Der Lockruf des Goldes
Das teure Edelmetall ist derzeit eine beliebte Geldanlage – Es gibt aber auch Nachteile
STUTTGART - „Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles. Ach wir Armen!“So lässt bereits Johann Wolfgang von Goethe in seinem „Faust, der Tragödie erster Teil“die Figur des Gretchen seufzen. Goethe deutet damit die Faszination von Goldschmuck an, mit dessen Hilfe sich Gretchen letztendlich von Faust verführen lässt.
Denn dass der Lockruf des Goldes die Menschen immer wieder in ihren Bann zieht, zeigt der aktuell herrschende Nachfrageboom nach dem gelben Edelmetall durch private wie institutionelle Anleger. In der Tat, Gold hat den Menschen schon seit Jahrtausenden als Krisenwährung gedient, konnte es doch Kriege, Depressionen und mehrere Währungsunionen immer wieder mit Wertzuwächsen überstehen.
Einer der wichtigsten Gründe für diese langfristige Wertstabilität ist der Umstand, dass Gold im Gegensatz zum Papiergeld nicht beliebig vermehrbar ist. So würde die Kantenlänge eines Würfels aus der bisherigen weltweiten Gold-Gesamtmenge von 193 472,4 Tonnen (Stand Jahresende 2018) lediglich 21,56 Meter betragen. Außerdem tragen derzeit das anhaltend niedrige Zinsniveau zusammen mit geopolitischen Unsicherheiten wie der Handelskrieg zwischen den USA und China zu einem regelrechten Goldrausch bei, der sich 2019 in einem um rund 25 Prozent auf mehr als 1500 US-Dollar pro Feinunze (31,1 Gramm) gestiegenen Preis ausdrückt.
Was darüber hinaus die Beliebtheit von Gold begründet, ist der Umstand, dass es sich nicht um ein abstraktes Anlagevehikel handelt, das nur schwer zu verstehen ist, sondern zum Anfassen ist. „Den Aspekt, dass Gold etwas Handfestes von echtem Wert ist, sollte man als Argument für den Anleger nicht unterschätzen“, sagt dazu Stephan Wellnitz, Leiter des Edelmetall- und Münzkabinetts der BW-Bank in Stuttgart.
All das mag zwar für das Edelmetall sprechen. „Nur: Gold wird dadurch nicht zu einer Geldanlage, in die Privatanleger größere Teile ihres Vermögens stecken sollten“, warnt Niels Nauhauser, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale BadenWürttemberg. Denn Gold ist auch mit einer Reihe von Nachteilen ausgestattet, die es gegen die Vorteile abzuwägen gilt. So verteuern beim Kauf und späteren Verkauf anfallende Preisaufschläge die Geldanlage. „Außerdem sollten Anleger berücksichtigen, dass Händler die Ankaufspreise niedriger als die Verkaufspreise festsetzen“, weiß Nauhauser. Und wer das teure Edelmetall nicht zu Hause im Wäscheschrank aufbewahren möchte, muss für die Aufbewahrung etwa in einem Bankschließfach ebenfalls bezahlen.
Außerdem gibt es keine Garantie dafür, dass die Preise weiter steigen. Im Gegenteil, Kursverluste in der Vergangenheit haben gezeigt, dass der Goldpreis auch schnell wieder fallen kann. So hat sich zwischen 1987 und 1999 der Goldkurs sage und schreibe halbiert. Natürlich kann es auch nach oben gehen, so wie sich der Goldmarkt derzeit im Aufwind befindet oder in Folge der Finanzmarktkrise 2009 stark zugelegt hatte.
„Anleger sollten sich eben einfach im Klaren sein, dass der Kurs stark schwanken kann“, sagt Nauhauser. Und da Gold in Dollar gehandelt wird, spielt bei seiner Wertentwicklung auch der Kurs der US-Währung eine Rolle. Sollte also der US-Dollar abwerten, bekommt man weniger Euro für sein Gold. Umgekehrt profitiert auch der Goldanleger von einem steigenden Dollar.
Des Weiteren ist zu beachten, dass Gold an sich nicht produktiv ist. Es erarbeitet keine Gewinne wie die Unternehmen, in die Aktionäre investieren und gegebenenfalls eine Dividende erhalten. Und es zahlt keine Zinsen wie die Banken und Staaten, denen die Käufer von Anleihen oder Besitzer von Festgeldkonten und Sparbriefen ihr Geld leihen. „Gewinne erzielen Anleger nur, wenn der Goldkurs steigt und sie dann verkaufen“, macht Nauhauser klar.
Wie viel Gold sich ein Privatanleger vor diesem Hintergrund sinnvollerweise anschaffen sollte, hängt also stets von mehreren Faktoren ab. Dazu zählen neben konjunkturellen und geopolitischen Risiken auch das herrschende Zinsniveau sowie die persönliche Risikoneigung. „Trotz aller Risiken ist Gold also nicht generell ungeeignet als Geldanlage“, so Nauhauser. Die Beimischung des Edelmetalls zu einem Anlagemix, der etwa aus Zinspapieren und Aktienfonds besteht, kann das Gesamtrisiko senken, bei der Geldanlage große Verluste zu erleiden. „Die Dosis macht das Gift", sagt er. Dies gelte insbesondere für die Geldanlage in Gold. Deshalb rät die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg davon ab, deutlich mehr als zehn Prozent des Vermögens in Gold anzulegen.