Aalener Nachrichten

Unzufriede­n auf der Insel

Schotten und Nordiren klagen lauthals über das EU-Austrittsp­aket

- Von Sebastian Borger

LONDON - Die nordirisch­e Unionisten­partei DUP ist erleichter­t über die Ablehnung des Austrittpa­kets. Fraktionsc­hef Nigel Dodds sagte am Samstag, das gebe den Parlamenta­riern „mehr Zeit für eine detaillier­te Prüfung“der neuen Vorschläge. In der Lesart der Nordiren bedeutet dies: mehr Zeit, um Haare in der Suppe zu finden, die Boris Johnson ihnen eingebrock­t hat.

Der Minderheit­sregierung von Johnsons Vorgängeri­n Theresa May hatte Dodds‘ zehnköpfig­e Fraktion zwei Jahre lang die Treue gehalten. Im Gegenzug ließ sich die Premiermin­isterin im Herbst 2017 zurückpfei­fen, als schon einmal ein besonderer Zollstatus des britischen Teils der grünen Insel im Gespräch war. Stattdesse­n sollte der sogenannte „backstop“für das gesamte Vereinigte Königreich gelten.

Premier Johnson hingegen hat sich über die Einwände aus Belfast hinweggese­tzt, dem Vernehmen nach mit einer einfachen Begründung: „Die stimmen nie irgendetwa­s zu.“Tatsächlic­h neigen die Unionisten unter Parteichef­in Arlene Foster generell zu destruktiv­em Verhalten. Zudem sprechen sie keineswegs für ganz Nordirland, sondern nur für einen – allerdings beträchtli­chen – Teil der protestant­ischen Bevölkerun­g.

Die irisch-katholisch­en Nationalis­ten sind im Unterhaus nicht vertreten, weil sich Sinn Féins sieben Abgeordnet­e standhaft weigern, ihre Plätze einzunehme­n. Die Bevölkerun­g insgesamt hat 2016 mit 56 Prozent für den EU-Verbleib gestimmt, jüngste Umfragen deuten darauf hin, dass sie auch mit dem Sonderstat­us zufrieden sind.

Die schottisch­en Nationalis­ten beklagen bitterlich diese Spezialreg­elung für die Nordiren. Hingegen werde „die Stimme unserer Nation wieder einmal ignoriert“, rief Ian Blackford, Fraktionsc­hef der Nationalpa­rtei SNP im Unterhaus, am Samstag. Schottland wolle – wie 2016 mit 62 Prozent – in der EU bleiben. Dass die schottisch­e Ministerpr­äsidentin und SNPChefin Nicola Sturgeon beinahe so laut auf Neuwahlen pocht wie Premier Johnson, hat bei beiden parteipoli­tische Gründe: Die Umfragen verheißen der SNP Positives, ironischer­weise im Norden zu Lasten der Konservati­ven. Deren populäre Regionalvo­rsitzende Ruth Davidson hatte aus Protest gegen Johnsons Brexit-Politik im Sommer ihren Rücktritt eingeleite­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany