süddeutschen Klimabüros am Karlsruher Institut für Technologie. „Das Wort ,Notstand’ impliziert ja das Richtige – wir haben im Moment eine dramatische Situation und müssen schnell handeln“, sagt er. Es sei ein reißerisches Wort, aber er hofft, dass es Konsequenzen hat.
Und in Konstanz ist im vergangenen halben Jahr tatsächlich schon etwas passiert. „Wir haben eine Solarpflicht für Neubauten beschlossen und werden mehr in die energetische Sanierung von Gebäuden und Heizungsanlagen investieren“, heißt es vonseiten der Stadt. Außerdem wurde der städtische Fuhrpark auf Elektrofahrzeuge umgestellt, Oberbürgermeister Ulrich Burchardt verzichtete auf sein Dienstfahrzeug und stieg auf Fahrrad und den öffentlichen Nahverkehr um. „Um das Thema Klimaschutz in der Verwaltung besser voranzubringen, haben wir eine „Taskforce Klimaschutz“mit allen klimaschutzrelevanten Arbeitsbereichen der Verwaltung und einer Stabsstelle zur Koordination geschaffen“, sagt der Sprecher der Stadt.
Teure Angelegenheit
Aber: Klimaschutz ist teuer. Die zusätzlichen Maßnahmen müssen bezahlt werden, auch wenn durch die ein oder andere Änderung Geld gespart werden kann. Die Stadt Konstanz ist deshalb gerade dabei, einen zusätzliches Geld bereitzustellen – um mehr Maßnahmen für den Klimaschutz angehen zu können. „Allein für die Sanierung von Heizungsanlagen in kommunalen Gebäuden wird voraussichtlich knapp eine Million Euro bereitgestellt“, erklärt der Stadtsprecher. Der genaue Betrag könne bis jetzt aber noch nicht festgelegt werden. „In den bisherigen Haushalten haben wir zum Beispiel kontinuierlich Schulden abgebaut. Nun diskutieren wir, ob wir diese finanziellen Mittel nicht besser in den Klimaschutz investieren sollten.“
Mittel, die dem Klima helfen, meint Schipper, gebe es genug: den Energieverbrauch zurückdrehen, den öffentlichen Nahverkehr fördern oder Häuser dämmen – jede Maßnahme trage zum Klimaschutz bei. „Die Frage ist aber: Hilft es genug?“, gibt Schipper zu bedenken. Seiner Meinung nach ist noch eine Komponente wichtig, um auch langfristigen Klimaschutz zu garantieren: der Bürger. „Unter den Menschen herrscht auch oft eine große Ungewissheit, wie man selbst klimafreundlicher leben kann“, sagt Schipper. Eine gute Idee sei es daher, eine Energieberatung anzubieten.
Neben Konstanz haben allein in Baden-Württemberg noch fünf weitere Städte den Klimanotstand ausgerufen: Heidelberg, Bühl, Karlsruhe, Lörrach und Radolfzell – das meldet der baden-württembergische Städtetag. Deutschlandweit sind es insgesamt 62 Städte. Dieses Phänomen habe aber auch eine Schattenseite, erklärt Schipper: „Es ist gefährlich, wenn nur einzelne Städte den Klimanotstand ausrufen und andere nicht. Es soll ja nicht der Eindruck entstehen, die anderen tun nichts, um das Klima zu schützen.“Viele Städte seien sich bewusst, dass Änderungen bevorstehen und versuchen, ihre Entscheidungen klimagerecht zu treffen – und tun das auch schon lange.
Selbst gesetztes Ziel
Die Stadt Konstanz hat sich selbst ein Ziel gesetzt: Sie will den Ausstoß von klimaschädlichen Stoffen wie Kohlenstoffdioxid von derzeit knapp elf Tonnen pro Person und Jahr auf eine Tonne senken. In der konkreten Umsetzung bedeute das, dass bei jeder Sitzungsvorlage des Gemeinderats das Thema Klimarelevanz mitbedacht werden müsse, sagt der Sprecher der Stadt. Auch wenn das ab und zu zu Zielkonflikten führe, wenn zum Beispiel andere Vorhaben deswegen zurückgestellt werden. Schipper ist gespannt, wie sich das in Zukunft umsetzen lässt. „Es geht darum, das Maximale an Maßnahmen umzusetzen – ob das so funktioniert, wird sich noch zeigen.“
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