Umstrittener
Schon der Akzent verrät es:
(63), graue Haare, dezenter grauer Anzug, ist britische High Society durch und durch. Nach der teuren Eliteschule Eton studierte er an der Elite-Universität Cambridge, promovierte an der London Business School und gilt als intellektuelles Schwergewicht. Ein Universalgelehrter, wie die „Times“einmal schrieb.
An Letwin, der mit seinem Antrag auf Verschiebung der Brexit-Deal-Abstimmung Premier Boris Johnson in die Parade fuhr, scheiden sich die Geister. So feierten ihn die Anti-BrexitDemonstranten wie einen Helden auf Londons Straßen, während ihn andere an den Pranger stellten: „Das Haus der Narren“titelte etwa die konservative „Mail on Sunday“und veröffentlichte am Sonntag auf der Titelseite Fotos von „posierenden Abgeordneten“, die den Brexit verzögerten – darunter Letwin.
Sir Oliver, der einen chaotischen Brexit ohne Deal verhindern will, ist ein Konservativer durch und durch. Er begann mit der Parteiarbeit schon unter Premierministerin Margaret Thatcher. Es folgte eine Karriere als Investmentbanker. Später gehörte er zum engsten Zirkel von Premier David Cameron, der nach dem Referendum für den EU-Austritt 2016 zurücktrat. Im selben Jahr wurde Letwin geadelt.
Wie viele Mitglieder der britischen Oberklasse ist der 63-Jährige durchaus exzentrisch. Einmal öffnete er nachts zwei Gaunern im Schlafanzug die Tür, die angeblich seine Toilette benutzen wollten – und dann mit seiner Geldbörse flohen. Ein anderes Mal warf er vertrauliche Regierungspapiere in einem Londoner Park in den Müll.
„Er hat intellektuelle Kreativität und kann Probleme lösen, und ist unglaublich diplomatisch“, sagte ein Vertrauter Camerons der „Financial Times“einst. Sir Oliver war stets gegen alle Bemühungen in der EU, enger zusammenzurücken. Die Mitgliedschaft stand für ihn aber außer Frage, er stimmte im Referendum gegen den Austritt.
Im September flog Letwin auf Geheiß Johnsons aus der Partei, weil er mit konservativen Abgeordneten für das Gesetz stimmte, das einen No-Deal-Brexit verhindern sollte. Er sitzt deshalb nun offiziell als Unabhängiger im Parlament. (dpa)