Macron blinkt rechts
Der französische Präsident will mit härterer Einwanderungspolitik gegen die Rechtspopulisten um Le Pen punkten – Seine Erfolgschancen sind schlecht
PARIS - Emmanuel Macron ist immer für Überraschungen gut. Während die Debatte über seine Rentenreform gerade erst begonnen hat, schwenkt der Präsident schon auf ein ganz anderes Thema um: Die Sicherheitsund Einwanderungspolitik will der 41-Jährige in den Mittelpunkt der zweiten Hälfte seiner Amtszeit stellen. „Die Zahl der Asylanträge war noch nie so hoch“, sagte er diese Woche vor Abgeordneten seiner Partei La République en Marche (LREM). Deshalb müsse das Problem frontal angegangen werden.
Die Ankündigung war vor allem an seine Hauptgegnerin Marine Le Pen gerichtet, deren rechtspopulistischer Rassemblement National (RN), der frühere Front National, Frankreich seit Jahrzehnten gegen Einwanderung abschotten will.
„Ihr habt einen Gegner vor Ort und das ist der Front National“, sagte Macron seinen Abgeordneten. Nachdem er im Präsidentschaftswahlkampf 2017 noch eine breite Allianz der „Progressiven“gegen die Nationalisten um Le Pen angestrebt hatte, reduziert er die Auseinandersetzung nun auf LREM und RN. Schon im Europawahlkampf hatten Macrons Marschierer die Le-Pen-Partei als einzige Zielscheibe und bis zu den Präsidentschaftswahlen 2022 dürfte sich daran nichts ändern.
Nachdem der Präsident nacheinander die Sozialisten und die konservativen Republikaner zu bedeutungslosen Kleinparteien machte, will er nun offenbar die größte Oppositionspartei, den Rassemblement National, auf seinem eigenen Terrain angreifen. Damit verstößt er bewusst gegen die Tradition von Frankreich als ältestem Einwanderungsland Europas.
Seit 2018 auf harter Linie
Bereits mit seinem umstrittenen Asylgesetz aus dem Jahr 2018 war Macron, der 2015 noch die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel in den höchsten Tönen gelobt hatte, auf eine harte Linie umgeschwenkt.
Sein damaliger Innenminister Gérard Collomb nutzte damals die Rhetorik Le Pens und sprach von einer „Überschwemmung“durch Einwanderer. Inzwischen übernimmt auch Macron selbst Le Pens Argumente. Über Flüchtlinge sagte der Präsident: „Die Bourgeois haben kein Problem, denn sie begegnen ihnen nicht. Die einfachen Leute leben mit ihnen.“
Ähnlich hatte sich Le Pen bereits 2012 geäußert. Ohne ein neues Asylgesetz auf den Weg zu bringen, will Macron in den nächsten Wochen die Regeln für Asylbewerber verschärfen.
So sollen Flüchtlinge – während ihr Asylantrag läuft – kein Geld mehr abheben können. Außerdem soll ihre medizinische Betreuung eingeschränkt werden. Die Mischung aus Humanität und Härte, die der Kandidat Macron im Wahlkampf vertreten hatte, gibt der Präsident nun zugunsten der Härte auf.
Hintergrund sind die steigenden Asylbewerberzahlen in Frankreich: 2017 waren es rund 100 000, 2018 gut 123 000 und in diesem Jahr werden es wohl über 130 000 sein. Damit dürfte das Land hinter Deutschland liegen, wo bis Ende Juli bereits 100 000 Asylanträge registriert wurden. Laut einer Ipsos-Umfrage fühlen sich 64 Prozent der Franzosen nicht mehr „wie früher“zu Hause im eigenen Land.
Vor Macron hatten schon andere Präsidenten versucht, mit dem Thema Einwanderung zu punkten. So kündigte Nicolas Sarkozy an, die Vorstädte, in denen besonders viele Familien nordafrikanischer Herkunft leben, mit dem Kärcher reinigen zu wollen. François Hollande machte den Vorstoß, Terroristen mit zwei Pässen die französische Staatsbürgerschaft abzuerkennen.
Erfolg bei den Wählern hatte keiner der beiden damit. „Macron geht das Risiko ein, seine eigene Wählerbasis durcheinander zu bringen, ohne eine andere zu gewinnen, die sich immer noch sagt, dass der RN derjenige ist, der die meiste Legitimität beim Thema Einwanderung hat“, bemerkte der Historiker Nicolas Lebourg in der Zeitung „Le Monde“.