Übungsmassaker auf dem Manövergrund
Baden-Württemberg hat das bisher größte deutsche Anti-Terror-Training organisiert – 2500 Menschen waren hierzu auf dem sonst militärisch genutzten Heuberg zugange
STETTEN AM KALTEN MARKT - Der Schrei des Opfers ist schrill, auch wenn es nur um eine Übung geht: „Helfet mer, helfet mer“, hallt es im Dialekt am Samstagmorgen durch den Regen auf dem Truppenübungsplatz Heuberg. Eben hat eine Terroristenbande nach dem vorgegebenen Szenario die Konstanzer Innenstadt heimgesucht. Explosionen ertönen. Schüsse fallen. Menschen brechen zusammen – natürlich nicht wirklich in Konstanz, sondern bei einer Schießbahn des Übungsplatzes. Mit Zelten und Baracken sollen die Gegebenheiten der Bodenseestadt nachgestellt werden. Zweck ist, eine rudimentäre Manöverkulisse zu haben.
Anti-Terror-Training in einer tatsächlichen Stadt dürfte eher unratsam sein. Es würde dort wohl nicht nur das öffentliche Leben lahmlegen, sondern ebenso eine Panik verursachen. Zumal die dreitägige Übung riesengroß angelegt ist. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) unterstreicht dies. Er spricht von der bisher „größten Terrorismusabwehrübung in Deutschland“. Rund 2500 Menschen haben teilgenommen: Polizisten, Soldaten, Feuerwehrler, Ärzte, Sanitäter diverser Organisationen, Notfallseelsorger et cetera. Dazu kommen unzählige Gerätschaften – vom SEK-Hubschrauber für das Sondereinsatzkommando bis hin zum Sanitätspanzer der Bundeswehr.
Alles sollte durchgespielt werden, angefangen mit der Alarmierung der Polizei und dem Sirenengeheul heranrasender Streifen. Am Schluss steht der Abtransport von Verletzten im Hubschrauber in Krankenhäuser. So ist etwa am Bodensee das Friedrichshafener Klinikum beteiligt.
Eine Viertelmillion Euro nahm das Land alleine für das Vorbereiten und Durchführen dieser „BadenWürttembergischen Terrorismusabwehr Excercise 2019“genannten Übung in die Hand. Personal- und Treibstoffkosten seien dabei noch nicht mit berechnet, heißt es aus dem Innenministerium. Strobl betont aber ausdrücklich Selbstverständliches: „Vorbereitet sein ist entscheidend wichtig.“Aus gegebenem Anlass verweist der Politiker auf den rechtsextremen Anschlag am 9. Oktober in Halle. Ein Attentäter brachte zwei Menschen um. Die Übung auf dem Heuberg geht aber von einem wesentlich katastrophaleren Szenario aus – so wie es am 13. November 2015 in Paris Wirklichkeit wurde. Islamisten töteten 130 Menschen. Es gab fast 700 Verletzte.
Das Innenministerium braucht einen solchen Übungshintergrund, um die Bundeswehr mit ins Boot nehmen zu können. Dem Militäreinsatz im Innern sind in Deutschland nach wie vor enge Grenzen gesetzt. Strobl erklärt deshalb wohl vorsichtshalber, am Heuberg laufe „alles verfassungsgemäß“ab. Hierfür ist es wichtig, dass sich die Lage so extrem zuspitzt, dass die Polizei alleine nicht mehr zurechtkommt. Dann können Soldaten geholt werden. Wichtig in diesem Zusammenhang: Kommandieren tut die Polizei.
Drei Komponenten stellt das Militär schließlich. Dazu gehört ein Sanitätshelikopter. Des Weiteren schützen Soldaten die Verletzten-Sammelstelle vor herummarodierenden Terroristen. Polizisten können sich deshalb anderen Aufgaben widmen. Für das Bergen von Verletzten unter dem Feuer von Killern stellt das Militär zudem gepanzerte Fahrzeuge zur Verfügung.
Offen bleibt dabei, ob solch stählerne Schwergewichte von den Kasernen aus überhaupt rasch Tatorte erreichen könnten, bevor Verletzte verblutet sind. Der anwesende höchste Offizier, Brigadegeneral Andreas Henne, übergeht solche Bedenken. Strobl übrigens auch. Dafür wird am Schluss von beiden der Erfolg der Übung beschworen. Sicherheitsbehörden, Militär und Blaulichtorganistionen seien „hochprofessionell und sehr gut vorbereitet.“
Dass übrigens Konstanz den Übungshintergrund gibt, ist ein Stück weit zufällig. Es hat aber auch mit der Grenzlage der Stadt zum eidgenössischen Kreuzlingen zu tun. Dadurch kann die Übung international werden. Nach den vorliegenden Angaben sind tatsächlich acht Schweizer Gendarmen mit zwei Spezial-Fahrzeugen gekommen. Einzelheiten zur AntiTerror-Übung finden sich unter www.schwaebische.de/bwtex