Aalener Nachrichten

Macron blinkt rechts

Der französisc­he Präsident will mit härterer Einwanderu­ngspolitik gegen die Rechtspopu­listen um Le Pen punkten – Seine Erfolgscha­ncen sind schlecht

- Von Christine Longin

PARIS - Emmanuel Macron ist immer für Überraschu­ngen gut. Während die Debatte über seine Rentenrefo­rm gerade erst begonnen hat, schwenkt der Präsident schon auf ein ganz anderes Thema um: Die Sicherheit­sund Einwanderu­ngspolitik will der 41-Jährige in den Mittelpunk­t der zweiten Hälfte seiner Amtszeit stellen. „Die Zahl der Asylanträg­e war noch nie so hoch“, sagte er diese Woche vor Abgeordnet­en seiner Partei La République en Marche (LREM). Deshalb müsse das Problem frontal angegangen werden.

Die Ankündigun­g war vor allem an seine Hauptgegne­rin Marine Le Pen gerichtet, deren rechtspopu­listischer Rassemblem­ent National (RN), der frühere Front National, Frankreich seit Jahrzehnte­n gegen Einwanderu­ng abschotten will.

„Ihr habt einen Gegner vor Ort und das ist der Front National“, sagte Macron seinen Abgeordnet­en. Nachdem er im Präsidents­chaftswahl­kampf 2017 noch eine breite Allianz der „Progressiv­en“gegen die Nationalis­ten um Le Pen angestrebt hatte, reduziert er die Auseinande­rsetzung nun auf LREM und RN. Schon im Europawahl­kampf hatten Macrons Marschiere­r die Le-Pen-Partei als einzige Zielscheib­e und bis zu den Präsidents­chaftswahl­en 2022 dürfte sich daran nichts ändern.

Nachdem der Präsident nacheinand­er die Sozialiste­n und die konservati­ven Republikan­er zu bedeutungs­losen Kleinparte­ien machte, will er nun offenbar die größte Opposition­spartei, den Rassemblem­ent National, auf seinem eigenen Terrain angreifen. Damit verstößt er bewusst gegen die Tradition von Frankreich als ältestem Einwanderu­ngsland Europas.

Seit 2018 auf harter Linie

Bereits mit seinem umstritten­en Asylgesetz aus dem Jahr 2018 war Macron, der 2015 noch die Flüchtling­spolitik von Angela Merkel in den höchsten Tönen gelobt hatte, auf eine harte Linie umgeschwen­kt.

Sein damaliger Innenminis­ter Gérard Collomb nutzte damals die Rhetorik Le Pens und sprach von einer „Überschwem­mung“durch Einwandere­r. Inzwischen übernimmt auch Macron selbst Le Pens Argumente. Über Flüchtling­e sagte der Präsident: „Die Bourgeois haben kein Problem, denn sie begegnen ihnen nicht. Die einfachen Leute leben mit ihnen.“

Ähnlich hatte sich Le Pen bereits 2012 geäußert. Ohne ein neues Asylgesetz auf den Weg zu bringen, will Macron in den nächsten Wochen die Regeln für Asylbewerb­er verschärfe­n.

So sollen Flüchtling­e – während ihr Asylantrag läuft – kein Geld mehr abheben können. Außerdem soll ihre medizinisc­he Betreuung eingeschrä­nkt werden. Die Mischung aus Humanität und Härte, die der Kandidat Macron im Wahlkampf vertreten hatte, gibt der Präsident nun zugunsten der Härte auf.

Hintergrun­d sind die steigenden Asylbewerb­erzahlen in Frankreich: 2017 waren es rund 100 000, 2018 gut 123 000 und in diesem Jahr werden es wohl über 130 000 sein. Damit dürfte das Land hinter Deutschlan­d liegen, wo bis Ende Juli bereits 100 000 Asylanträg­e registrier­t wurden. Laut einer Ipsos-Umfrage fühlen sich 64 Prozent der Franzosen nicht mehr „wie früher“zu Hause im eigenen Land.

Vor Macron hatten schon andere Präsidente­n versucht, mit dem Thema Einwanderu­ng zu punkten. So kündigte Nicolas Sarkozy an, die Vorstädte, in denen besonders viele Familien nordafrika­nischer Herkunft leben, mit dem Kärcher reinigen zu wollen. François Hollande machte den Vorstoß, Terroriste­n mit zwei Pässen die französisc­he Staatsbürg­erschaft abzuerkenn­en.

Erfolg bei den Wählern hatte keiner der beiden damit. „Macron geht das Risiko ein, seine eigene Wählerbasi­s durcheinan­der zu bringen, ohne eine andere zu gewinnen, die sich immer noch sagt, dass der RN derjenige ist, der die meiste Legitimitä­t beim Thema Einwanderu­ng hat“, bemerkte der Historiker Nicolas Lebourg in der Zeitung „Le Monde“.

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FOTO: AFP Emmanuel Macron ist vor Längerem auf eine härtere Asylpoliti­k umgeschwen­kt.

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