Preisfehler als Lockmittel
Spezialreisebüros machen sich IT-Mängel von Fluggesellschaften zu Nutze
RAVENSBURG - Auf den Internetseiten verschiedener Reiseportale jagt ein Urlaubsschnäppchen das nächste: Für wenige Euro geht es mit dem Flugzeug in die großen europäischen Metropolen. Nach Amerika, Asien oder Südamerika locken Angebote weit unter 100 Euro, und für gerade einmal 250 Euro kommen Schnäppchenjäger sogar auf die andere Seite der Erdkugel nach Neuseeland oder Australien. Selbst bei mehrtägigen Pauschalreisen finden sich auf diesen Seiten Angebote, die zu günstig scheinen, um wahr zu sein. Manchmal ist das auch der Fall: Bei sogenannten Error Fares handelt es sich nämlich nicht um bewusst günstige Aktionen, sondern um Preisfehler im Buchungssystem der Anbieter.
Plattformen wie Urlaubsguru, Urlaubspiraten oder Urlaubstracker nutzen diese Preisfehler, um auf sich aufmerksam zu machen. Im Internet suchen sie gezielt nach Error Fares und veröffentlichen diese auf ihrer Homepage. Dort finden die Nutzer dann auch weitere günstige Flüge und Reisen, bei denen es sich zum größten Teil nicht um Preisfehler, sondern um ganz normale Angebote handelt. Für die Vermittlung dieser Angebote erhalten die Unternehmen schließlich eine Provision. Error Fares spielen für den wirtschaftlichen Erfolg dieser Plattformen also nur indirekt eine Rolle – sie dienen in erster Linie dazu, den Besuchern einen Mehrwert zu bieten, erklärt Jonas Schulze Dieckhoff, Gründer des Portals Urlaubstracker.
Einen Preisfehler zu finden, sei außerdem mit der Nadel im Heuhaufen vergleichbar, sind sich die Unternehmen einig. „Airlines verfügen heutzutage über intelligente Systeme, die Error Fares erkennen. Meistens bleiben sie also nicht länger als zwölf Stunden unbemerkt“, sagt Urlaubspiraten-Reiseexperte Marc Auggenthaler. Spätestens dann, wenn das Buchungsvolumen durch die Veröffentlichung des Angebots auf einem Reiseblog auffällig ansteige, sei der Fehler meist schnell behoben.
Doch nicht immer handelt es sich bei den Tiefstpreisen um einen Irrtum. Manche Reiseunternehmen oder Airlines nutzen diese auch absichtlich als Marketingaktion. „Mittlerweile ist der Unterschied zwischen einer Error Fare und einem guten Angebot häufig nicht mehr zu erkennen“, sagt Schulze Dieckhoff. So gebe es einige Airlines, die Flüge innerhalb von Europa für einen Euro anbieten. Auch Julius Augustin von Urlaubsguru kennt das Phänomen: „Das zieht massenhaft Buchungen nach sich, sodass der Werbeeffekt für die jeweilige Airline enorm ist.“
Preis als wichtigstes Kriterium
Alle drei Unternehmen suchen Tag für Tag manuell nach besonders günstigen Reiseschnäppchen und veröffentlichen diese. „Der Preis spielt nach wie vor eine große Rolle auf dem Reisemarkt. So haben bei uns auch in diesem Sommer wieder günstige Destinationen wie Ägypten oder die Türkei die vermittelten Buchungen dominiert“, sagt Schulze Dieckhoff. Auch für Augustin ist klar: „Unsere User kommen vor allem wegen der günstigen Preise zu uns auf die Website.“Auggenthaler beobachtet insbesondere angesichts der sich häufenden Insolvenzen von Reiseveranstaltern und Airlines aber auch eine entgegengesetzte Entwicklung: „Unsere User verlangen mehr Sicherheit und sind demnach auch bereit, mehr Geld für eine Reise auszugeben.“
Das spiegelt sich auch in Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung wider. Im Jahr 2018 haben die Deutschen rund 68 Milliarden Euro für Reisen ausgegeben, fünf Prozent mehr als im Jahr zuvor. „Es ist ganz klar: Die Umsätze steigen seit Jahren. Der Gewinn ist allerdings deutlich unter Druck“, sagt DRV-Pressesprecher Torsten Schäfer.
Doch wie groß ist der Schaden, den Error Fares bei den Reiseanbietern und Fluggesellschaften anrichten? „Error Fares und andere irreguläre Flugpreise kommen in der Praxis sehr selten vor. Dennoch belastet ein Ticket, das falsch bepreist ist, die Bilanz des Unternehmens“, sagt Carola Scheffler, Sprecherin des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft. Luftverkehr sei ein chronisch margenschwaches Geschäft. Schon kleine Beträge entscheiden, ob ein Flug wirtschaftlich ist oder nicht. „Wie stark der finanzielle Schaden im Einzelfall ist, hängt bei Error Fares immer davon ab, wie schnell der Fehler entdeckt und behoben wird“, so Scheffler weiter.
Auch für die Kunden birgt die Buchung einer Error Fare ein gewisses Risiko. Wird der Preisfehler vom Anbieter entdeckt, kann er die Buchung nämlich stornieren. Manchmal wird den Kunden die Reise dann zum höheren Normalpreis angeboten. „Das muss aber nicht in Anspruch genommen werden“, betont Augustin. So besteht immerhin kein finanzielles Risiko, solange keine weiteren Komponenten – zum Beispiel Hotels oder Mietwagen – vorab gebucht wurden. Erst, wenn die Flüge von der Airline bestätigt sind, steht fest, dass die Reise sicher zu dem günstigen Preis stattfindet.
„Eine Error Fare ähnelt ein wenig einem Glücksspiel. Die User sollten sich dem bewusst sein und sich freuen, wenn die Buchung durchgeht, aber sich auch nicht ärgern, wenn es einmal nicht klappt“, sagt Auggenthaler. Denn selbst wenn die Preise zu günstig scheinen, um wahr zu sein – mit viel Glück gibt es tatsächlich die Reise zum Schnäppchenpreis.